Prostatakrebsvorsorge

Die Prostatakrebsvorsorge verfolgt das Ziel, ein Prostatakarzinom (bösartiger Tumor der Vorsteherdrüse) in einem klinisch signifikanten, jedoch noch lokal begrenzten Stadium zu identifizieren, um eine kurative Therapie (heilende Behandlung) zu ermöglichen und die prostatakarzinomspezifische Mortalität (sterblichkeitsbezogene Todesfälle durch Prostatakrebs) zu senken.

Epidemiologische Relevanz

Das Prostatakarzinom (bösartiger Tumor der Prostata) ist mit etwa 25 % aller Neuerkrankungen die häufigste Tumorerkrankung des Mannes in Deutschland. Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter, etwa 60 % der Diagnosen betreffen Männer über 70 Jahre. Die 10-Jahres-Prävalenz (Häufigkeit innerhalb von zehn Jahren) liegt bei über 500.000 Betroffenen.

Ziele und Prinzipien der Vorsorge

Die Vorsorge zielt nicht auf eine Maximierung der Entdeckungsrate, sondern auf die Identifikation klinisch relevanter Karzinome (behandlungsbedürftiger Krebsformen) bei gleichzeitiger Reduktion von Überdiagnostik (Erkennung harmloser Veränderungen) und Übertherapie (unnötige Behandlung). Dies erfordert eine risikoadaptierte, informierte Vorsorgestrategie unter Einbezug aktueller bildgebender Verfahren.

Untersuchungsverfahren der Prostatakrebsvorsorge

Anamnese und klinische Untersuchung

Die gesetzlich vorgesehene Früherkennung ab dem 45. Lebensjahr umfasst eine orientierende Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und eine digitale rektale Untersuchung (DRU, Tastuntersuchung über den Enddarm). Die DRU besitzt jedoch nur eine Sensitivität von ca. 18–25 % für klinisch relevante Tumoren und wird in aktuellen Leitlinien nur noch bei konkretem Verdacht empfohlen.

PSA-Diagnostik

Die PSA-Bestimmung (Messung des prostataspezifischen Antigens im Blut) ist das zentrale Element der individuellen Prostatakrebsvorsorge. Sie sollte auf Basis einer ärztlichen Aufklärung nach informierter Entscheidung erfolgen.

Empfohlene Altersgrenzen für initiales PSA-Screening:

  • Ab 50 Jahren bei Männern ohne Risikofaktoren
  • Ab 45 Jahren bei positiver Familienanamnese (familiärer Belastung mit Prostatakrebs)
  • Ab 40 Jahren bei dokumentierter BRCA2-Mutation (genetische Veränderung mit erhöhtem Krebsrisiko)

PSA-basierte Risikostratifikation (Einteilung des Risikos anhand der PSA-Werte):

  • PSA < 1,0 ng/ml → Intervall: 4-5 Jahre
  • PSA 1,0-1,9 ng/ml → Intervall: 2 Jahre
  • PSA 2,0-3,9 ng/ml → jährliche Kontrolle empfohlen
  • PSA ≥ 4,0 ng/ml → weiterführende Diagnostik indiziert

PSA-Dynamik (PSA Velocity)

Ergänzend zum Absolutwert ist die PSA-Velocity (Verlauf des PSA-Werts im Zeitverlauf) von hoher prognostischer Bedeutung:

  • PSA-Anstieg > 0,75 ng/ml pro Jahr bei PSA-Werten zwischen 4-10 ng/ml gilt als risikobehaftet
  • PSA-Anstieg > 0,35-0,4 ng/ml pro Jahr bei jüngeren Männern oder bei initial niedrigem PSA (< 2,5 ng/ml) rechtfertigt eine engmaschige Kontrolle bzw. Abklärung

Die PSA-Kinetik kann vor allem bei grenzwertigen Konstellationen zur Entscheidung über den Einsatz bildgebender Verfahren oder zur Indikationsstellung einer Gewebeentnahme beitragen.

Bildgebung: multiparametrische MRT der Prostata (mpMRT)

Die multiparametrische Magnetresonanztomographie der Prostata (mpMRT, spezielle Kernspintomographie der Prostata) stellt den aktuellen Standard zur morphologischen und funktionellen Bildgebung der Prostata dar. Sie vereint verschiedene MRT-Techniken und liefert hochauflösende Bilder zur Beurteilung tumorverdächtiger Areale.

Indikationen für eine mpMRT der Prostata:

  • PSA >3,0 ng/ml bei unauffälliger DRU
  • PSA-Anstieg trotz negativer Vorbiopsie
  • PSA-Dynamik > 0,75 ng/ml/Jahr oder > 0,35 ng/ml/Jahr
  • Nachweis oder Verlaufskontrolle bei aktiver Überwachung (Active Surveillance)

Die mpMRT ermöglicht eine gezielte MRT/TRUS-Fusionsbiopsie (geführte Gewebeentnahme durch Kombination von MRT und Ultraschall) und reduziert unnötige Eingriffe bei klinisch harmlosen Veränderungen. Ihr negativer prädiktiver Wert für klinisch signifikante Karzinome liegt bei ca. 90-95 %.

Ergänzende Verfahren

Transrektale Prostatasonographie (TRUS)

Die transrektale Prostatasonographie (Ultraschalluntersuchung über den Enddarm) wird nicht primär zur Früherkennung empfohlen, hat aber Bedeutung bei:

  • Volumenmessung der Prostata
  • Biopsieplanung (Planung der Gewebeprobe)
  • Restharnbestimmung (Messung des Urins nach dem Wasserlassen)
  • Abszessdiagnostik oder Verdacht auf Prostatitis (Prostataentzündung)

Biomarker (z. B. PHI, 4Kscore, PCA3)

Die Bestimmung ergänzender Biomarker (spezifischer Laborwerte zur Tumorerkennung) ist derzeit nicht Bestandteil der regulären Vorsorge. Sie kann jedoch zur Entscheidungsfindung bei unklaren PSA-Befunden beitragen. Eine Kostenerstattung erfolgt in der Regel nur im privatärztlichen Kontext.

Zusammenfassung

  • Die DRU wird als alleinige Früherkennungsmethode nicht empfohlen; ihre Aussagekraft ist begrenzt.
  • Die PSA-Bestimmung stellt das zentrale Instrument der risikoadaptierten Vorsorge dar.
  • Die Beurteilung der PSA-Dynamik ergänzt die Risikobewertung erheblich.
  • Die mpMRT ist bei PSA > 3,0 ng/ml oder auffälliger Dynamik Mittel der Wahl zur Abklärung und Gewebeentnahmeplanung.
  • Eine individuelle Vorsorgeentscheidung sollte nach ärztlicher Aufklärung und unter Berücksichtigung der Lebenserwartung erfolgen.

Literatur

  1. Leitlinienprogramm Onkologie (OL): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Version 6.1 – März 2024. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom
  2. Mottet N, van den Bergh RCN, Briers E et al.: EAU Guidelines on Prostate Cancer 2024. European Association of Urology. https://uroweb.org/guidelines/prostate-cancer
  3. Eklund M, Jäderling F, Discacciati A et al.: MRI-Targeted or Standard Biopsy in Prostate Cancer Screening. N Engl J Med. 2021;385(10):908-920. doi: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2100852
  4. Drost FJH, Osses DF, Nieboer D et al.: Prostate MRI, with or without MRI-targeted biopsy, and systematic biopsy for detecting prostate cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2019;4(4):CD012663. DOI: https://doi.org/10.1002/14651858.CD012663.pub2