Rückenschmerzen – Einleitung

Rückenschmerzen sind ein häufiges medizinisches Symptom, das durch Schmerzen, Verspannungen oder Steifheit im Bereich des Rückens gekennzeichnet ist. Sie können akut oder chronisch sein und eine Vielzahl von Ursachen haben, einschließlich muskulärer Verspannungen, Bandscheibenproblemen, degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule und anderen strukturellen oder systemischen Faktoren. Rückenschmerzen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und sind eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit und Arztbesuche. Eine präzise Diagnose und ein individuell angepasstes Behandlungskonzept sind entscheidend, um die Beschwerden zu lindern und die Funktionalität wiederherzustellen.

Synonyme und ICD-10: akute Dorsalgie; akute Dorsolumbalgie; akute Kreuzbeinschmerzen; akute Lumbago; akute Lumbalgie; akute Lumbalgie bei Blockierung; akute Lumbalgie mit Facettenreizung; akute Lumboischialgie; akute rezidivierende Dorsalgie; akute rezidivierende Lumbalgie; akutes Lumbalsyndrom; akutes LWS-Syndrom; akutes LWS-Syndrom mit Iliosakralgelenkblockierung; brachiale Neuritis; brachiale radikuläre Neuropathie; brachiale Radikulitis a.n.k.; Brustwirbelsäulensyndrom; BWS-LWS-Syndrom; chronische Dorsalgie; chronische Dorsolumbalgie; chronische Lumbago; chronische Lumbalgie; chronische Rückenschmerzen; chronisches HWS-BWS-LWS-Syndrom; chronisches HWS-LWS-Syndrom; chronisches Lumbalsyndrom; chronisches LWS-Syndrom; chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom; chronisch-rezidivierende Lumbalgie; chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom; Dorsago; Dorsalgie; Dorsalgie bei Blockierung; Dorsolumbalgie; Dorsopathie; haltungsabhängige Rückenschmerzen; Hexenschuss; HWS-BWS-LWS-Syndrom; HWS-BWS-Syndrom mit Blockierung; HWS-LWS-Syndrom; iliolumbales Syndrom; Iliosakralfugensyndrom; Iliosakralgelenkschmerzen; Iliosakralgelenksyndrom [ISG-Syndrom]; infektiöse Ischialgie; Interskapulago; Interspinalesneuralgie; Interspinalesreizung; ISG-Syndrom; ISG-Syndrom [Iliosakralgelenksyndrom]; Lendenschmerzen; Lendenwirbelsäulensyndrom; Lumbago; lumbale Rückenschmerzen; lumbales Vertebralsyndrom; Lumbalgie; Lumbalgie bei Iliosakralgelenkirritation; Lumbalgie mit Facettenreizung; Lumbalsyndrom, chronisch; Lumbosakralgie; LWS-Kompressionssyndrom; LWS-Syndrom; LWS-Syndrom bei Sakralisation; myalgische Rückenbeschwerden; Myofasziitis der Lumbalregion; Nackenschmerzen a.n.k.; Nacken-Schulter-Arm-Syndrom; Pannikulitis der Kreuzbeingegend; Pannikulitis der Nackenregion; Pannikulitis der Rückenregion; pseudoradikuläres Lumbalsyndrom; pseudoradikuläres Zervikalsyndrom; reaktive Dorsolumbalgie; rezidivierende Dorsalgie; rezidivierende Dorsolumbalgie; Schmerzen der Brustwirbelsäule; Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich; Schmerzen in der Lendengegend; Schmerzen in der Lumbalregion; statische Lumbalgie; Sternoklavikularsyndrom; Sternokostalsyndrom; Thorakalsyndrom; Thorakolumbalgie; Thorakolumbalsyndrom; Überlastung der Kreuzbeingegend; unspezfische Rückenschmerzen; vertebragene Schmerzen; vertebragenes Schmerzsyndrom; Vertebralsyndrom; Wirbelsäulenschmerzen; Wirbelsäulenschmerzen der BWS; Wirbelsäulenschmerzen der HWS; ICD-10-GM M54.-: Rückenschmerzen; ICD-10-GM M54.5: Kreuzschmerz).

Der Rückenschmerz im Sinne von Kreuzschmerz (engl. low back pain) wird als Schmerz im Rückenbereich unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalten, mit oder ohne Ausstrahlung, und als Möglichkeit weiterer Beschwerden verstanden [1].

In 80 % der Fälle (Mehrzahl, überwiegend unspezifischer Kreuzschmerz) liegen unspezifische Rückenschmerzen vor, das heißt:

  • Es besteht kein sicher belegbarer kausaler Zusammenhang zwischen subjektiver Beschwerdeangabe, klinischem Befund (körperliche Untersuchung, neurologischer Status) und bildgebender Diagnostik (z. B. Magnetresonanztomographie (MRT), Computertomographie (CT), Röntgen).
  • Häufige Ursachen sind funktionelle Störungen, myofasziale Schmerzen (Schmerzen aus Muskeln/Faszien) und ligamentäre Schmerzen (Schmerz aus Bändern).

In 5-20 % der Fälle liegen spezifische Rückenschmerzen/Kreuzschmerzen vor, das heißt:

  • Es bestehen identifizierbare, strukturell oder pathophysiologisch erklärbare Ursachen (z. B. entzündliche Gelenkbeteiligungen, Kompression nervaler Strukturen (Druck auf Nervenwurzeln), Trauma (Unfall/Verletzungsmechanismus), Frakturen (Knochenbrüche), Tumoren (Neubildungen, gut-/bösartig)).
  • Die Befunde korrelieren häufiger mit bildgebenden Verfahren und weisen konsistente morphologische Muster auf.

Epidemiologisch relevant:

  • Rückenschmerzen gelten als häufigste Ursache von Aktivitäts- und Funktionseinschränkungen bei Erwachsenen weltweit.
  • Rückenschmerzen stellen die häufigste Ursache für Behinderungsjahre (YLDs = years lived with disability) in der Altersgruppe 20-45 Jahre dar und sind damit auch bei Menschen < 45 Jahren die führende nicht-tödliche Ursache funktioneller Beeinträchtigung.

Formen der Rückenschmerzen

Nach Art des Schmerzes:

  • Lumbago (Hexenschuss) (ICD-10-GM M54.5) – plötzlich auftretender Schmerz im Lendenbereich (unterer Rücken), sogenannter „Hexenschuss“, häufig nach abrupter Bewegung, Muskelverspannung (Muskelverkrampfung) oder Überbelastung
  • Lumbalgie (Schmerzen im unteren Rücken) – chronischer, andauernder Schmerz im unteren Rücken, meist ohne radikuläre Komponente (Nervenausstrahlung)
  • Ischialgie (Ischiassyndrom) (Nervenschmerzen entlang des Beines) (ICD-10-GM M54.3) – radikulärer Schmerz (Nervenwurzelschmerz) im Versorgungsgebiet des Ischias-Nervs (Beinnerv), mit typischer Ausstrahlung (Fortleitung) ins Bein, häufig begleitet von sensiblen Missempfindungen (Kribbeln oder Missempfinden)
  • Lumboischialgie (Schmerzen im unteren Rücken mit Ausstrahlung ins Bein) (ICD-10-GM M54.4) – Kombination aus lumbalem Schmerz (Schmerzen im unteren Rücken) und radikulärer Ischias-Ausstrahlung (Nervenschmerzen mit Fortleitung ins Bein)

Nach zeitlichem Verlauf (allgemein) [2]:

  • Akut (plötzlicher Schmerz, kurzzeitig) – neu aufgetreten, Dauer bis 12 Wochen, kein Rezidiv (erneute Schmerzepisode) in den letzten 12 Monaten
  • Subakut/mittelfristig (mittellanger Schmerz) – Schmerzen an < 50 % der Tage im zurückliegenden Halbjahr (6 Monate)
  • Chronisch (dauerhafte Schmerzen) – Schmerzen an > 50 % der Tage im zurückliegenden Jahr

Nach zeitlichem Verlauf wird Kreuzschmerz (Schmerzen im unteren Rücken) wie folgt definiert [1]:

  • Akuter Kreuzschmerz (neue, kurze Schmerzphase) – neu aufgetretene Schmerzepisode (Schmerzphase), < 6 Wochen
  • Subakuter Kreuzschmerz (mittellange Schmerzphase) – > 6 und < 12 Wochen
  • Chronischer/chronisch-rezidivierender Kreuzschmerz (länger als 12 Wochen oder wiederkehrende Beschwerden) – > 12 Wochen

Gemäß dem Erscheinungsbild:

  • Unkomplizierter Kreuzschmerz (Schmerzen im unteren Rücken ohne Nervenwarnsymptome) – Rückenschmerz/Lumbago ohne neurologische Ausfälle (Nervenstörungen wie Lähmungen oder Taubheit) oder radikuläre Zeichen (Nervenausstrahlungs­zeichen), bei gutem Allgemeinzustand (allgemeines Befinden)
  • Radikulärer Kreuzschmerz (Schmerzen durch Druck auf eine Rückennervenwurzel) – Schmerzursprung in einer Spinalnervenwurzel (Ursprungsnerv im Rücken) (z. B. Ischialgie/Lumboischialgie)
  • Komplizierter Kreuzschmerz (Warnzeichen-Rückenschmerz mit möglichem Risiko für schweren Verlauf) – möglicher gefährlicher Verlauf (ernsthafter Ablauf) durch Trauma (Unfall/Verletzung), Tumor (Krebserkrankung), entzündlich-rheumatische Erkrankung (rheumatische Entzündung), Immunsuppression (geschwächtes Abwehrsystem) oder Osteoporose (Knochenschwund), Anteil ca. 1 %

Diskogene spezifische Rückenschmerzen (bandscheibenbedingte Schmerzen) [Anulus fibrosus-Ruptur (Riss des äußeren Faserrings), Prolaps (Vorfall), Protrusion (Vorwölbung)]:

  • Lokaler diskogener Rückenschmerz (lokale Schmerzen durch Bandscheibe) – meist durch medianen Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall in der Mitte), seltener durch Protrusion (Bandscheibenvorwölbung)
  • Radikulopathie (Nervenwurzelreizung) durch Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall mit Nervendruck) – meist mediolateral/lateral (seitliche Lage), mit Kompression (Druck) absteigender Fasern (Nervenbahnen) oder Radices (Nervenwurzeln im Rücken) der Spinalnerven (Rückennerven)

Extravertebragener Kreuzschmerz (Schmerz außerhalb der Wirbelsäule):

  • Schmerzursprung (Schmerzausgangspunkt) in benachbarten Organen (Organe im Bauchraum) (z. B. Niere (Nierenorgan), Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Aorta (Hauptschlagader)), ohne direkte Beteiligung (Mitbetroffenheit) der knöchernen, muskulären oder diskoligamentären (Bandscheibe/Bänder) Wirbelsäulenstrukturen (Rückenstrukturen)

Weitere relevante morphologische Entitäten (körperliche Schmerzursachen):

  • Osteoporotische Wirbelkörperfraktur (Wirbelbruch durch Knochenschwund)
  • Sakroiliakalgelenk-Pathologie (Erkrankung im Beckengelenk zwischen Kreuzbein und Darmbein), z. B. Sakroiliitis (Entzündung des Beckengelenks) bei Spondyloarthritis (entzündliche Wirbelsäulenrheuma­form)

Nach chronifiziertem Verlauf (ICD-11-Zuordnung, Schmerzen länger als 3 Monate):

  • Chronischer primärer Rückenschmerz (Rücken­schmerzen ohne erkennbare organische Ursache) (ICD-11 MG30.02)
  • Chronischer sekundärer posttraumatischer/postoperativer Schmerz (Schmerzen nach Unfall oder Operation) (ICD-11 MG30.20)
  • Chronischer sekundärer muskuloskelettaler Schmerz (Schmerzen durch Muskeln, Knochen oder Gelenke) (ICD-11 MG30.10)
  • Chronischer sekundärer neuropathischer Schmerz (Schmerzen durch gereizte oder geschädigte Rückennervenwurzeln) (ICD-11 MG30.12)
  • Chronischer sekundärer tumorbedingter Schmerz (Rücken­schmerzen durch Tumor oder Druck im Wirbelkanal) (ICD-11 MG30.11)

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind geringfügig häufiger von chronischen Rückenschmerzen betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 20. bis 50. Lebensjahr auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für chronische Rückenschmerzen liegt bei 8-21 % (in Deutschland). Die Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit während des gesamten Lebens) liegt sogar bei 70-85 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Rückenschmerzen, ob akut oder chronisch, sind ein verbreitetes Gesundheitsproblem.

Akute Rückenschmerzen dauern typischerweise weniger als 12 Wochen und sind häufig selbstlimitierend, was bedeutet, dass sie oft ohne umfassende medizinische Intervention abklingen. Die meisten Patienten erleben eine signifikante Besserung ihrer Symptome innerhalb dieses Zeitraums.

Chronische Rückenschmerzen hingegen sind definiert durch Schmerzen, die länger als drei Monate andauern oder wiederkehrend auftreten. Diese Form der Rückenschmerzen kann auf spezifische pathologische Veränderungen zurückzuführen sein oder idiopathisch sein, ohne erkennbare Ursache.

Prognose

In 95 % der Fälle sind die Schmerzen auf harmlose und in der Regel auch selbstlimitierende Ursachen zurückzuführen.
Rückenschmerzen haben in der Regel eine gute Prognose und 90 % heilen in 6 Wochen spontan (von selbst). Chronifizierende Verläufe können durch geeignete Maßnahmen stark und nachhaltig gesenkt werden.

Beachte: Eine Schmerzdauer von mehr als 6 Wochen gilt als anamnestische „red flag", da unspezifische Rückenschmerzen in der Regel innerhalb dieses Zeitraums abklingen oder sich deutlich bessern.

In ca. 19 % der spontan geheilten Patienten tritt innerhalb eines Jahres ein Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) auf [2]. In der Gesamtheit wird von bis zu 70 % Rezidiven ausgegangen. In annähernd jedem zehnten Fall entwickeln Patienten mit akuten Schmerzsyndromen chronische Schmerzen: Nur 2-7 % der entwickeln chronische Schmerzen [4].
Bei 85 % lässt sich der Rückenschmerz/Kreuzschmerz nicht auf eine spezifische Strukturstörung zurückführen.

Halten die Rückenschmerzen länger als drei Tage an, sollte eine medizinische Abklärung erfolgen. Gehen die Rückenschmerzen mit neurologischen Begleitsymptomen (Lähmungserscheinungen, Kribbeln oder Empfindungsstörungen der Beine) einher, ist eine sofortige ärztliche Konsultation erforderlich.
Bei radikulären und komplizierten Ursachen (z. B. Nucleus pulposus-Prolaps/Bandscheibenvorfall) kann eine Operation erforderlich werden.

Komorbiditäten 

Rückenschmerzen sind vermehrt mit Osteoarthrose bzw. degenerativen Gelenkerkrankungen, kardiovaskulären (das Herz-Kreislauf-System betreffende) sowie zerebrovaskulären (die Blutgefäße des Gehirns betreffend) Erkrankungen vergesellschaftet. Des Weiteren zeigen Beschwerden wie Migräne, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Atemwegserkrankungen, Depressionen und Angststörungen eine positive Assoziation mit Rückenschmerzen.

Literatur

  1. Berufsverband Deutscher Nervenärzte. Antrag DMP Chronischer Rückenschmerz [unveröffentlicht]. 2014
  2. Casser H-R: Der chronische untere Rückenschmerz. Nervenheilkunde. 2008;27:251-63.
  3. Watson PJ, Main CJ, Waddel G, Gales TF (1998) Purcell-Jones G Medically certified work loss, recurrence and costs of wage compensation for back pain: a follow up study of the working population of Jersey. Br J Rheumatol 37:82-86
  4. Andersson GB: The epidemiology of spinal disorders. In: Frymoyer JW, editor. The adult spine: Principles and Practice. Philadelphia: Lippincott-Raven; 1997. 93-141

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (AWMF-Registernummer: nvl-007), Dezember 2017 Kurzfassung Langfassung 
  2. S3-Leitlinie: Rückenschmerz bei Kindern und Jugendlichen. (AWMF-Registernummer: 027 - 070), Dezember 2021 Langfassung
  3. S2k-Leitlinie: Spezifischer Kreuzschmerz. (AWMF-Registernummer: 187-059), April 2024 Langfassung
  4. S3-Leitlinie: Epidurale Injektionen bei degenerativen Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 151 - 005), Juni 2025 Kurzfassung Langfassung