Abnorme Reflexe – Einleitung

Ein Reflex bezeichnet eine automatische, unwillkürliche Antwort eines Organgewebes, z. B. eines Muskels oder einer Drüse, auf einen Reiz. Reflexe sind grundlegende Reaktionen des Nervensystems, die ohne bewusste Steuerung ablaufen.

Einteilung der Reflexe

  • Physiologische Reflexe
    • Eigenreflexe: Bei Eigenreflexen sind der Rezeptor (Reizempfänger) und der Effektor (ausführender Muskel) identisch.
    • Beispiele:
      • Patellarsehnenreflex (Knie-Reflex)
      • Achillessehnenreflex
    • Fremdreflexe: Bei Fremdreflexen sind Rezeptor und Effektor unterschiedlich.
    • Beispiele:
      • Bauchhautreflex
      • Kornealreflex (Lidschlussreflex)
  • Pathologische Reflexe (ICD-10-GM R29.2: Abnorme Reflexe):
    • Treten im Rahmen von Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) auf.
    • Sind bei Gesunden nicht zu beobachten und immer Fremdreflexe.
    • Beispiele:
      • Babinski-Reflex: Dorsalflexion (Beugung (Flexion) zum Fußrücken hin) der Großzehe bei Bestreichen der Fußsohle.
      • Hoffmann-Reflex: Flexion der Finger nach plötzlichem Schnippen gegen die Nagelspitze des Mittelfingers.
    • Treten bei Schädigung der Pyramidenbahn (Pyramidenbahnzeichen) oder des ersten motorischen Neurons auf. Bei Neugeborenen sind diese Reflexe noch physiologisch.
  • Primitive Reflexe (frühkindliche Reflexe):
    • Treten bei Neugeborenen und Säuglingen auf.
    • Beispiele:
      • Moro-Reflex: Schreckreflex bei plötzlichem Lagewechsel.
      • Saugreflex: Auslösung durch Berührung des Gaumens.

Differentialdiagnosen

Pathologische Reflexe können Symptom vieler Erkrankungen sein, darunter:

  • Multiple Sklerose
  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • Schlaganfälle
  • Hirntumoren
  • Rückenmarksverletzungen
  • Degenerative Erkrankungen des Nervensystems

Epidemiologie

  • Häufigkeitsgipfel: Primitive Reflexe treten bei Neugeborenen und Säuglingen auf.
  • Pathologische Reflexe sind nicht bei Gesunden zu beobachten und treten nur im Rahmen neurologischer Erkrankungen auf.

Verlauf und Prognose

  • Physiologische Reflexe: Diese können weder unterdrückt noch willentlich gesteuert werden und bleiben lebenslang bestehen, solange keine neurologische Schädigung vorliegt.
  • Pathologische Reflexe: Gelten als Hinweis auf ein Krankheitsgeschehen und können im Verlauf einer Erkrankung auftreten oder persistieren. Sie erfordern eine neurologische Abklärung und entsprechende Therapie der Grunderkrankung.
  • Primitive Reflexe: Diese verschwinden typischerweise mit der Reifung des Nervensystems im Verlauf der ersten Lebensmonate.