Leberinsuffizienz – Einleitung

Die Leberinsuffizienz, umgangssprachlich auch Leberversagen genannt, beschreibt eine Funktionsstörung der Leber, die zu einem teilweisen oder vollständigen Ausfall ihrer vielfältigen Stoffwechselaufgaben führt. Leberversagen ist die schwerste Form der Leberinsuffizienz und stellt einen akut lebensbedrohlichen Zustand dar, der sofortige medizinische Intervention erfordert.

Thesaurussynonyma und ICD-10: Akute gelbe Leberatrophie; Akute Hepatitis mit Leberversagen; Akute Leberdystrophie; Akute parenchymatöse Leberdegeneration a.n.k.; Akutes Leberversagen; Chronische gelbe Leberatrophie; chronische Leberdystrophie; chronisches Leberversagen; Coma hepaticum; Encephalopathia hepatica; Fulminante Hepatitis mit Leberversagen; Gelbe Leberatrophie; Hepatische Dekompensation; Hepatische Enzephalopathie; Hepatische Insuffizienz; Hepatoenzephalopathie; Icterus maligne; Leberatrophie; Leberausfallskoma; Leberdystrophie; Leberkoma; Lebernekrose; Lebernekrose mit Leberversagen; Leberparenchymnekrose; Leberparenchymschwund; Leberzelldegeneration; Leberzellnekrose; Leberzellnekrose mit Leberversagen; Maligne Hepatitis mit Leberversagen; Portokavale Enzephalopathie; Praecoma hepaticum; Subakute gelbe Leberatrophie; Subakute parenchymatöse Leberdegeneration a.n.k.; ICD-10-GM K72.0: Akutes und subakutes Leberversagen, ICD-10-GM K72.1: Chronisches Leberversagen, ICD-10-GM K72.9: Chronische Hepatitis, nicht näher bezeichnet

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Transaminasen (ALT, AST): Deutlich erhöht, oft ein Hinweis auf die Schwere der Leberschädigung.
  • Erhöhtes Bilirubin: Erhöhte Werte, die zu Ikterus führen.
  • Verlängerte Prothrombinzeit (INR): Ein Hinweis auf eine Koagulopathie (Gerinnungsstörung), typisch für Leberversagen (INR > 1,5).
  • Erniedrigtes Albumin: Deutlicher Rückgang, reflektiert die verminderte Syntheseleistung der Leber.
  • Erhöhte Ammoniakwerte: Hinweis auf hepatische Enzephalopathie (Funktionsstörung des Gehirns, die durch eine unzureichende Entgiftungsfunktion der Leber entsteht).

Formen der Erkrankung

  • Hyperakutes Leberversagen: Entwickelt sich innerhalb von weniger als 7 Tagen nach Beginn der Symptome bis zur Enzephalopathie.
  • Akutes Leberversagen (ALV; acute liver failure, ALF): Symptome treten innerhalb von 7 bis 28 Tagen auf. Bei einer fulminanten Form liegt der Zeitraum unter 7 Tagen, bei einer protrahierten Form über 4 Wochen.
  • Subakutes Leberversagen (SALV): Entwickelt sich über einen Zeitraum von mehr als 28 Tagen bis zu 6 Monaten nach Symptombeginn.
  • Akut-auf-chronisches Leberversagen (ACLF): ACLF stellt eine akute hepatische Dekompensation einer präexistenten chronischen Lebererkrankung mit konsekutivem Organversagen dar. Das Kurzzeitüberleben ist sehr schlecht und stadienabhängig. Trigger sind bakterielle Infekte wie Pneumonien (Lungenentzündungen), Harnwegsinfekte (HWI) oder spontane bakterielle Peritonitis/Bauchfellentzündung (SBP), die zu einer systemischen Inflammation (Entzündungsreaktion, die den gesamten Körper betrifft) führen. Es handelt sich hierbei um eine relativ neue Entität [1, 2].
  • Chronisches Leberversagen (CLV; CLF): Ein fortschreitender Verlust der Leberfunktion über Monate bis Jahre, häufig im Zusammenhang mit chronischen Lebererkrankungen wie Leberzirrhose.

Ursachen

  • Hepatitis: Virale Hepatitiden (Hepatitis B, C, D) sind häufige Ursachen für Leberversagen in Europa.
  • Toxine: Insbesondere in Amerika, England und Skandinavien sind toxische Substanzen (z. B. Paracetamol, Pilzgifte, Alkohol) führende Ursachen.
  • Autoimmunhepatitis: Immunvermittelte Entzündung der Leber.
  • Wilson-Krankheit: Seltene genetische Störung des Kupferstoffwechsels.
  • Ischämische Hepatitis: Durchblutungsstörung der Leber.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein als Männer.

Häufigkeitsgipfel
: Meist im mittleren Lebensalter, abhängig von der Ursache.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Daten zur genauen Prävalenz sind limitiert, jedoch wird das akute Leberversagen als seltene Erkrankung eingestuft.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Deutschland gibt es schätzungsweise 200-500 Fälle von akutem Leberversagen pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akutes Leberversagen:
    • Fulminanter Verlauf: Rasche Entwicklung, bessere Prognose im Vergleich zu protrahierten Verläufen.
    • Protrahierter Verlauf: Langsamerer Verlauf, oft mit schwereren Komplikationen.
    • Komplikationen: Hirnödem (häufigste Todesursache), Infektionen, Nierenversagen.
    • Behandlung: Intensive medizinische Betreuung und häufig Lebertransplantation erforderlich.
  • Akut-auf-chronisches Leberversagen:
    • Hohe Kurzzeitmortalität, häufig bedingt durch bakterielle Infektionen und systemische Entzündungsreaktionen.

Prognose

  • Akutes Leberversagen: Letalität (Sterblichkeit) von 50-75 %, abhängig von Ätiologie (Ursachen), Vorerkrankungen und Geschwindigkeit des Krankheitsverlaufs.
  • Chronisches Leberversagen: Fortlaufend progressive Erkrankung mit schlechter Langzeitprognose ohne Transplantation.
  • Lebertransplantation: In 50 % der Fälle erforderlich, um das Überleben zu sichern. Patienten, die ein akutes Leberversagen überleben, erholen sich meist vollständig.

Literatur

  1. Bajaj JS, O’Leary JG, Reddy KR et al.: Survival in infection-related acute-on-chronic liver failure is defined by extrahepatic organ failures. Hepatology 2014 60:250-256
  2. Moreau R, Jalan R, Gines P et al (2013) Acute-on-chronic liver failure is a distinct syndrome that develops in patients with acute decompensation of cirrhosis. Gastroenterology 144:1426-1437 (1437 e1421-1429)