Lidrandentzündung (Blepharitis) – Einleitung

Die Blepharitis (Lidrandentzündung) bezeichnet eine chronische oder rezidivierende Entzündung des Lidrandes (Augenlid). Sie ist eine der häufigsten Erkrankungen der Augenlider und tritt häufig in Kombination mit dem Syndrom des trockenen Auges (Keratokonjunktivitis sicca – Austrocknung der Augenoberfläche) auf. Klinisch wird zwischen einer anterioren (vorderen) und einer posterioren (hinteren) Form unterschieden, die einzeln oder kombiniert auftreten können.

Synonyme und ICD-10

  • ICD-10-GM H01.0: Lidrandentzündung (Blepharitis)
  • Weitere Bezeichnungen:
    • Blepharitis anterior (vordere Blepharitis)
    • Blepharitis posterior (hintere Blepharitis)
    • Meibomdrüsen-Dysfunktion (Funktionsstörung der Lidrand-Talgdrüsen)
    • Seborrhoische Blepharitis (mit fettiger Haut)
    • Staphylokokken-Blepharitis (durch Bakterien verursachte Entzündung)

Die Blepharitis ist eine entzündliche Erkrankung der Lidränder (Augenlider), die entweder den vorderen Lidrand (Blepharitis anterior) betrifft – hier sind meist Wimpern (Cilia), Haarfollikel (Haarwurzelstrukturen) sowie die Zeis- und Moll-Drüsen (Talg- und Schweißdrüsen des Lides) beteiligt – oder den hinteren Lidrand (Blepharitis posterior), bei der die Meibomdrüsen (Lidrand-Talgdrüsen) betroffen sind. Beide Formen können gleichzeitig bestehen (kombinierte Blepharitis).

  • Blepharitis anterior – Entzündung der Wimpernbasis, häufig verursacht durch Staphylococcus aureus (goldgelber Staphylokokkus), Staphylococcus epidermidis (Hautstaphylokokkus) oder seborrhoische Hautveränderungen (fettige Haut).
  • Blepharitis posterior – Entzündung der Meibomdrüsen mit gestörter Lipidsekretion (Fettabgabe), Instabilität des Tränenfilms (evaporativer Typ – erhöhte Verdunstung) und sekundärer Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge).

Epidemiologie

Die Blepharitis zählt zu den häufigsten chronischen Lidrandveränderungen (dauerhafte Entzündungen der Augenlidkante) in der ophthalmologischen Praxis (Augenheilkunde).

  • Prävalenz: Etwa 30-50 % der erwachsenen Bevölkerung zeigen klinische Zeichen einer Blepharitis; hohe Dunkelziffer.
  • Altersverteilung: Zunehmend mit dem Lebensalter, bedingt durch altersabhängige Abnahme der Meibomdrüsenfunktion.
  • Geschlechterverteilung: Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
  • Assoziationen: Häufig vergesellschaftet mit Rosazea (Gesichtsrose), seborrhoischem Ekzem (fettige Hautentzündung), Atopie (Neigung zu Allergien) und Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge).

Formen der Blepharitis

  • Blepharitis anterior (vorderer Lidrand)
    • Befall der Wimpernbasis und angrenzender Haut.
    • Meist infektiös (durch Bakterien) oder seborrhoisch bedingt (bei fettiger Haut).
    • Typische Befunde: Schuppen, Krusten, Verklebungen, Rötung, Wimpernausfall (Madarosis).
  • Blepharitis posterior (hinterer Lidrand)
    • Entzündung der Meibomdrüsen (Lidrand-Talgdrüsen) mit gestörter Lipidsekretion (Fettabgabe).
    • Verstopfte Drüsenöffnungen, zähes Sekret, Schaum am Lidrand.
    • Führt zu Instabilität des Tränenfilms (Tränenflüssigkeit) und sekundärem trockenem Auge.
  • Blepharitis angularis – Entzündung der Lidwinkel (Augenwinkel), meistens lateral (seitlich).
  • Blepharitis ciliaris – Entzündung einzelner Wimpernbälge (Haarwurzeln der Wimpern).
  • Blepharitis follicularis – Entzündung der Wimpernfollikel (Haarfollikel der Wimpern).
  • Blepharitis marginalis – Chronische Entzündung entlang des gesamten Lidrandes; anteriore oder posteriore Beteiligung möglich.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Anteriore Blepharitis

  • Akute Form – Meistens bakteriell bedingt durch Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermidis (Hautstaphylokokkus).
    • Plötzlicher Beginn mit Rötung, Schwellung, Verkrustung der Lidränder und Verklebung der Wimpern.
    • Brennen, Fremdkörpergefühl und Photophobie (Lichtscheu) möglich.
    • Günstiger Verlauf bei adäquater Therapie, vollständige Rückbildung meist innerhalb weniger Tage bis Wochen.
  • Chronische Form – Langsam verlaufende, rezidivierende (wiederkehrende) Entzündung.
    • Persistierende Rötung, Schuppung und Spannungsgefühl.
    • Krustenbildung, Wimpernausfall (Madarosis) und Wimpernfehlstellungen (Trichiasis – Einwärtswachsen der Wimpern) möglich.
    • Schübe ausgelöst durch Stress, hormonelle Einflüsse, Klimafaktoren oder mangelhafte Lidrandhygiene.
    • Häufig assoziiert mit seborrhoischer Dermatitis (fettige Hautentzündung) oder Rosazea (Gesichtsrose).

Posteriore Blepharitis

  • Akute Form – Entzündung der Meibomdrüsen (akute Meibomitis – Entzündung der Lidrand-Talgdrüsen).
    • Schmerzhaft geschwollene Lidkante mit Druckschmerz und gelblichem Sekret.
    • Übergang in chronische Form möglich, wenn Drüsen weiterhin verstopft bleiben.
  • Chronische Form – Chronisch-rezidivierende Meibomdrüsen-Dysfunktion (MDD; Funktionsstörung der Lidrand-Talgdrüsen).
    • Persistierende Verstopfung der Drüsenöffnungen, zähes Sekret und Schaum am Lidrand.
    • Führt zu Instabilität des Tränenfilms und sekundärer Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge).
    • Verlauf über Monate bis Jahre mit episodischen Exazerbationen (Schüben).
    • Langfristig Verdickung, Vernarbung und eingeschränkte Drüsenfunktion möglich.

Prognose

Anteriore Blepharitis

  • Akute Form: Gute Prognose bei frühzeitiger Therapie (Lidrandhygiene, ggf. topische Antibiotika – lokale Antibiotika); in der Regel folgenlose Abheilung.
  • Chronische Form: Langwieriger Verlauf mit häufigen Rezidiven (Rückfällen); durch regelmäßige Lidpflege und entzündungshemmende Therapie meist gute Symptomkontrolle.
  • Unbehandelt drohen Wimpernausfall, Narbenbildung, chronische Reizzustände und sekundäre Infektionen (Hordeolum – Gerstenkorn, Chalazion – Hagelkorn).

Posteriore Blepharitis

  • Akute Form: Bei adäquater Behandlung gute Heilungschancen; selten Komplikationen.
  • Chronische Form: Meist persistierende Meibomdrüsen-Dysfunktion (MDD; Funktionsstörung der Lidrand-Talgdrüsen) mit rezidivierenden Symptomen.
    • Regelmäßige thermische Lidpflege, Massage und ggf. systemische Therapie (z. B. Doxycyclin) können den Verlauf deutlich verbessern.
    • Unbehandelt Gefahr einer dauerhaften Instabilität des Tränenfilms, sekundären Hornhautschäden (z. B. Ulcus corneae – Hornhautgeschwür) und rezidivierender Chalazien (Hagelkörner).

Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)

  • Keratokonjunktivitis sicca (trockenes Auge)
  • Rosazea (Gesichtsrose)
  • Seborrhoisches Ekzem (fettige Hautentzündung)
  • Atopische Dermatitis (Neurodermitis)
  • Chronische Konjunktivitis (dauerhafte Bindehautentzündung)
  • Chalazion (Hagelkorn)
  • Hordeolum (Gerstenkorn)