Rückenschmerzen – Medizingerätediagnostik
Die Diagnose wird meist anhand der Anamnese (Krankengeschichte) und der körperlichen Untersuchung gestellt. Nur bei Auftreten von Warnsignalen (Warnzeichen; red flags; s. u. Symptome – Beschwerden) wie beispielsweise verstärkte Schmerzen in der Nacht oder Fieber oder Lähmungen (Lähmungserscheinungen) ist eine weitergehende Medizingerätediagnostik (apparative Diagnostik) notwendig [1].
Bei Patienten mit anhaltenden aktivitätseinschränkenden oder progredienten (zunehmenden) Kreuzschmerzen (Schmerzen im unteren Rücken) (nach vier bis sechs Wochen) trotz leitliniengerechter Therapie soll die Indikation für eine bildgebende Diagnostik überprüft werden [S2k-Leitlinie].
Liegen Warnhinweise („red flags“) vor, sollen je nach Verdachtsdiagnose (vermutete Erkrankung) und Dringlichkeit weitere bildgebende oder Laboruntersuchungen und/oder Überweisungen in spezialfachärztliche Behandlung eingeleitet werden [S3-Leitlinie].
Fakultative Medizingerätediagnostik – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, körperlichen Untersuchung, Labordiagnostik und obligaten Medizingerätediagnostik – zur differentialdiagnostischen Abklärung
- Röntgenaufnahmen der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (Abschnitte der Wirbelsäule) in zwei Ebenen – bei Verdacht auf Frakturen (Knochenbrüche), strukturelle Deformitäten (Formveränderungen) oder Spondylolisthesis (Wirbelgleiten); bei Verdacht auf Instabilität (Instabilität der Wirbelsäule) ggf. Funktionsaufnahmen im Stehen [S2k-Leitlinie].
- Magnetresonanztomographie (MRT; Kernspintomographie) der Wirbelsäule (Wirbelsäule-MRT) – Methode der ersten Wahl bei Verdacht auf Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall) mit radikulärer Symptomatik (Nervenwurzelbeschwerden), Kauda-Syndrom (Kompression der Nervenfasern im unteren Wirbelkanal), Tumoren/Metastasen (Absiedelungen bösartiger Tumoren), Spondylodiszitis (Wirbelkörper-/Bandscheibenentzündung) oder entzündlichen Prozessen [S2k-Leitlinie].
- Computertomographie (CT; Schichtröntgen) der Wirbelsäule (Wirbelsäule-CT) – bei Verdacht auf Frakturen (traumatisch oder osteoporotisch), überwiegend knöcherne Fragestellungen oder wenn eine MRT kontraindiziert (nicht möglich oder nicht erlaubt) ist [S2k-Leitlinie].
- Skelettszintigraphie (Knochenszintigraphie) – bei Verdacht auf ossäre Metastasen, primäre Knochentumoren (bösartige Knochengeschwülste) oder entzündliche Knochenprozesse [S2k-Leitlinie].
- Myelographie (Kontrastdarstellung des Nervenwasserraums)/CT-Myelographie – bei unklaren Stenosen (Einengungen), postoperierten Wirbelsäulen mit Metallartefakten oder wenn eine MRT kontraindiziert/nicht auswertbar ist [S2k-Leitlinie].
- Elektromyographie (EMG; Messung der Muskelströme)/Nervenleitgeschwindigkeit (NLG; Messung der Nervenleitgeschwindigkeit; erst nach 10–14 Tagen zuverlässig pathologisch) – zur Abgrenzung radikulärer Läsionen (Schädigungen der Nervenwurzeln) von peripheren Neuropathien (Erkrankungen der peripheren Nerven) [S2k-Leitlinie].
- Osteodensitometrie (Knochendichtemessung) – bei Verdacht auf Osteoporose (Knochenschwund) bzw. erhöhte Frakturgefahr.
- 3D-Wirbelsäulenvermessung (dreidimensionale Vermessung der Wirbelsäule) – zur Beurteilung statischer Veränderungen ohne Strahlenbelastung.
- Ösophagogastroduodenographie (Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm) – bei Verdacht auf Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür).
- Abdomensonographie (Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane; ggf. mit Ultraschallkontrastmittel) – bei Verdacht auf abdominelles Aortenaneurysma (Aussackung der Bauchschlagader).
- Hüftsonographie (Ultraschalluntersuchung der Hüfte) – bei tiefsitzendem oder therapieresistentem Rücken-/Gesäßschmerz zur Abklärung coxartikulärer Ursachen (Ursachen im Hüftgelenk).
- Elektrokardiogramm (EKG; Herzstromkurve) – bei akuten Rückenschmerzen zum Ausschluss eines ST-Hebungsinfarkts (großer Herzinfarkt).
Beachte
- Keine Bildgebung bei Kreuzschmerzen während der ersten sechs Wochen, sofern keine Warnzeichen (red flags) bestehen [S3-Leitlinie].
- Eine frühe Bildgebung (Röntgen, CT oder MRT) bei älteren Erwachsenen (> 65 Jahre) mit Erstvorstellung wegen Rückenschmerzen zeigte keinen Nutzen für Schmerz oder Funktion, außer bei Vorliegen von Warnzeichen wie Radikulopathie (Nervenwurzelreizung) oder neurologischen Ausfällen (Nervenausfälle) [1].
Literatur
- Jarvik JG et al.: Association of early imaging for back pain with clinical outcomes in older adults. JAMA. 2015 Mar 17;313(11):1143-53. doi: 10.1001/jama.2015.1871.
- S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (AWMF-Registernummer: nvl-007), Dezember 2016 Kurzfassung Langfassung
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (AWMF-Registernummer: nvl-007), Dezember 2017 Kurzfassung Langfassung
- S1-Leitlinie: Rückenschmerz (nicht traumatisch) bei Kindern - Bildgebende Diagnostik. (AWMF-Registernummer: 064 - 012), April 2020 Langversion
- S2k-Leitlinie: Spezifischer Kreuzschmerz. (AWMF-Registernummer: 187-059), April 2024 Langfassung