Mikro-Ultraschall zur Prostatabiopsie

Der Mikro-Ultraschall zur Prostatabiopsie ist ein hochfrequentes Ultraschallverfahren mit einer Arbeitsfrequenz von etwa 29 MHz zur hochauflösenden Echtzeitdarstellung der Prostata und gezielten Steuerung der Gewebeentnahme (Biopsie).

Synonyme 

  • Hochauflösender Ultraschall der Prostata
  • Hochfrequenz-Ultraschall der Prostata
  • Mikro-Ultraschall-gesteuerte Prostatabiopsie
  • Hochauflösende sonographisch geführte Prostatabiopsie
  • Mikro-Ultraschall-basierte Prostatabiopsie
  • Hochfrequente Ultraschallbildgebung der Prostata
  • Echtzeit-Mikro-Ultraschall-Biopsie der Prostata

Gegenüber dem konventionellen transrektalen Ultraschall (Ultraschall durch den Enddarm; 6-12 MHz) ermöglicht der Mikro-Ultraschall eine etwa vierfach höhere räumliche Auflösung und erlaubt damit die Darstellung feinster struktureller Veränderungen bis in den Submillimeterbereich. Die axiale Auflösung beträgt rund 70 µm (0,07 mm) [1, 9]. Dadurch werden kleinste Läsionen (Gewebeveränderungen) und Tumorinfiltrationen (Eindringen eines Tumors in umliegendes Gewebe) in Echtzeit sichtbar.

Zur standardisierten Befundung wird das PRI-MUS-System (Prostate Risk Identification using Micro-Ultrasound, System zur Risikoeinschätzung bei Prostataerkrankungen mittels Mikro-Ultraschall) eingesetzt, das analog zum MRT-basierten PI-RADS (Magnetresonanztomographie-basiertes Bewertungssystem) eine Klassifikation von 1 (benigne – gutartig) bis 5 (hohes Malignitätsrisiko – hohes Risiko für Bösartigkeit) vorsieht [3, 7].

Beurteilbare Strukturen

  • Prostataparenchym (Prostatagewebe) mit fokalen Läsionen (örtlich begrenzten Veränderungen)
  • Kapselkontur (äußere Umhüllung der Prostata) und mögliche Kapselinfiltration (Eindringen eines Tumors in die Kapsel)
  • Samenblasen (Vesiculae seminales) und periprostatische Gewebe (Gewebe um die Prostata)
  • Gefäßveränderungen (optional im Doppler-Modus)
  • Abgrenzung tumorverdächtiger Areale gegenüber Normalgewebe

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Abklärung eines malignitätsverdächtigen Befundes (Verdacht auf bösartige Veränderung) bei erhöhtem PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen) oder auffälligem rektalem Tastbefund (Tastuntersuchung durch den Enddarm)
  • Zielbiopsie (gezielte Gewebeentnahme) bei sonographisch oder MRT-auffälligen Läsionen
  • Kombination mit MRT-Daten im Rahmen einer bimodalen MRT-fusionierten, Mikro-Ultraschall-augmentierten Biopsie (Kombination aus Magnetresonanztomographie und Echtzeit-Ultraschall)
  • Alternative bei eingeschränktem MRT-Zugang oder Kontraindikationen gegen eine Magnetresonanztomographie (z. B. bei Herzschrittmacher oder Metallimplantaten)
  • Verlaufskontrolle bei bekanntem Prostatakarzinom (bösartiger Tumor der Prostata) oder nach Therapie [1, 4, 5]

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen

  • Fehlender oder nicht zugänglicher Analkanal (z. B. nach Resektion, Analatresie – angeborener oder erworbener Verschluss des Enddarms)
  • Anorektale Fisteln (Verbindungen zwischen Enddarm und Haut) oder ausgeprägte rektale Ulzerationen (Geschwüre des Enddarms)

Relative Kontraindikationen

  • Akute Prostatitis (akute Entzündung der Prostata) oder Harnwegsinfektion – erhöhtes Risiko bakterieller Streuung
  • Koagulopathie (Gerinnungsstörung) oder unkontrollierbare Antikoagulation (Blutverdünnung) – erhöhtes Blutungsrisiko
  • Ausgeprägte Hämorrhoiden (vergrößerte Blutgefäße im Enddarm) oder Analfissuren (Einrisse der Afterhaut) – schmerzbedingte Einschränkung
  • Unkooperative Patienten oder Lagerungsunfähigkeit
  • Immunsuppression (geschwächtes Immunsystem) oder stark erhöhtes Infektionsrisiko

Bei Kontraindikationen gegen den transrektalen Zugang (Zugang über den Enddarm) sollte eine transperineale Biopsie (Zugang über den Damm zwischen After und Hodensack) erfolgen [6, 10].

Vor der Untersuchung

  • Anamnese und Risikoeinschätzung: Gerinnungs-, Herz-Kreislauf- und Infektionsanamnese, Medikamentenüberprüfung
  • Labordiagnostik: PSA-Wert, Gerinnungsparameter, ggf. Entzündungswerte
  • Aufklärung: Erläuterung von Nutzen, Risiken (Blutung, Infektion) und alternativen Zugängen (transperineal)
  • Antikoagulations-Management: Anpassung nach Leitlinie in Abstimmung mit behandelndem Arzt
  • Antibiotikaprophylaxe: Einmalgabe eines Fluorchinolons oder Cephalosporins gemäß lokaler Resistenzlage [6]
  • Darmvorbereitung: Rektale Reinigung (Darmspülung) am Untersuchungstag
  • Lagerung: Meist in Linksseitenlage oder Steinschnittposition (Beine angehoben)

Das Verfahren

  1. Vorbereitung: Kontrolle der Vorbefunde, antiseptische Vorbereitung, lokale oder periprostatische Leitungsanästhesie (örtliche Betäubung)
  2. Sondenführung: Transrektale Platzierung der 29-MHz-Sonde im Mastdarm (Rektum) zur Echtzeit-Darstellung
  3. Läsionsidentifikation: Erkennung und Klassifikation nach PRI-MUS
  4. Zielbiopsie (Punktionsweg): Je nach Vorgehen erfolgt die Biopsie (Gewebeentnahme) transperineal (durch den Damm) oder transrektal (durch die Rektumwand) – jeweils unter kontinuierlicher Mikro-Ultraschallkontrolle
  5. Probenentnahme: Kombination aus gezielter und systematischer Biopsie
  6. Nachsorge: Beobachtung auf Hämaturie (Blut im Urin), Hämatospermie (Blut im Ejakulat) und Infektionszeichen

Vorteile gegenüber TRUS und MRT-Fusion

  • Etwa vierfache Auflösung (~ 0,07 mm) [1, 9]
  • Echtzeit-Navigation ohne Fusions- oder Deformationsartefakte
  • Keine MRT-Wartezeiten, kein Kontrastmittel erforderlich
  • Geringere Kosten und höhere Verfügbarkeit
  • Vergleichbare Detektionsraten klinisch signifikanter Karzinome [5, 7, 8]
  • Besonders geeignet bei MRT-Kontraindikationen oder eingeschränktem MRT-Zugang

Evidenzlage

Die multizentrische OPTIMUM-Studie (große internationale Vergleichsstudie) mit 678 Patienten zeigte eine Nichtunterlegenheit der Mikro-Ultraschall-Biopsie gegenüber der MRT-/TRUS-Fusionsbiopsie [5].

Die Detektionsrate klinisch signifikanter Tumoren (Tumoren mit höherer Aggressivität, Gleason ≥ 7) betrug:

  • Mikro-Ultraschall: 47,1 %
  • Mikro-Ultraschall + MRT: 46,9 %
  • MRT/TRUS-Fusion: 42,6 %

Die Differenz von 3,52 Prozentpunkten (95 %-Konfidenzintervall −3,95 bis +10,92 %) war statistisch nicht signifikant.

Meta-Analysen und Reviews bestätigen eine vergleichbare Sensitivität (Erkennungsrate bei Erkrankten) und Spezifität (Erkennungsrate bei Gesunden) zwischen Mikro-Ultraschall und multiparametrischer MRT [4, 7, 8].

Mögliche Komplikationen

  • Hämaturie (Blut im Urin), Hämatospermie (Blut im Ejakulat), rektale Blutung (Blutung aus dem Enddarm)
  • Lokale Schmerzen oder Druckgefühl
  • Infektionen (selten Urosepsis – bakterielle Blutvergiftung infolge einer Harnwegsinfektion)

Die Gesamtrate schwerer Komplikationen liegt unter 1 % [6, 10].

Fazit

Der Mikro-Ultraschall (29 MHz) bietet eine hochauflösende Echtzeit-Bildgebung und präzise Zielsteuerung bei der Prostatabiopsie (Gewebeentnahme zur Tumordiagnose).
Er ist der MRT-Fusionsbiopsie hinsichtlich der Detektionsrate klinisch signifikanter Tumoren nicht unterlegen [5].
Durch kurze Untersuchungszeiten, keine Kontrastmittelgabe und hohe Verfügbarkeit stellt er eine praxisnahe Erweiterung der bildgestützten Prostatadiagnostik dar.

Für eine Leitlinienintegration sind weitere prospektive multizentrische Studien erforderlich.

Literatur

  1. Dias AB et al.: Micro-Ultrasound: Current Role in Prostate Cancer. Cancers (Basel). 2023; 15(4): 1280. doi: 10.3390/cancers15041280.
  2. Pensa J et al.: Evaluation of Prostate Cancer Detection Using Micro-Ultrasound Versus MRI Through Co-Registration to Whole-Mount Pathology. Scientific Reports. 2024; 14: 18910. doi: 10.1038/s41598-024-69804-7.
  3. Dias AB, Ghai S: Prostate Cancer Diagnosis with Micro-Ultrasound: What We Know Now and New Horizons. Radiologic Clinics of North America. 2024; 62(1): 189-197. doi: 10.1016/j.rcl.2023.06.014.
  4. You C et al.: The Microultrasound-Guided Prostate Biopsy in Detection of Prostate Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of Endourology. 2022; 36(3): 394-402. doi: 10.1089/end.2021.0361.
  5. Kinnaird A et al.: Microultrasonography-Guided vs MRI-Guided Biopsy for Prostate Cancer Diagnosis: The OPTIMUM Randomized Clinical Trial. JAMA. 2025; 333(19): 1679-1687. doi: 10.1001/jama.2025.3579.
  6. Hu JC et al.: Transperineal Versus Transrectal Prostate Biopsy — The PREVENT Randomized Trial. European Urology. 2024; 86: 61-68. doi: 10.1016/j.eururo.2023.12.015.
  7. Dias AB et al.: Multiparametric Ultrasound and Micro-Ultrasound in Prostate Cancer: A Comprehensive Review. British Journal of Radiology. 2022; 95(1131): 20210633. doi: 10.1259/bjr.20210633.
  8. Sountoulides P et al.: Micro-Ultrasound-Guided vs Multiparametric MRI-Targeted Biopsy in the Detection of Prostate Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of Urology. 2021; 205(5): 1254-1262. doi: 10.1097/JU.0000000000001639.
  9. Klotz CML: Can High-Resolution Micro-Ultrasound Replace MRI in the Diagnosis of Prostate Cancer? European Urology Focus. 2020; 6(2): 419-423.
    doi: 10.1016/j.euf.2019.11.006.
  10. Dariane C et al.: Micro-Ultrasound-Guided Biopsies Versus Systematic Biopsies in the Detection of Prostate Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis. World Journal of Urology. 2023; 41(3): 641-651. doi: 10.1007/s00345-022-04087-z.