Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) – Trauma – Verletzung

Einfluss von Traumen auf die Entstehung einer CMD

Ein Trauma (Verletzung) stellt einen wesentlichen Risikofaktor für die Entstehung einer Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) dar. Besonders relevant sind hierbei traumatische Ereignisse, die den Kopf- und Nackenbereich betreffen. Dazu zählen sowohl direkte Einwirkungen auf den Kiefer- und Schädelbereich (z. B. Schläge oder Stürze) als auch indirekte Traumen durch Schleudertraumen bei Autounfällen. Diese Einwirkungen können erhebliche strukturelle und funktionelle Schäden im craniomandibulären System hervorrufen.

Ein Schleudertrauma (auch distorsionsbedingtes Beschleunigungstrauma genannt) ist eine Verletzung der Halswirbelsäule (HWS), die durch eine abrupte Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Kopfes entsteht, oft bedingt durch Autounfälle (Heck- oder Frontalkollisionen). Hierbei werden nicht nur die Muskeln und Bänder der HWS überdehnt, sondern auch das Kiefergelenk und die Kaumuskulatur erheblich belastet. Diese Überdehnung führt zu einer gestörten neuromuskulären Koordination sowie zu Mikrotraumen in den Weichgeweben und Bändern, die sich klinisch in der Entwicklung einer CMD äußern können.

Pathomechanismen von Traumen im Kiefergelenk und der Kaumuskulatur

Ein Schleudertrauma führt zu einer Kettenreaktion von Ereignissen im craniomandibulären System:

  • Schädigung des Kiefergelenks:
    • Plötzliche Bewegungen, wie sie beim Schleudertrauma auftreten, führen zu einer abrupten Überdehnung und mechanischen Belastung der Kiefergelenkkapsel (Capsula articularis). Die bilaminäre Zone im Bereich des retrodiscalen Gewebes (hintere Gelenkscheibenregion) wird dabei stark komprimiert, was zu Mikroverletzungen und zu einer temporären oder dauerhaften Verlagerung des Discus articularis (Gelenkscheibe) führen kann.
    • Dies äußert sich klinisch in einer Diskusverlagerung mit oder ohne Reposition. Eine nicht-reponierte Verlagerung kann zu Gelenkknacken, Kiefersperren (Trismus) und langfristig zu Arthrosen (Gelenkverschleiß) im Kiefergelenk führen.
  • Veränderungen in der Kaumuskulatur:
    • Die Kaumuskulatur, insbesondere der M. masseter, der M. temporalis und der M. pterygoideus lateralis, reagiert auf die plötzliche Überdehnung des Kiefergelenks mit einem erhöhten Spannungszustand (Hypertonus). Dies führt zu muskulären Dysbalancen und langfristig zur Ausbildung von myofaszialen Schmerzsyndromen.
    • Bei chronischem Hypertonus der Kaumuskulatur entwickeln sich schmerzhafte myofasziale Triggerpunkte, die zu ausstrahlenden Schmerzen im Bereich der Schläfen, des Kiefers und des Halses führen können.
  • Störung der neuromuskulären Koordination:
    • Ein Schleudertrauma hat häufig Auswirkungen auf die Propriozeption (Wahrnehmung der Gelenkstellung) im Bereich der Hals- und Kiefermuskulatur. Diese Dyskoordination führt zu einer fehlerhaften Stellung der Kiefergelenke während der Kieferbewegungen, was langfristig zu einer asymmetrischen Belastung und damit zu einer CMD führt.

Langfristige Auswirkungen von Traumen auf das craniomandibuläre System

Ein Schleudertrauma oder ähnliche traumatische Ereignisse können sowohl akute als auch chronische Beschwerden im craniomandibulären System hervorrufen:

  • Akute Auswirkungen:
    • Schmerzen im Bereich des Kiefergelenks und der Kaumuskulatur.
    • Kiefergelenkknacken und Einschränkung der Kieferöffnung.
    • Spannungsgefühl im Nacken- und Schulterbereich.
  • Chronische Auswirkungen:
    • Entwicklung einer Arthropathie (Gelenkerkrankung) im Kiefergelenk durch eine chronische Fehlbelastung.
    • Anhaltende myofasziale Schmerzsyndrome im Bereich der Kaumuskulatur.
    • Posttraumatische stressbedingte Beschwerden (z. B. Bruxismus, Clenching), die zu einer weiteren Verschlechterung der CMD führen.

Diagnostik und Therapie bei traumainduzierter CMD

Die Diagnostik bei einem Verdacht auf traumainduzierte CMD umfasst eine gründliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte), klinische Funktionsuntersuchungen des Kiefergelenks sowie bildgebende Verfahren (z. B. MRT, CT), um strukturelle Veränderungen im Kiefergelenk und in der Halswirbelsäule zu erfassen.

Therapeutisch ist ein multimodaler Ansatz erforderlich:

  • Akutphase:
    • Schonung und Entlastung der Kiefergelenke durch weiche Aufbissschienen und Schmerztherapie (analgetische Medikamente).
    • Physiotherapie zur Entspannung der muskulären Dysbalancen und zur Verbesserung der neuromuskulären Koordination.
  • Langzeittherapie:
    • Langfristige physiotherapeutische Maßnahmen zur Wiederherstellung der neuromuskulären Kontrolle.
    • Behandlung begleitender stressbedingter Faktoren durch psychologische Unterstützung.
    • Okklusionskorrekturen, falls die Fehlstellung des Kiefers persistiert und weiterhin Beschwerden verursacht.

Ein frühzeitiges Erkennen und Behandeln von traumatisch bedingten CMD-Symptomen ist entscheidend, um eine Chronifizierung der Beschwerden zu verhindern und eine nachhaltige Wiederherstellung der Funktion des craniomandibulären Systems zu erreichen.