Chronisches Müdigkeitssyndrom – Einleitung

Das chronische Müdigkeitssyndrom – umgangssprachlich chronisches Erschöpfungssyndrom genannt – tritt meist plötzlich auf und ist gekennzeichnet durch eine Monate bis Jahre andauernde sowohl körperliche als auch geistige Müdigkeit bzw. Erschöpfung.

Synonyme und ICD-10: Akureyri-Krankheit; Akureyri-Syndrom; benigne myalgische Enzephalomyelitis; benign Myalgic Encephalomyelitis (ME); CFS [Chronic fatigue syndrome]; Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome (CFIDS); Chronic Fatigue Syndrom (CFS); Chronic fatigue syndrome; Chronic-Fatique-Syndrom; chronisches Erschöpfungssyndrom; chronisches Müdigkeitssyndrom; epidemische Neuromyasthenie; Island-Krankheit; Low Natural Killer Cell Syndrome (LNKS); myalgische Enzephalomyelitis (ME); myalgische Enzephalopathie (ME); Neuromyasthenie; postinfektiöse Neuromyasthenie; postvirales Ermüdungssyndrom; postvirales Müdigkeitssyndrom; systemische Belastungsintoleranz-Erkrankung; engl. systemic exertion intolerance disease (SEID); ICD-10-GM G93.3: Chronisches Müdigkeitssyndrom [Chronic fatigue syndrome]

Das Akronym „ME“ steht eher für myalgische Enzephalomyelitis, d.h. Muskelschwäche und Schmerzen, „CFS“ für Chronic fatigue syndrome, d. h. chronische Erschöpfung.

Das amerikanische "Institute of Medicine" (IOM) hat den Begriff "chronisches Müdigkeitssyndrom" (CFS) durch systemische Belastungsintoleranzerkrankung („Systemic Exertion Intolerance Disease“, SEID) ersetzt und neu definiert [1, 2, 3]. Als Leitsymptome gelten:

  • Substantielle Einschränkung im Alltagsleben
  • Kränklichkeit nach Anstrengungen
  • Nicht erholsamer Schlaf

Die genannten Symptome sollten mindestens sechs Monate bestehen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1 : 2-3.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr auf. In seltenen Fällen tritt es auch einmal im Kindes- und Jugendalter oder später im höheren Alter auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 0,1-0,3 % (in Deutschland). Man schätzt, dass in Deutschland ca. 300.000 Menschen, in der Schweiz ca. 30.000 und in den USA ca. 1.000.000 Menschen betroffen sind. Weltweit leiden rund 17 Millionen an dieser Erkrankung.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das chronische Müdigkeitssyndrom (CFS) hat einen variablen Verlauf, der von mehreren Faktoren abhängt, darunter die Schwere der Symptome, das Vorhandensein von Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) und die Qualität der Unterstützung und Therapie. Der Verlauf lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen:

  • Initiale Phase
    • Die Symptome setzen oft plötzlich nach einer Infektion, einem Trauma oder einer stressreichen Episode ein.
    • Häufige Symptome sind extreme Müdigkeit, die durch Ruhe nicht gebessert wird, sowie kognitive Beeinträchtigungen und Muskelschmerzen.
  • Akute Phase
    • Diese Phase kann Wochen bis Monate andauern und ist durch eine deutliche Verschlechterung der Lebensqualität gekennzeichnet.
    • Patienten berichten über erhebliche Einschränkungen in ihrem täglichen Leben und sind oft unfähig, beruflichen und sozialen Aktivitäten nachzugehen.
  • Chronische Phase
    • Bei vielen Patienten tritt eine chronische Phase ein, in der die Symptome Monate bis Jahre andauern.
    • Während dieser Zeit erleben Patienten oft Schwankungen in der Intensität der Symptome, mit Perioden der Besserung und Verschlechterung.
    • Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) sowie symptomatische Behandlungen können kurzfristige und mittelfristige Besserungen bieten.
  • Langzeitverlauf
    • Einige Patienten zeigen im Laufe der Zeit eine Besserung der Symptome und können wieder ein weitgehend normales Leben führen, während andere dauerhaft schwer beeinträchtigt bleiben.
    • Ein vollständiges Abklingen der Symptome ist selten, aber bei einigen Patienten möglich.

Prognose

Die Prognose des chronischen Müdigkeitssyndroms ist sehr variabel und stark abhängig von den individuellen Umständen sowie der Qualität der Behandlung und Unterstützung:

  • Lebensqualität
    • Viele Betroffene können im Erwachsenenalter ein weitgehend unabhängiges Leben führen, insbesondere wenn sie frühzeitig und kontinuierlich unterstützt werden.
    • Dennoch bleibt das Syndrom eine lebenslange Herausforderung, insbesondere im sozialen und beruflichen Bereich.
  • Komplikationen und Komorbiditäten
    • Komorbide psychische Störungen wie Depressionen und Angststörungen können den Verlauf zusätzlich komplizieren und müssen gezielt behandelt werden.
    • Bis zu 70 % der Patienten leiden unter zusätzlichen Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen, affektiven Störungen, ADHS, Essstörungen, Schlafstörungen und anderen psychiatrischen oder neurologischen Störungen.
  • Langfristige Perspektive
    • Viele Patienten verspüren nach einiger Zeit eine Besserung der Symptome, mit Phasen von Rezidiven und Erholungsphasen.
    • Andere Patienten erholen sich vollständig und können wieder voll am Leben teilnehmen.
    • Patienten ohne angemessene Therapie und Unterstützung haben eine schlechtere Prognose und können dauerhaft schwer beeinträchtigt bleiben.
  • Mortalität
  • Es gibt keine Hinweise darauf, dass das chronische Müdigkeitssyndrom selbst zu einer erhöhten Sterblichkeit führt, jedoch können Komplikationen und Komorbiditäten das Risiko für ernsthafte gesundheitliche Probleme erhöhen.

Komorbiditäten

Mögliche Begleiterkrankungen sind:

  • Psychische Störungen
    • Depressionen: Sehr häufig bei Patienten mit CFS.
    • Angststörungen: Ebenfalls sehr verbreitet.
    • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): In einigen Fällen dokumentiert.
    • Bipolare Störung: Kann bei einigen Patienten auftreten, aber nicht spezifisch häufig.
  • Schlafstörungen
    • Insomnie (Schlaflosigkeit): Weit verbreitet bei CFS-Patienten.
    • Schlafapnoe: Kann in Verbindung mit CFS auftreten.
  • Schmerzsyndrome
    • Fibromyalgie: Häufig gemeinsam mit CFS diagnostiziert.
  • Gastrointestinale Störungen
    • Reizdarmsyndrom (IBS): Sehr häufig bei Patienten mit CFS.
  • Neurologische Störungen
    • Migräne: Kann bei einigen Patienten auftreten.
    • Kognitive Dysfunktion: Auch bekannt als "Brain Fog" ist ein häufiges Symptom bei CFS.
  • Autoimmunerkrankungen
    • Hashimoto-Thyreoiditis: Eine der häufiger berichteten Autoimmunerkrankungen bei CFS.

Falls Müdigkeit bei Vorliegen einer Tumorerkrankung vorliegt: s. u. "Fatigue bei Krebserkrankungen".

Literatur

  1. Chronisches Erschöpfungssyndrom erhält neuen Namen. Deutsches Ärzteblatt. Freitag, 13. Februar 2015
  2. Clayton EW: Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome An IOM Report on Redefining an Illness. JAMA. 2015;313(11):1101-1102. doi:10.1001/jama.2015.1346.
  3. Chronic fatigue syndrome – What's in a name? News from Annals of Internal Medicine Feb. 10, 2015 

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Müdigkeit. (AWMF-Registernummer: 053-002), Dezember 2022 Kurzfassung Langfassung