Epilepsie – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Vermeidung von epileptischen Anfällen bzw. Verminderung der Anzahl der Anfälle.

Therapieempfehlungen

  • Antiepileptika können bei Erwachsenen bereits nach einem ersten Anfall verordnet werden, insbesondere wenn Risikofaktoren wie EEG-Auffälligkeiten, eine Hirnläsion (Hirnveränderung) sowie andere Auffälligkeiten bei bildgebenden Verfahren vorliegen [3]. Dieses Prozedere ist mit dem Patienten abzustimmen.
    • Akut symptomatische Anfälle: ein paar Tage (bei systemischen Ursachen wie einer Hyponatriämie/Natriummangel) oder für ein paar Wochen (bei ursächlichen akuten Gehirnerkrankungen) 
    • Unprovozierte Anfälle und Epilepsien: Beginn der Therapie unmittelbar danach, wenn ein relevant erhöhtes Rezidivrisiko (Wiederauftreten der Erkrankung) zu erwarten ist (Nachweis von epilepsietypischen Potentialen im EEG oder Nachweis einer potentiell epileptogenen Läsion im MRT)
    Auch jüngere Patienten profitieren von einer sofortigen antikonvulsiven Therapie, wenn sie nach einem ersten Anfall ein geringes Rezidivrisiko haben [16].
  • Je nach der vorliegenden Form der Epilepsie können folgende Antiepileptika eingesetzt werden (beachten Sie bitte bei Frauen eine mögliche Verminderung des kontrazeptiven Schutzes – siehe nachfolgende Tabelle); beachte des Weiteren:
    • Fokale Epilepsien: Lamotrigin und Levetiracetam (Mittel der ersten Wahl); Alternativen sind Eslicarbazepinacetat, Lacosamid, Oxcarbazepin (cave: Hyponatriämie bei älteren Patienten) und Zonisamid
      Beachte: Bei Kindern (ab 5 Jahre) und Erwachsenen mit fokalen Epilepsien als Ersttherapie ist Lamotrigin dem Wirkstoff Levetiracetam überlegen [23].
      Pharmakoresistente fokale Epilepsie: Vorstellung der Patienten in einem spezialisierten Zentrum zur Evaluierung hinsichtlich Epilepsiechirurgie.
    • Generalisierte Epilepsie mit Myoklonien und/oder generalisierte tonisch-klonische Anfälle: Valproat (Mittel der ersten Wahl); bei Frauen im gebärfähigen Alter nur in begründeten Ausnahmefällen indiziert; Alternativen für die Monotherapie (MT) sind Lamotrigin und Topiramat*; zur Zusatztherapie (ZT) sind Levetiracetam und Perampanel zugelassen.
  • Bei GTKA (generalisierter tonisch-klonischenr Anfall; Stufe 1) und SGTKA (Status generalisierter tonisch-klonischer Anfall; Stufen 1-4) erfolgt eine Stufentherapie (s. u.)
  • Status epileticus (SE): 
    • Erwachsene: First-line-Therapie mit Benzodiazepine  (Phase I; weitere Phasen s. u.)
      Beachte: Werden Benzodiazepine bei einem Status epilepticus innerhalb von zehn Minuten verabreicht, lässt sich die Mortalität (Sterberate) deutlich senken (> 10 min. 11-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko) [15].
      Falls ein Status epilepticus nicht durch die intravenöse Therapie eines Benzodiazepin durchbrochen werden konnte, erholten sich die Patienten unter der Gabe von Levetiracetam, Fosphenytoin oder Valproat gleich häufig und gleich schnell von ihrer lebensgefährlichen Krise [20].
      Das mittels Applikator gegebene intramuskuläre Midazolam ist in der Initialtherapie des Status generalisierter konvulsiver Anfälle der i.v. Gabe von 4 mg Lorazepam mindestens gleichwertig.
      Kinder: Midazolam nasal oder buccal; Alternative: Diazepam rektal  (Phase I; weitere Phasen s. u.)
  • Super-refraktärer Status epilepticus (SRSE): Einsatz von
    • hochdosierten Barbituraten (Thiopental) unter Abwägung von Nutzen und Risiken kann erwogen werden (Empfehlungsstärke: offen, Konsensstärke: starker Konsens) [S2k-Leitlinie]
    • intravenös appliziertem Ketamin oder inhalativem Isofluran kann erwogen werden (Empfehlungsstärke: offen, Konsensstärke: starker Konsens) [S2k-Leitlinie]
  • Beachten Sie die folgenden Hinweise (s. u.):
    • Einfluss von Antiepileptika auf Konzeptionsschutz (Ovulationshemmer; hormonhaltige Kontrazeptiva)
    • Frauen mit geplanter Schwangerschaft/bei eingetretener Schwangerschaft
    • Kinder mit schweren, therapieresistenten Epilepsien
  • Cave (Achtung)! Ca. 50 % aller Epilepsie-Patientinnen unter chronischer Antiepileptika-Therapie leiden unter einer Antiepileptika-assoziierten Osteopathie (Knochenerkrankung)! 
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Hinweise

  • Mit Benzodiazepinen (z. B. Midazolam) i.m. lassen sich epileptische Anfälle schneller unterbrechen als mit einer i.v.-Injektion: Grund ist wahrscheinlich, dass es viel Zeit kostet, bei einem krampfenden Patienten einen I.v.-Zugang zu legen [14].
  • *Topiramat: To­piramat ist fast 3-mal effektiver als ein Placebo, wenn es in Kombination mit anderen Medika­menten verwendet wird, um die Anzahl der Anfälle bei der medikamentenresistenten fo­kalen Epilepsie zu reduzieren [18].
  • Cenobamat erzielte bei Patienten mit schwer therapierbaren fokalen Anfällen bei etwa jedem 5. Patienten eine Anfallsfreiheit [19]. 
    Wirkweise: Natriumkanal-Blocker und nimmt zudem Einfluss auf die präsynaptische GABA-Freisetzung, was dadurch den dämpfenden Effekt dieses Neurotransmitters erhöht.
    Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat dieses Antiepileptikum 2019 zugelassen.
  • Eslicarbazeptin: Patienten mit arzneimittelresistenter fokaler Epilepsie können von einer Zusatztherapie mit Eslicarbazepinacetat profitieren [22].
  • Frühkindliche Epilepsie mit Mutationen im KCNA2-Gen: 4-Aminopyridin (hemmt spezifisch die Überaktivität der Kaliumkanäle); es handelt sich dabei um Drug Repurposing (Medikament ist bereits zur Behandlung von Gangstörungen bei Multiple Sklerose Patienten zugelassen) [21]

Zulassungsstatus häufig eingesetzter Antiepileptika bei Erwachsenen (Auswahl)* (nach [aktueller DGN-Leitlinie])

Wirkstoff Fokale Epilepsie Generalisierte Epilepsie Maximale Tagesdosis**
  Monotherapie (MT) Zusatztherapie (ZT) Monotherapie (MT) Zusatztherapie (ZT)  
Brivaracetam nein ja nein nein 200 mg
Carbamazepin ja ja nein nein 1.600 mg
Eslicarbazepinacetat ja ja nein nein 1.600 mg MT / 1.200 mg ZT
Ethosuximid*** nein nein ja ja 2.000 mg
Gabapentin ja ja nein nein 3.600 mg
Lacosamid ja ja nein nein 600 mg MT / 400 mg ZT
Lamotrigin ja ja ja ja 600 mg 
Levetiracetam**** ja ja nein ja 3.000 mg
Oxcarbazepin ja ja nein nein 2.400 mg
Perampanel nein ja nein ja 12 mg
Topiramat ja ja ja ja 400 mg
Valproat ja ja ja ja 2.000 mg
Zonisamid ja ja nein nein 500 mg

*Eine umfassendere Auflistung findet sich in Tabelle 5 der aktuellen DGN-Leitlinie:
**Empfohlene Tageshöchstdosis, die im Einzelfall überschritten werden kann. 
***Die Substanz ist nur zur Behandlung von Absencen zugelassen.
 

****
DRESS-Syndrom möglich (sehr seltene Überempfindlichkeitsreaktion, die allerdings tödlich verlaufen kann)


CAVE!

Die Einnahme von Valproinsäure während Schwangerschaft schadet der Intelligenz des Kindes langfristig [1].

Folgende neue Wirkstoffe können als Zusatztherapie bei fokalen und generalisierten tonisch-klonischen Anfällen eingesetzt werden (s. u. unter "Neue Wirkstoffe"):

  • Eslicarbazepinacetat
  • Everolismus bei Krampfanfällen bei tuberöser Sklerose (TSC) 
  • Lacosamid zur Monotherapie bei fokalen Anfällen
  • Retigabin

Folgende neue Wirkstoffe können als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit und ohne Generalisierung eingesetzt werden (s. u. unter "Neue Wirkstoffe"):

  • Perampanel

Folgende Wirkstoffe können zur präventiven Behandlung von episodische Migräneattacken bei Erwachsenen eingesetzt werden:

  • Topiramat*
  • Valproat (s. u. Warnhinweis: Rote-Hand-Brief)

*Topiramat: To­piramat ist fast 3-mal effektiver als ein Placebo, wenn es in Kombination mit anderen Medika­menten verwendet wird, um die Anzahl der Anfälle bei der medikamentenresistenten fo­kalen Epilepsie zu reduzieren [18].

Wirkstoffe (Hauptindikation) – Klassische Antiepileptika

Wirkstoffe Nebenwirkungen Besonderheiten
Carbamazepin V.a. allergische Blutbildveränderungen Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
CAVE: Serumspiegel
Clonazepam V.a. Sedierung, Toleranz, Abhängigkeit Dosishalbierung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Ethosuximid V.a. allergische Blutbildveränderungen Bei Absencen im Schulalter Valproat (s. u. Warnhinweis: Rote-Hand-Brief) und Lamotrigin überlegen
Phenobarbital V.a. Sedierung Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz
Phenytoin V.a. Gingivahyperplasie,
Hirsutismus
Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Primidon
(Phenobarbital + PEMA)
V.a. Blutbildveränderungen Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
CAVE: Serumspiegel
Valproinsäure (VPA) V.a. Gewicht ↑, Haarausfall,
Thrombozytopenie, Leberschäden

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Cave: Serumspiegel

Die Einnahme von Valproinsäure während Schwangerschaft schadet der Intelligenz des Kindes langfristig [1].

Wirkstoffe (Hauptindikation) – neuere Antiepileptika

Wirkstoffe Nebenwirkungen Besonderheiten
Gabapentin Gut verträglich Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Lamotrigin (LTG) V.a. allergische Hautveränderungen

Bei Absencen im Schulalter Valproat (s. u. Warnhinweis: Rote-Hand-Brief) und Lamotrigin überlegen.

Bei Kindern (ab 5 Jahre) und Erwachsenen mit fokalen Epilepsien als Ersttherapie ist Lamotrigin dem Wirkstoff Levetiracetam überlegen [23].

Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

Levetirazetam Gut verträglich Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Oxcarbamazepin Mittel der Wahl Dosisanpassung bei Nieren-/ schwerer Leberinsuffizienz
Pregabalin V.a. ZNS-toxisch Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Tiagabin V.a. ZNS-toxisch Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
KI bei schwerer Leberinsuffizienz
Topiramat Gut verträglich Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz
Vigabatrin V.a. Gesichtsfeldausfälle Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz

Alle Wirkstoffe sollten bei Beendigung der Therapie langsam (über 6 Monate) ausgeschlichen werden.

Cave!
Ca. 50 % aller Epilepsiepatientinnen unter chronischer Antiepileptika-Therapie leiden unter einer Antiepileptika-assoziierten Osteopathie!

Neue Wirkstoffe

Wirkstoffgruppe Wirkstoff Dosierung Besonderheiten
Funktionalisierte Aminosäure Lacosamid Initial 2 x 50 mg/d, dann 2 x 100 mg/d
Max 400 mg/d
Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz
Carboxamid-Derivate Eslicarbazepinacetat Initial 400 mg/d
Max 1.200 mg/d
Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Bei schwerer Nieren-/Leberinsuffizienz nicht empfohlen
KCNQ2/3-Öffner Retigabin Initial 3 x 100 mg/d
Max 1.200 mg/d
Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz
AMPA-Rezeptor-Antagonist Perampanel Initial 2 mg/d
Max. 4-12 mg/d

Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Bei schwerer Nieren-/Leberinsuffizienz nicht empfohlen

Beachte: Eisai wird zum 1. April 2016 den organisierten Import nach Deutschland einstellen; dann ist nur noch ein Apotheken-Import möglich.

  • Wirkweise funktionalisierte Aminosäuren: genauer Wirkmechanismus unklar
  • Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Diplopie, gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Flatulenz), Depression, Gedächtnis-, Koordinationsstörungen, Tremor, Tinnitus, Pruritus, Herzrhythmusstörungen (AV-Block, Bradykardie, VHF)
  • Wirkweise Carboxamid-Derivate: genauer Wirkmechanismus noch nicht geklärt
  • Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Diploipie, gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe), Koordinations-, Aufmerksamkeitsstörungen, Hautausschlag
  • Wirkweise KCNQ2/3-Öffner: aktiviert spannngsabhängige Kaliumkanäle im Gehirn
  • Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Erschöpfung. gastrointestinal (Übelkeit, Obstipation, Mundtrockenheit), Gewichtszunahme, Koordinations-, Aufmerksamkeitsstörungen, Amnesie, Aphasie, Tremor, Parästhesien
  • Wirkweise AMPA-Rezeptor-Antagonist: genauer Mechnismus noch nicht geklärt
  • Nebenwirkungen: Schwindel, Somnolenz, gastrointestinal (Appetitstörungen, Übelkeit), Gewichtszunahme, Aggressivität, Angst, Verwirrtheit, Ataxie, verschwommenes Sehen

Weitere Hinweise

  • Die Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA hat 2015 eine positive Stellungnahme zu Brivaracetam (BRV) als Zusatztherapie für Patienten ab 16 Jahre mit unkontrollierten fokalen Anfällen abgegeben. 
    Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht aus methodischen Gründen keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen des Epilepsiemedikamentes Brivaracetam (Briviact) [12].
  • Eine Metaanalyse zu Brivaracetam zeigte für die 50%ige Anfallsreduktion bzw. Anfallsfreiheit ein relatives Risiko von 1,75 und war damit deutlich besser als in der Placebogruppe (4,74) [13]

Wirkstoffe (Hauptindikation) bei GTKA (generalisiert tonisch-klonischer Anfall; Stufe 1) und SGTKA (Status generalisiert tonisch-klonischer Anfall; Stufen 1-4)

Stufe Wirkstoffe  
1: Anfall und Therapiebeginn im Status Lorazepam  
 

Dauer: 5-30 min

Evtl. parallel „loading“ mit Stufe-2-Substanzen:

  • wenn Ursache nicht beseitigt ist und/oder
  • wenn anhaltende antikonvulsive Medikation etabliert werden muss
Diazepam  
Clonazepam  
Midazolam In 76 % der Fälle kommt es zur klinischen Anfallskontrolle; dies durchschnittlich nach 41 Minuten [5, 6]
2: Benzodiazepin-refraktär Phenytoin Beachte: Erst nach 20-30 min tritt der maximale antikonvulsive Effekt tritt auf (wg. Begrenzung der Infusionsgeschwindigkeit).

Dauer: 40 min

  • Bei ausbleibender Anfallskontrolle durch 1. Schritt bzw.
  • parallel zur Etablierung einer anhaltenden antikonvulsiven Therapie


 

Valproat

Cave!
Patienten mit Kinderwunsch und Schwangere (siehe  unten: Hinweise für "Frauen mit geplanter Schwangerschaft/bei eingetretener Schwangerschaft")

Lacosamid Formal nicht zugelassen zur Behandlung des Status epilepticus
Levetiracetam
Phenobarbital  
3: Refraktärer Status

(gegenüber der Benzodiazepin- und spezifischen Antiepileptikagabe refraktär)
Midazolam Beachte: Hohe Kumulationsrate mit Weaning-Problemen ("Entwöhnung") nach längerer Therapie.
Dauer:  + 60 min: Intubation Propofol  
Thiopental  
4: Superrefraktärer Status – Ultima-Ratio-Alternativen [8, 9, 10] Etomidat  
  Chloralhydrat  
  Ketamin  
  Lidocain  
  Isoflurane 1 %  
  Immunmodulation  
  Ketogene Infusion (Fett)  
  Pyridoxin (Vitamin B6)  
  Hypothermie  
  Liquor-Luft-Austausch  
  • Vorgehen gleich beim fokalen Anfall oder Absence-Status
  • Bei refraktären Status epilepticus (RES) werden bei Midazolam-Versagen gewöhnlich Barbiturate verwendet; 23 Stunden danach wurde im Durchschnitt ein „burst suppression“-Muster erreicht (Hinweis: Bei einem Burst Suppression wird die Gehirnaktivität fast bis zum Hirntod (ioselektrischen Kurvenverlauf) reduziert); die Effektivität lag bei 65 %. Anschließend kamen inhalative Anästhetika, Ketamin und Hypothermie  (Unterkühlung) zum Einsatz [5, 6].
  • Die Mortalität (Sterberate) des RSE bei Kindern liegt bei bis zu 30 %. Rund 50 % der Überlebenden haben neurologische Defizite [5, 6].

Weitere Hinweise

  • Die Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA hat 2015 eine positive Stellungnahme zu Brivaracetam (BRV) als Zusatztherapie für Patienten ab 16 Jahre mit unkontrollierten fokalen Anfällen abgegeben. 
    Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht aus methodischen Gründen keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen des Epilepsiemedikamentes Brivaracetam (Briviact) [12].
  • Eine Metaanalyse zu Brivaracetam zeigte für die 50%ige Anfallsreduktion bzw. Anfallsfreiheit ein relatives Risiko von 1,75 und war damit deutlich besser als in der Placebogruppe (4,74) [13]

Hinweise zum Einfluss von Antiepileptika auf den Konzeptionsschutz (Ovulationshemmer; hormonhaltige Kontrazeptiva)

Verminderung des
kontrazeptiven Schutzes
Mögliche Verminderung des
kontrazeptiven Schutzes
Kein Einfluss
auf den kontrazeptiven Schutz
(laut Studien und Fachinformationen)
Carbamazepin Lamotrigin Ethosuximid
Oxcarbazepin Topiramat (400 mg/d in Kombination mit Valproat)
Gabapentin
Phenobarbital   Lacosamid
Phenytoin   Levetiracetam (< 1.000 mg/d)
Primidon   Pregabalin
Perampanel
  Topiramat (< 200 mg)
Eslicarbazepinacetat
  Zonisamid
    Lacosamid

 

Hinweise für Frauen mit geplanter Schwangerschaft/bei eingetretener Schwangerschaft

  • Eine Ersteinstellung auf Valproat sollte bei Frauen mit Kinderwunsch vermieden werden (wg. Risiko der Teratogenität/Fehlbildungsrisiko)
  • Rote-Hand-Brief (AkdÄ Drug Safety Mail | 38-2014) zu Valproat: dosisabhängiges Risiko für Anomalien des Neugeborenen; hohes Risiko für schwerwiegende Entwicklungsstörungen (in bis zu 30-40 % der Fälle) und/oder angeborene Missbildungen (in ca. 10 % der Fälle).
    Valproat sollte Mädchen, weiblichen Jugendlichen, Frauen im gebärfähigen Alter oder schwangeren Frauen nur verschrieben werden, wenn andere Arzneimittel nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
  • Ärzte und Apotheker werden aufgefordert, bei jeder Verordnung bzw. Abgabe von Valproat jeder Patientin im gebärfähigen Alter die Patientenkarte auszuhändigen und die Inhalte zu erläutern (AkdÄ Drug Safety Mail | 23-2017)
  • Rote-Hand-Brief (AkdÄ Drug Safety Mail): Gegenanzeigen, Warnhinweise und Maßnahmen zur Vermeidung einer Valproat-Exposition während der Schwangerschaft [17]:
    • Bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter darf Valproat nur dann angewendet werden, wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
    • Valproat ist bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert, es sei denn, das Schwangerschaftsverhütungsprogramm wird eingehalten.
    • Bei Epilepsie ist Valproat während der Schwangerschaft kontraindiziert, außer wenn keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen.
    • Bei bipolaren Erkrankungen und zur Migräneprophylaxe ist Valproat während der Schwangerschaft kontraindiziert.
  • Vor einer geplanten Schwangerschaft: Einnahme von 1-5 mg Folsäure; Vermeidung von Antiepileptika-Kombinationen; jedes Epilepikum sollte in der niedrigsten wirksamen Dosis gegeben werden; Ersteinstellung auf Valproat möglichst vermeiden (Valproatexposition des Fetus zeigt eine dosisabhängige Assoziation zu kognitiven Defiziten [2]; siehe auch "Rote-Hand-Brief" oben).
  • Bei eingetretener Schwangerschaft: keine größeren Medikamentenumstellungen mehr; 1-5 mg Folsäure im 1. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel); ggf. Versuch, auf eine Monotherapie in niedrigst wirksamer Dosis zu reduzieren
  • Retigabin soll nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter eingesetzt werden.
  • Schwangerschaften von Frauen, die unter einer Epilepsie leiden, verlaufen einer Studie zufolge häufiger mit Komplikationen. Auch das Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) im Kreißsaal war signifikant erhöht: 80 mütterliche Todesfälle auf 100.000 Schwanger­schaften (Normalkollektiv: 6 auf 100.000) [7].
  • Frauen mit Epilepsie hatten im Vergleich zu Frauen ohne Epilepsie ein erhöhtes Risiko für Spontanaborte,  für ante-  und postpartale Blutungskomplikationen und für Blutdruckkrisen [11].
  • Die Einnahme von Valproinsäure während Schwangerschaft schadet der Intelligenz des Kindes langfristig [1].

Kinder mit schweren, therapieresistenten Epilepsien

  • Der in Cannabis enthaltene Wirkstoff Cannabidiol (CBD) kann die Anfallsfrequenz bei Kindern mit schweren, therapieresistenten Epilepsien (z. B. bei Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS)) um mehr als 50 % senken [4].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Die zum Einsatz kommenden Antiepileptika führen zu einem Mehrbedarf zahlreicher Vitalstoffe.

Antiepileptika induzieren Cytochrom-P450-haltige Monooxygenasen in der Leber, die den Abbau und die Metabolisierung von Vitamin D beschleunigen. Dies hat einen Abfall von 25-(OH)- und 1,25-(OH)2-Vitamin-D-Spiegel im Serum zur Folgen. Bei dauerhafter Einnahme kommt es zu einem Vitamin D-Mangel.

Die Langzeiteinnahme führt weiterhin zu einem Mangel an Biotin, Vitamin A, Vitamin B6, Vitamin B12.

Die dauerhafte Einnahme mehrerer Antiepileptika führt zu

  • niedrigen Calcium-Werten im Blut
  • niedrigen L-Carnitin-Werten im Blut
  • niedrigen Folsäure-Werten im Blut (kontroverse Studienlagen: manchmal konnte ein positiver Effekt durch Folsäure-Einnahme gezeigt werden und manchmal hatte es keine Wirkung)

Beispielsweise Lamotrigin führt zum Abfall des Osteocalin-Plasmaspiegels, mit der Folge

  • Abnahme der Knochendichte
  • erhöhtes Frakturrisiko (Knochenbruchrisiko) 

Fazit: Einnahme von Vitamin D (400 I.E.), Calcium (500 mg) und Vitamin K ist ratsam

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Nerven und Psyche sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesiumcitrat und Kaliumcitrat))

Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge einer Epilepsie s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Lindhoout D: Antiepileptic drugs during pregnancy and cognitive outcomes. Lancet Neurol 2013; 12: 244-52, Published Online, January 23, 2013
  2. Meador KJ, Baker GA, Cohen MJ et al.: Fetal antiepileptic drug exposure and cognitive outcomes at age 6 years (NEAD study): a prospective oberservational study. Lancet Neurology 2013; e-pub before print http://dx.doi.org/10.1016/S1474-4422(12)70323-X
  3. Krumholz A et al.: Evidence-based guideline: Management of an unprovoked first seizure in adults. Neurology 2015; 84:1705:1713
  4. Devinsky O et al.: Epidiolex (Cannabidiol) in Treatment Resistant Epilepsy. NYU School of Medicine
  5. Bennet KS: Pediatric refractory status epilepticus: many more questions than answers. Pediatr Crit Care Med 2014;15:674-6
  6. Wilkes R et al.: Intensive care treatment of uncontrolled status epilepticus in children: systematic literature search of midazolam and anesthetic therapies. Pediatr Crit Care Med 2014;15:632-9
  7. MacDonald SC et al.: Mortality and Morbidity During Delivery Hospitalization Among Pregnant Women With Epilepsy in the United States. JAMA Neurol. Published online July 06, 2015. doi:10.1001/jamaneurol.2015.1017
  8. Gaspard N, Foreman B, Judd LM et al.: Intravenous ketamine for the treatment of refractory status epilepticus: a retrospective multicenter study. Epilepsia 54. 2013:1498-1503
  9. Shorvon S, Ferlisi M: The outcome of therapies in refractory and super-refractory convulsive status epilepticus and recommendations for therapy. Brain 135. 2012:2314-2328
  10. Trinka E, Höfler J, Zerbs A, Brigo F: Efficacy and safety of intravenous valproate for status epilepticus: a systematic review. CNS Drugs. 2014 Jul;28(7):623-39. doi: 10.1007/s40263-014-0167-1.
  11. Viale L, Allotey J, Cheong-See F et al.: Epilepsy in pregnancy and reproductive outcomes: a systematic review and meta-analysis. Lancet. 2015 Nov 7;386(10006):1845-52. doi: 10.1016/S0140-6736(15)00045-8.
  12. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Brivaracetam – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. IQWiG-Berichte – Nr. 391 12.05.2016
  13. Lattanzi S, Cagnetti C, Foschi N et al. Brivaracetam add-on for refractory focal epilepsy. A systematic review and meta-analysis. Neurology. 2016 Apr 5;86(14):1344-52. doi: 10.1212/WNL.0000000000002545. Epub 2016 Mar 4.
  14. Long B et al.: Do Intravenous Benzodiazepines or Benzodiazepines by an Alternative Route (Nonintravenous) Abort Seizures Faster? Annals of Emergency Medicine 2017, epub 12.6.17, doi: 10.1016/j.annemergmed.2017.06.012
  15. Gaínza-Lein M et al.: Association of Time to Treatment With Short-term Outcomes for Pediatric Patients With Refractory Convulsive Status Epilepticus. JAMA Neurol. Published online January 22, 2018. doi:10.1001/jamaneurol.2017.4382
  16. Bao EL et al.: Antiepileptic drug treatment after an unprovoked first seizure A decision analysis. Neurology 2018, epub September 12, 2018, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000006319
  17. Rote-Hand-Brief zu Valproat: AkdÄ Drug Safety Mail | 64-2018
  18. Cochrane Database of Systematic Reviews: Topiramate add‐on therapy for drug‐resistant focal epilepsy 23 October 2019 https://doi.org/10.1002/14651858.CD001417.pub4
  19. Krauss GL et al.: Safety and efficacy of adjunctive cenobamate (YKP3089) in patients with uncontrolled focal seizures: a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, dose-response trial. Lancet Neurology November 13, 2019 doi:https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30399-0
  20. Kapur J et al.: Randomized Trial of Three Anticonvulsant Medications for Status Epilepticus. N Engl J Med 2019; 381:2103-2113 doi: 10.1056/NEJMoa1905795
  21. Hedrich UBS, Lauxmann S et al. 4-Aminopyridine is a promising treatment option for patients with gain-of-function KCNA2-encephalopathy. Science Translational Medicine (2021) doi: 10.1126/scitranslmed.aaz4957
  22. Chang XC et al.: Eslicarbazepine acetate add‐on therapy for drug‐resistant focal epilepsy Cochrane Library 22 June 2021 https://doi.org/10.1002/14651858.CD008907.pub4
  23. Marson A, Burnside G, Appleton R et al.: The SANAD II study of the effectiveness and cost-effectiveness of levetiracetam, zonisamide, or lamotrigine for newly diagnosed focal epilepsy: an open-label, non-inferiority, multicentre, phase 4, randomised controlled trial. Lancet 2021; 397: 1363-74

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: 030-041), April 2017 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Status epilepticus im Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: 030 - 079), Juni 2020 Langfassung