Kreuzbandoperation und Kreuzbandplastik

Nach dem Riss des vorderen oder hinteren Kreuzbandes gibt es verschiedene Therapieoptionen wie zum Beispiel eine Kreuzbandoperation beziehungsweise die Anlage einer Kreuzbandplastik, um die Funktion des Kniegelenkes und somit die Mobilität des Patienten gewährleisten zu können. Die Ruptur (Riss) kann sowohl nur das vordere oder auch das hintere Kreuzband als auch beide Kreuzbänder betreffen. Statistisch gesehen ist eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes weitaus wahrscheinlicher.

Die Hauptfunktion der beiden Kreuzbänder ist die Sicherung der Stabilität der Tibia (Schienbein) gegen den Femur (Oberschenkelknochen). Nur im Zusammenspiel mit den Seitenbändern, die ebenfalls Teil des Kniegelenks sind, ist eine Sicherung des Gelenkes gegen eine Varus (O-Bein)- und Valgus (X-Bein)-Stellung möglich. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten ist der Mensch in der Lage, eine geringe Extension (Kniestreckung) und eine deutliche (Flexion) Kniebeugung durchzuführen, was jedoch zur Erhaltung der Stabilität das Vorhandensein der Kreuzbänder notwendig macht. Mithilfe dieser Bänder ist es möglich, die Verschiebbarkeit der Tibia gegenüber dem Femur zu reduzieren, was in der Folge das Wegklappen des Unterschenkels effektiv verhindert. Es ist jedoch zu differenzieren, dass das vordere Kreuzband primär die Ventraltranslation (Vorwärtsverschiebung des Femurs) und das hintere Kreuzband die Posteriortranslation (Rückwärtsverschiebung des Femurs) verhindert, da sich bei einer Ruptur hieraus die Symptomatik ergibt. Epidemiologisch betrachtet stellt eine Verletzung der Kreuzbänder die häufigste klinisch relevante Schädigung des Kniegelenks dar.

Entstehungsmechanismus der Kreuzbandruptur

  • Die Schädigung des vorderen Kreuzbandes (VKB) beruht maßgeblich auf einer plötzlichen und massiven Krafteinwirkung auf den in Flexion stehenden (gebeugten) Unterschenkel. Neben der Flexion erfolgt gleichzeitig eine Rotationsbewegung. Durch die Flexion entsteht eine Reduktion der maximalen Kraftaufnahme, was bei gleichzeitiger Rotation das Verletzungsrisiko signifikant erhöht. Bei verschiedenen Sportarten, insbesondere Ballsportarten, erfolgt der Schaden am vorderen Kreuzband unter Fremdeinwirkung bei einer anatomisch-funktionell ungünstigen Gelenkstellung.
  • Beim Skifahren ist die Ruptur prinzipiell eher die Folge einer akuten Rotationsbewegung, die bei einem Sturz durch die irreguläre Position der Tibia zum Femur eine Läsion (Schädigung) nach sich zieht.
  • Um einen Riss des hinteren Kreuzbandes (HKB) hervorzurufen, bedarf es in der Regel eine deutlich stärkere Krafteinwirkung auf das Kreuzband, die normalerweise nur bei einem Verkehrsunfall zu erreichen ist. Auch die gewaltsame Überstreckung kann eine Ruptur des hinteren Kreuzbandes nach sich ziehen.

Zielsetzung der Verfahren zur Behandlung einer Kreuzbandruptur

  • Wiederherstellung der Funktion des Kniegelenks und der Mobilität des Patienten durch konservative oder operative Therapiemaßnahmen.
  • Auswahl des geeigneten Verfahrens basierend auf dem individuellen Patientenprofil, einschließlich Alter, Aktivitätsniveau und Verletzungsmuster.
  • Minimierung von Komplikationen wie Transplantatversagen, erneuter Instabilität und Infektionen.
  • Optimierung des postoperativen Verlaufs durch angemessenes Schmerzmanagement, Ruhigstellung und Mobilisierung.
  • Berücksichtigung der langfristigen Auswirkungen auf die Gelenkgesundheit, insbesondere das Risiko für die Entwicklung von Arthrose.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Ruptur der Kreuzbänder
  • Läsionen der Kreuzbänder durch Belastung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Für die konservative Therapie gibt es keine direkte Kontraindikation. Gegen eine operative Therapie spricht eine eingeschränkte Möglichkeit der Rehabilitation nach dem Eingriff aufgrund des körperlichen Zustandes.
  • Außerdem sollten bei interligamentären Rissen (beschädigte Gelenkstruktur zwischen den Kreuzbändern) keine chirurgischen Eingriffe erfolgen.
  • Eine Zerfaserung des Bandstumpfes stellt ebenfalls eine relative Kontraindikation dar.

Die Verfahren

Grundsätzlich können bei einer Schädigung der Kreuzbänder sowohl konservative (ohne Operation) als auch operative Therapiemaßnahmen eingeleitet werden. Wichtig für die Behandlung ist insbesondere die Tatsache, dass bei einer Ruptur eines Kreuzbandes, anders als bei einer Läsion der Seiten- oder Innenbänder, keine Heilung durch Vernarbung möglich ist. Das Fehlen der körpereigenen Heilungsmechanismen und die Gefahr einer degenerativen Erscheinung des hyalinen Gelenkknorpels (Abnutzungserscheinung), können das Risiko eines schmerzhaften und mobilitätseinschränkenden Meniskusschadens erhöhen. Dieser Mechanismus zur Entstehung von Folgeschäden konnte in diversen Studien nachgewiesen werden. Durch das Ausbleiben therapeutischer Interventionen ist somit die Wahrscheinlichkeit, an einer progressiven Zerstörung der Gelenkstrukturen und häufigen Wiederverletzungserscheinungen zu leiden, beachtlich erhöht. Die zur Heilung genutzte Therapie ist einerseits von den Wünschen des Patienten und andererseits vom Bild der Schädigung des Kreuzbandes abhängig.

Konservative Behandlungsoptionen

  • In Deutschland überwiegt bei Ärzten die Meinung, dass nicht jedes gerissene Kreuzband unter allen Umständen durch einen chirurgischen Eingriff therapiert werden muss. Neben der Läsion ist die Entscheidung für eine konservative Therapie jedoch auch vom Alter und Aktivitätsverhalten des betroffenen Patienten abhängig zu machen.
    In einer RCT-Studie wurde nachgewiesen, dass bei körperlich aktiven Patienten die frühe chirurgische Intervention der Kreuzbandruptur nicht effektiver ist als die Rehabilitation plus verzögerter Operation. Möglicherweise lassen sich so mehr als 60 % der Kreuzbandplastiken vermeiden [6].
  • Bei einer konservativen Therapiemaßnahme fühlen sich zehn Prozent der Patienten im Alltag negativ beeinflusst.
  • Die konservative Behandlung stellt primär für Patienten mit einem vorderen Kreuzbandriss (VKB) ohne Begleitverletzungen die adäquate Therapieoption dar, sofern kein Wunsch nach einer uneingeschränkten sportlichen Belastung vorliegt.
    Folge einer Belastung der Kreuzbänder nach durchgeführter konservativer Therapie ist die erhöhte Häufigkeit von Arthrosen (belastungsbedingte Gelenkschädigung) im Vergleich zu operierten Patienten. Diese Beobachtung konnte mittels verschiedener Studien belegt werden. Ein erkennbarer Vorteil der chirurgischen Intervention, insbesondere bei Sportlern, wurde relativ eindeutig festgestellt. Als Grund für die höhere Auftrittfrequenz der Arthrose wird primär die häufige Rotations- und Hyperextension-Belastung des Kniegelenkes angenommen. Allerdings sind auch Studien vorhanden, die gezeigt haben, dass die konservative Behandlung eines Kreuzbandrisses sowohl bei sportlich inaktiven als auch bei sportlich aktiven Patienten mit keinen erkennbaren negativen Auswirkungen assoziiert ist.
  • Um die Stabilität des Kniegelenkes auch bei Rotationsbewegungen zu erhöhen, ist es von entscheidender Bedeutung, vor der konservativen Therapie ein präventives Bewegungstraining durchzuführen.
  • Neben der Verschlechterung der Stabilität ist die konservative Therapie mit einer weiteren Komplikation in Verbindung zu bringen. Überdurchschnittlich oft, in bis zu 30 Prozent der Fälle, klagen Patienten über das Vorhandensein von Gelenkergüssen.

Anästhesieverfahren: Allgemeinanästhesie (Vollnarkose)
Operationsdauer: 60-90 Minuten

Vor der Operation

  • Diagnostik: Die Diagnose und die genaue Lokalisation des Kreuzbandrisses werden mittels bildgebender Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Röntgenaufnahmen bestätigt. Dies ist entscheidend für die Planung des chirurgischen Eingriffs.
  • Patientenaufklärung und -vorbereitung: Der Patient wird über den Eingriff, mögliche Risiken und den Rehabilitationsprozess aufgeklärt. Blutgerinnungshemmende Medikamente müssen möglicherweise vor der Operation abgesetzt werden, um das Blutungsrisiko zu minimieren.
  • Körperliche Vorbereitung: Abhängig vom individuellen Fall kann es notwendig sein, die Muskulatur rund um das Kniegelenk präoperativ zu stärken, um den Heilungsprozess nach der Operation zu unterstützen.

Die Operationsverfahren

Healing-Response-Technik

  • Diese Therapieoption stellt ein semi-konservatives Verfahren der Orthopädie dar, welches bei einem Abriss des vorderen Kreuzbandes vom Femur eingesetzt werden kann. Das Prinzip des Verfahrens beruht auf dem Einsatz undifferenzierter Stammzellen, denen die Eigenschaft zugeschrieben wird, dass bei mechanischer Beanspruchung eine Ausdifferenzierung zu Tendinozyten erfolgt. Um dieses Prinzip ausnutzen zu können, muss unter Anwendung einer Arthroskopie (Gelenkspiegelung) eine Begleitverletzung ausgeschlossen oder behandelt werden.
  • Ist dies erfolgt, so kann das Knochenmark mithilfe eines speziellen Präparationsbesteckes im Kreuzbandareal freigelegt werden, sodass Knochenmarkszellen insbesondere der Stammzellen aus dem Mark freigesetzt werden können. Um einen Erfolg der Therapiemaßnahme feststellen zu können, sollte der behandelnde Arzt auf einen ausreichenden Austritt von Blut aus dem Knochenmark fokussiert sein. Damit der für die Entwicklung notwendige Differenzierungsreiz der Stammzellen erzeugt wird, muss das vordere Kreuzband an seiner Ansatzstelle in das entstandene Blutgerinnsel eingefügt und im Kniegelenk eine Extension vollzogen werden.
  • Im Anschluss an die ungefähr fünfwöchige Fixierungsphase wird ein intensives Belastungstraining mit dem Patienten durchgeführt. In verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Designs (Methoden) konnte gezeigt werden, dass die Erfolgsrate mit 80 Prozent als relativ gut bewertet wird. Aktuell wird die Behandlungsmöglichkeit einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes überprüft.

Weitere Operationsverfahren

  • Als häufigste Anzeige für die Durchführung einer invasiven Therapiemaßnahme zur Behandlung eines Kreuzbandrisses ist das rezidivierende Auftreten von Instabilitätserscheinungen des Kniegelenkes zu nennen. Allerdings kann sich die Stabilität des betroffenen Gelenks durch körperliche Belastung verbessern, da durch den Muskelaufbau der Bandapparat unterstützt wird. Aufgrund dessen sollten Patienten mit einem Kreuzbandriss zunächst über zwei bis drei Monate testen, ob eine erkennbare Instabilität vorliegen könnte.
  • Bei vielen Patienten ist zum Erhalt der Mobilität und gleichzeitiger Schmerzfreiheit eine Kreuzbandplastik notwendig. Bei einer Kreuzbandplastik handelt es sich um chirurgisches Verfahren zur Rekonstruktion des geschädigten Kreuzbandes. Eine chirurgische Intervention mit Nahtversuchen ist auf sehr wenige Ausnahmefälle beschränkt. In vielen Fällen wird ein Blutstau am Bein angelegt. Weiterhin ist anzumerken, dass die Nutzung synthetischer Bänder als Folge von unzureichenden Ergebnissen nicht mehr erfolgt.
  • Bei der Kreuzbandplastik gibt es sowohl die Option, einen Bandersatz aus autologen (körpereigenem) oder xenogenen (körperfremden) Material zu fertigen. Bei allen Rekonstruktionstechniken wird versucht, die Eigenschaften des ursprünglichen Kreuzbandes so gut wie möglich wieder herzustellen, sodass möglichst keine Mobilitätseinschränkungen deutlich werden. Allerdings ist die exakte Struktur der Kreuzbänder unabhängig vom Ursprung des Implantates nicht zu erreichen. Für die exakte Bewegung ist die Fähigkeit der Propriozeption notwendig, mit der die Stellung des Gelenkes vom Gehirn wahrgenommen werden kann. Auch die präzise Kraftregulation über Mechanorezeptoren ist nicht durch die Rekonstruktion wieder herzustellen. Aufgrund dessen ist es keinesfalls möglich, dass eine aktuelle Operationstechnik zur Rekonstruktion des Kreuzbandes die Qualität des unverletzten Bandes wieder herstellen könnte.
  • Als primäre Quellen zur Transplantation dienen beispielsweise die Patellarsehne (Kniescheibensehne), die Pes anserinus-Sehnen (lat.: Gänsefuß; so bezeichnet man eine Sehnenstruktur auf der Innenseite des Unterschenkels) und die Quadrizepssehne (die genannten Sehnen verfügen über eine wichtige physiologische Funktion bei der Bewegung). Durch die Verwendung einer dieser drei Optionen kann gewährleistet werden, dass eine stabile Rekonstruktion des Kreuzbandes durchführbar ist.

Nach der Operation

  • Schmerzmanagement: Einsatz von Analgetika, üblicherweise Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
  • Ruhigstellung und Mobilisierung: Entlastung des operierten Fußes, Bewegung der Gelenke zur Vermeidung weiterer Schäden.
  • Wundpflege und Beobachtung: Überwachung auf Anzeichen von Infektionen oder anderen Komplikationen.

Mögliche Komplikationen

  • Transplantversagen – chirurgische Fehler, mangelnde Einheilung der Rekonstruktion und eine zusätzliche Ruptur des Kreuzbandes können dazu führen, dass die Funktion des Transplantates soweit eingeschränkt wird, dass ein erneuter chirurgischer Eingriff zur Korrektur notwendig wird.
  • Erneute Instabilität – durch ein weiteres Trauma oder eine fehlerhafte Platzierung kann es zu einer Reduzierung der Stabilität des Gelenkes kommen, die häufig mit einer chirurgischen Maßnahme korrigiert werden muss.
  • Infektion – die postoperative Entzündung stellt nach wie vor ein gravierendes Problem in der Rekonstruktion des Kreuzbandes dar. Wird eine Infektion festgestellt, so ist eine direkte Spülung des Wundareals notwendig. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von bakteriellen Infektionen ist von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel der präoperativen Liegedauer und dem Alter abhängig. Durch Infektionen können weitreichende Komplikationen entstehen, die bis zu einer Sepsis (Blutvergiftung) führen können.
  • Arthrofibrose – dieses Krankheitsbild stellt laut dem aktuellen Stand der Forschung eine seltene Autoimmunerkrankung dar, die durch eine massiv reduzierte Beweglichkeit des Kniegelenkes gekennzeichnet ist.
  • Zyklops-Syndrom – dieses Syndrom ist durch eine Bindegewebswucherung im Wundareal gekennzeichnet, die bei Belastung zu Schmerzen führen kann.
  • Narkose – der Eingriff wird unter Vollnarkose oder nach Durchführung einer Spinalanästhesie durchgeführt, woraus sich verschiedene Risiken ergeben. Bei einer Vollnarkose können unter anderem Nausea (Übelkeit) und Erbrechen, Zahnschädigungen und möglicherweise auch Herzrhythmusstörungen auftreten. Auch die Kreislaufinstabilität ist eine gefürchtete Komplikation der Vollnarkose. Dennoch ist die Vollnarkose als komplikationsarmes Verfahren zu bewerten.
    Die Spinalanästhesie ist ebenfalls relativ komplikationsarm, aber auch bei dieser Methode können Komplikationen auftreten. Eine Verletzung von Gewebe, beispielsweise von Nervenfasern, könnte zu einer lang andauernden Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.

Weitere Hinweise

  • Die Zeit zwischen der Diagnosestellung und der Rekonstruktion eines rupturierten vorderen Kreuzbandes entscheidet über die Arthroserate: Nach einem Intervall von sechs Monaten lag die Arthroserate bei 11,7 %, nach 18 Monaten bei 21,6 % und nach 36 Monaten bei 45,3 % [7].

Literatur

  1. Mayr HO, Zeiler C: Komplikationen nach Kreuzbandplastiken. Der Orthopäde. 2008. 37:1080-1087
  2. Ewerbeck V: Standardverfahren in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie. Georg Thieme Verlag 2006
  3. Heisel J: Rehabilitation in Orthopädie und Unfallchirurgie. Springer Verlag 2005
  4. Rüter A: Unfallchirurgie. Elsevier Verlag 2008
  5. Niethard F: Orthopädie und Unfallchirurgie. Georg Thieme Verlag 2009
  6. Frobell RB, Roos EM et al.: A randomized trial of treatment for acute anterior cruciate ligament tears. NEJM 363; 2010: 331-42
  7. Cinque ME et al.: High Rates of Osteoarthritis Develop After Anterior Cruciate Ligament Surgery: An Analysis of 4108 Patients. Am J Sports Med 2017, online 6. Oktober