Videostroboskopie des Kehlkopfes

Die Videostroboskopie des Kehlkopfes ist ein spezialisiertes bildgebendes Verfahren der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO-Heilkunde) und Phoniatrie (Stimmheilkunde) zur funktionellen Beurteilung der Stimmlippen (Stimmfalten) und ihrer Schwingungsabläufe. Mithilfe synchronisierter Blitzlichtimpulse (Stroboskopie) gelingt die scheinbare Verlangsamung oder Stillstellung der hochfrequenten Stimmlippenschwingung, wodurch pathologische Veränderungen der Stimmlippenschwingung und der Stimmbildung präzise analysiert werden können. Die Methode stellt eine Erweiterung der indirekten Laryngoskopie (Kehlkopfspiegelung) dar und erlaubt durch die Videoaufzeichnung eine genaue Dokumentation und Verlaufskontrolle.

Synonyme

  • Stroboskopische Videolaryngoskopie
  • Stroboskopische Stimmlippenuntersuchung
  • Stimmlippenstroboskopie
  • Videostroboskopie der Glottis (Stimmritze)

Beurteilbare Strukturen

  • Stimmlippenepithel (Schleimhaut der Stimmfalten)
    • Beurteilung der Schleimhautoberfläche und eventueller epithelialer Läsionen (Schleimhautveränderungen)
  • Stimmlippenschwingung (Bewegung der Stimmfalten)
    • Erfassung des Amplitudenverlaufs, Randkantenverschiebung und periodischer Schwingungsmerkmale
  • Glottisschluss (Verschluss der Stimmritze)
    • Analyse des vollständigen oder inkompletten Schlusses der Stimmritze
  • Supraglottischer Raum (Bereich oberhalb der Stimmritze)
    • Beurteilung supraglottischer Mitbewegungen
  • Subglottischer Raum (Bereich unterhalb der Stimmritze)
    • Teilweise Beurteilung bei tiefem Blickwinkel

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Dysphonie (Stimmstörung) – Abklärung unklarer Heiserkeit oder chronischer Stimmstörungen
  • Phonotrauma (Stimmüberlastung) – Nachweis von Schleimhautveränderungen infolge stimmlicher Fehlbelastung
  • Stimmlippenparesen oder -paralysen (Teillähmung oder vollständige Lähmung der Stimmfalten) – Beurteilung von Amplitudenveränderung, Asymmetrie und Glottisschluss
  • Stimmlippenläsionen (Gewebeveränderungen an den Stimmfalten) – Differenzierung von Stimmlippenknötchen, Polypen, Zysten, Reinke-Ödem oder Leukoplakien
  • Stimmlippenkarzinome (Krebs der Stimmfalten) – Frühzeitige Detektion von Veränderungen in der Schwingungsdynamik bei malignem Verdacht
  • Verlaufskontrollen (Untersuchungen im Zeitverlauf) – Nach Operationen, Stimmrehabilitation oder bei chronischen Stimmstörungen

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Schwere Atemnot – Erschwert oder verhindert die Durchführung
  • Stark ausgeprägter Würgereflex – Kann die Untersuchung unbrauchbar machen
  • Akute Infektionen des Rachens oder Kehlkopfes (Entzündungen) – Relative Kontraindikation wegen eingeschränkter Toleranz und Verzerrung der Befunde
  • Nicht kooperationsfähige Patienten – z. B. bei neurologischen Erkrankungen oder kognitiven Einschränkungen

Vor der Untersuchung

  • Anamnese und phoniatrische Voruntersuchung (Erhebung der Vorgeschichte und Stimmdiagnostik) – Erhebung stimmbezogener Beschwerden, Dauer, Auslöser und subjektive Einschränkungen
  • Laryngoskopische Vordiagnostik (Kehlkopfspiegelung) – z. B. transorale oder transnasale Spiegelung zur groben Beurteilung von Anatomie und Pathologien
  • Patienteninformation – Aufklärung über Untersuchungsablauf, mögliche Würgereize und das Ziel der Untersuchung
  • Stimmanalyse (optional) – Ergänzend zur objektiven Beurteilung durch akustische Messverfahren

Das Verfahren

Die Untersuchung erfolgt in sitzender Position. Über ein starres (transoral – durch den Mund) oder flexibles (transnasal – durch die Nase) Endoskop wird ein stroboskopisches Lichtsystem in den Kehlkopf projiziert. Gleichzeitig werden die Stimmlippenschwingungen mit einer Hochfrequenzkamera synchron zur Stimme erfasst. Durch leichte Frequenzverschiebung zwischen Grundfrequenz der Stimme und Blitzlicht entsteht ein scheinbar verlangsamtes Bewegungsmuster der Stimmlippen.

Während der Untersuchung wird der Patient gebeten, definierte Töne zu halten (meist das stimmhafte „i“) sowie Tonhöhenvariationen durchzuführen. Die Untersuchung wird digital aufgezeichnet und kann anschließend analysiert, dokumentiert und im Verlauf verglichen werden.

Mögliche Befunde

  • Normale Stimmlippenschwingung (gesunde Stimmfalten) – Symmetrisch, periodisch, vollständiger Glottisschluss, normale Amplitude und Randkantenverschiebung
  • Asymmetrische Schwingung (ungleichmäßige Bewegung der Stimmfalten) – Hinweis auf einseitige Parese, Stimmlippenmassenveränderung oder funktionelle Störung
  • Unvollständiger Glottisschluss (unvollständiger Verschluss der Stimmritze) – Typisch bei Stimmlippenatrophie, Narben, Tumoren oder Lähmung
  • Irreguläre Schwingung (unregelmäßige Bewegung) – Deutet auf gestörte neuromuskuläre Koordination oder entzündliche Prozesse
  • Verändertes Randkantenverhalten (veränderte Schleimhautbewegung) – Pathognomonisch bei subepithelialen Raumforderungen (z. B. Polyp, Zyste)
  • Fehlende oder stark eingeschränkte Schwingung (kaum Bewegung sichtbar) – Hinweis auf Fixation, Tumorinfiltration oder massive Entzündung

Nach der Untersuchung

  • Befundbesprechung (Erklärung der Ergebnisse) – Direkte Rückmeldung zum Untersuchungsergebnis mit Videoanalyse
  • Empfehlung zur Therapie oder weiteren Diagnostik – ggf. Stimmtherapie, operative Intervention, histologische Abklärung
  • Verlaufskontrollen – Je nach Diagnose zur Überwachung der Therapieeffekte und Krankheitsprogression