Zytogenetik in der Labordiagnostik – Verfahren, Indikationen und klinische Relevanz

Die Zytogenetik ist ein Teilgebiet der Humangenetik, das die Struktur, Anzahl und Funktion der Chromosomen untersucht. Sie ermöglicht die Identifikation numerischer und struktureller Chromosomenaberrationen und stellt ein zentrales diagnostisches Instrument bei genetischen Erkrankungen, Fehlbildungen, unerfülltem Kinderwunsch sowie onkologischen Erkrankungen dar. Einen besonderen Stellenwert besitzt sie in der pränatalen Diagnostik, wo zytogenetische Verfahren zur frühzeitigen Erkennung fetaler Chromosomenanomalien eingesetzt werden.

Pränatale zytogenetische Diagnostik

Chromosomenanalyse (konventionelle Karyotypisierung)
Die klassische Karyotypisierung ermöglicht die Darstellung des vollständigen Chromosomensatzes (Karyotyp) einer Zelle in der Metaphase. Damit lassen sich zahlenmäßige Veränderungen (z. B. Trisomie 21) sowie grobe strukturelle Aberrationen (z. B. Translokationen, Deletionen) identifizieren. Die Auflösung liegt typischerweise bei 5–10 Megabasen (Mb).

Amniozentese
Ab der 15. Schwangerschaftswoche kann durch Amniozentese Fruchtwasser entnommen werden, das fetale Zellen enthält. Diese werden kultiviert und für die Karyotypisierung oder molekularzytogenetische Verfahren (z. B. FISH, Array-CGH) verwendet.

Chorionzottenbiopsie
Bereits ab der 11. Schwangerschaftswoche ermöglicht die Chorionzottenbiopsie die Gewinnung von Zellen aus dem Chorionepithel (Plazentagewebe). Diese eignen sich für die klassische Chromosomenanalyse und molekularzytogenetische Untersuchungen. Die Methode erlaubt eine frühzeitige Diagnostik genetischer Erkrankungen.

FISH-Analyse (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung)
Die FISH-Technik nutzt fluoreszenzmarkierte DNA-Sonden zum gezielten Nachweis spezifischer Chromosomenabschnitte. Sie eignet sich besonders für den Nachweis von Mikrodeletionssyndromen (z. B. DiGeorge-Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom) sowie für die Untersuchung einzelner Zellen bei Mosaikformen. Ein Vorteil ist die Möglichkeit der Anwendung an nicht kultivierten Zellen mit rascher Ergebnislieferung.

Array-CGH (Array-Comparative Genomic Hybridization)
Die Array-CGH ist ein hochauflösendes Verfahren zur genomweiten Analyse chromosomaler Imbalancen. Im Unterschied zur Karyotypisierung können auch submikroskopische Deletionen und Duplikationen (z. B. Mikrodeletionen, Mikroduplikationen) mit einer Auflösung im Kilobasenbereich detektiert werden. Die Methode wird zunehmend als primäres Screening-Verfahren bei Entwicklungsverzögerungen, kongenitalen Fehlbildungen und syndromalen Auffälligkeiten eingesetzt.

Postnatale zytogenetische Diagnostik

Die postnatale Zytogenetik wird eingesetzt bei angeborenen Fehlbildungen, Entwicklungsverzögerungen, neurologischen Auffälligkeiten sowie bei Verdacht auf hereditäre Chromosomenstörungen.

Chromosomenanalyse (Karyotypisierung)
Erlaubt die Erkennung numerischer und grobstruktureller Chromosomenaberrationen, beispielsweise Trisomien oder Translokationen.

Array-CGH
Standardmethode zur Detektion submikroskopischer Deletionen und Duplikationen bei Patienten mit Entwicklungsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder unaufgeklärten kongenitalen Fehlbildungen.

FISH-Analyse
Einsatz zur gezielten Abklärung bekannter Mikrodeletionssyndrome oder zum Nachweis chromosomaler Mosaike.

Onkologische Zytogenetik

In der Onkologie dient die Zytogenetik der Diagnostik, Prognoseabschätzung und Therapieplanung bei hämatologischen Neoplasien und soliden Tumoren.

Konventionelle Chromosomenanalyse
Untersuchung von Tumorzellen (z. B. aus Knochenmark) zur Identifikation relevanter numerischer und struktureller Aberrationen, etwa bei Leukämien oder Lymphomen.

FISH-Analyse
Gezielter Nachweis spezifischer Translokationen oder Genamplifikationen (z. B. BCR-ABL1-Fusion bei chronischer myeloischer Leukämie oder HER2-Amplifikation bei Mammakarzinom).

Array-CGH
Erlaubt die Detektion chromosomaler Verluste oder Zugewinne in Tumorzellen mit hoher Auflösung.

Molekulare Zytogenetik in der Tumordiagnostik
Kombination von FISH und Array-CGH oder modernen Verfahren wie Next-Generation Sequencing (NGS) zur umfassenden Charakterisierung genetischer Veränderungen mit therapeutischer Relevanz.