Harnröhrenentzündung (Urethritis) – Ursachen

Die Pathogenese der Urethritis ist komplex und nicht vollständig verstanden. Sie beinhaltet eine Reihe von direkten und indirekten Mechanismen, die zur Entwicklung dieser Entzündung beitragen.

Direkte Mechanismen:

  • Mikrobielle Pathogenität: Einige Mikroorganismen, einschließlich sexuell übertragbarer Infektionserreger, können direkt die Urothelschichten (mehrschichtiges Epithel des Harnsystems) infizieren, was zu Zellschädigung und einer nachfolgenden Entzündungsreaktion führt. Insbesondere bei Frauen kann ein Ungleichgewicht der vaginalen Mikroflora, wie eine Reduktion der Laktobazillen, die normalerweise einen schützenden Effekt haben und das Wachstum pathogener Organismen verhindern, das Risiko einer Infektion erhöhen.
  • Toxinproduktion: Bestimmte Pathogene sind in der Lage, Toxine zu produzieren, die das Urothel schädigen, was unmittelbar eine Entzündungsreaktion hervorruft.

Indirekte Mechanismen:

  • Immunreaktion: Die Antwort des Körpers auf pathogene Mikroorganismen oder ihre Toxine kann zu einer Entzündung der Urethra führen, obwohl keine direkte Infektion des Urothels vorliegt. In manchen Fällen kann dies zu einer überschießenden Immunantwort führen, die das Gewebe weiter schädigt.
  • Hormonelle Einflüsse: Veränderungen im Hormonspiegel, vornehmlich bei Frauen, können einen Einfluss haben. Ein Mangel an Östrogen, beispielsweise während der Menopause, kann die Struktur und Funktion der Urethra beeinflussen. Östrogen hilft, die normale Mikroflora der Vagina aufrechtzuerhalten, und ein Mangel daran kann zu einer Abnahme von Laktobazillen führen. Dies kann die Vagina anfälliger für das Wachstum von pathogenen Bakterien machen und damit das Risiko einer Urethritis erhöhen. Gleichzeitig beeinflusst Östrogen die Durchblutung des Urogenitaltraktes sowie die Integrität und Elastizität der Schleimhäute, was ebenfalls bei Östrogenmangel beeinträchtigt sein kann.

Diese Faktoren können sowohl unabhängig voneinander als auch in Wechselwirkung stehen und zur Entwicklung einer Urethritis beitragen. Der genaue Pathomechanismus kann von Fall zu Fall variieren und ist oft das Ergebnis einer Kombination verschiedener ätiologischer Faktoren. Daher ist ein umfassender Ansatz in Diagnose und Management erforderlich, um sowohl die zugrunde liegenden Ursachen als auch die symptomatischen Auswirkungen der Krankheit zu behandeln.

Ätiologie (Ursachen)

Nach der Ätiologie (Ursache) werden folgende Formen unterschieden:

Infektiöse Urethritis

  • gonorrhoische Urethritis (GU; spezifische Urethritis) – verursacht durch den Erreger Neisseria gonorrhoeae*
  • nicht-gonorrhoische Urethritis (NGU; unspezifische Urethritis)

Die häufigsten Erreger einer NGU sind:

  • Chlamydia trachomatis* (Serotypen D-K; 11-43 %)
  • E. coli
  • Herpes simplex-Virus (2-3 %)
  • Ureaplasma urealyticum (20 %)
  • Mycoplasma genitalium* (9-25 %) – spielt eine wichtige Rolle bei der akuten oder persistierend-rezidivierenden Urethritis
  • Enterokokken
  • Streptokokken
  • Staphylokokken (Staphylococcus aureus)
  • Trichomonas vaginalis (1-20 %)

*Die drei häufigsten Erreger einer Urethritis

In sehr seltenen Fällen kann auch eine Infektion mit Gardnerella vaginalis (bakterielle Vaginose) beim Mann zu einer nicht-gonorrhoischen Urethritis führen [1]. Des Weiteren gibt es mykotisch- (durch eine Pilzinfektion bedingt) und protozoenbedingte (durch Parasiten bedingt) Urethritiden.

Weitere Formen der Urethritis sind (mod. nach [2]):

  • abakteriell
  • allergisch

Nicht-infektiöse Ursachen

  • Zu den nicht-infektiösen Ursachen können chemische Reizstoffe gehören, z. B. durch die Verwendung bestimmter Seifen oder Spermizide, oder physische Traumata, oft durch sexuelle Aktivität oder medizinische Verfahren (Katheterisierung, Zystoskopie usw.). 
  • Eine häufig erst spät diagnostizierte Ursache einer nicht-infektiösen Ursache ist der Östrogenmangel der Frau (Urogenitales Menopausensyndrom).
  • Ferner können systemische Faktoren wie Diabetes mellitus die Urethra beeinträchtigen und anfälliger für Entzündungen machen.

Biographische Ursachen

  • Menopause – Veränderungen im Hormonhaushalt, insbesondere bei Frauen (z. B. Menopause), können die Struktur und Funktion der Urethra beeinflussen und so das Risiko einer Urethritis erhöhen.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen 
  • Sexuelle Übertragung 
    • Promiskuität (sexuelle Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern oder mit parallel mehreren Partnern)
    • Prostitution
    • Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
    • Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
    • Ungeschützter Koitus (Geschlechtsverkehr)
  • Das Einbringen von Fremdkörpern in die Harnröhre
  • Hygienemängel – dabei kann es, bei Frauen häufiger, zu einer Keimverschleppung vom Darm zur Harnröhre kommen

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Harnröhrendivertikel – Ausbildung eines Blindsacks an der Harnröhre
  • Harnröhrenstriktur (Harnröhrenverengung)
  • Reiter-Krankheit (Synonyme: Reiter-Syndrom; Morbus Reiter; Arthritis dysenterica; Polyarthritis enterica; postenteritische Arthritis; posturethritische Arthritis; undifferenzierte Oligoarthritis; urethro-okulo-synoviales Syndrom; Fiessinger-Leroy-Syndrom; engl. Sexually acquired reactive arthritis (SARA)) – spezielle Form einer "reaktiven Arthritis“ (s. o.); Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infekten, die sich durch die Symptomatik der Reiter-Trias auszeichnet; seronegative Spondylarthropathie, die besonders bei HLA-B27 positiven Personen durch eine Darm- oder Harnwegserkrankung mit Bakterien (meistens Chlamydien) ausgelöst wird; kann sich äußern als Arthritis (Gelenkentzündung), Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Urethritis (Harnröhrenentzündung) und teils mit typischen Hautveränderungen.
  • Stoffwechselstörungen, die das Immunsystem beeinträchtigen.
  • Vulvovaginale Atrophie bzw. das urogenitales Menopausensyndrom – Veränderungen der Haut von Vagina (Scheide) und Vulva (Gesamtheit der äußeren primären Geschlechtsorgane), die bei Frauen mit einem sinkenden Östrogenspiegel auftreten können

Weitere Ursachen

  • Chemische Reizstoffe gehören, z. B. durch die Verwendung bestimmter Seifen oder Spermizide, oder physische Traumata, oft durch sexuelle Aktivität 
  • Posttraumatische Störungen durch diagnostische/therapeutische Eingriffe:
    • instrumentelle Eingriffe (z. B. Zystoskopie (Harnblasenspiegelung)
    • Katheterirritation (z. B. Legen von Blasenkathetern)
    • Striktur der Harnröhre
    • chemische Irritationen
  • Sitzendes Radfahren (mittelbar – chronisch)

Literatur

  1. Chowdhury MN.: Gardnerella vaginalis carriage in male patients. Trop Geogr Med. 1986 Jun;38(2):137-40.
  2. Shahmanesh M et al.: 2009 European guideline on the management of male non-gonococcal urethritis. Int J STD AIDS. 2009 Jul;20(7):458-64. doi: 10.1258/ijsa.2009.009143