Hodenverdrehung (Hodentorsion) – Operative Therapie
Eine Hodentorsion ist eine akute Notfallsituation, die eine sofortige chirurgische Intervention erfordert, um eine irreparable Hodenschädigung zu vermeiden. Bereits der Verdacht auf eine Hodentorsion macht eine umgehende Hodenfreilegung erforderlich.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Akute Hodenschmerzen mit Verdacht auf Torsion
- Fehlende oder abgeschwächte Durchblutung des Hodens im Doppler-Ultraschall
- Plötzliche Schwellung und Rötung des Skrotums (Hodensack)
- Hochstand des betroffenen Hodens
- Fehlender Kremasterreflex (Reflex, bei dem der Hoden nach oben gezogen wird)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Fortgeschrittene Nekrose (Gewebeabsterben) des Hodens ohne mögliche Wiederherstellung der Durchblutung
- Schwere systemische Infektionen, die eine sofortige Operation unmöglich machen
- Koagulopathien (Blutgerinnungsstörungen), die eine akute Gerinnungskorrektur benötigen
Operationsverfahren
Freilegung des Hodens:
- Inguinaler Zugang (Leistenbereich) – indiziert bei Neugeborenen und Kindern mit Hodenhochstand.
- Skrotaler Zugang (Hodensack) – Standardzugang für alle anderen Patienten.
Detorquierung und Orchidopexie:
- Detorquierung (Lösen der Hodenverdrehung) erfolgt vorsichtig, um eine weitere Schädigung zu vermeiden.
- Orchidopexie (operative Fixierung des Hodens im Hodensack) zur Vermeidung einer erneuten Torsion.
- Die Orchidopexie sollte immer auch am kontralateralen Hoden erfolgen, entweder ein- oder zweizeitig.
Wiederherstellung der Perfusion (Durchblutung):
- Innerhalb von 4-6 Stunden → Hohe Wahrscheinlichkeit der Hodenerhaltung.
- Eine Metaanalyse von 68 Studien konnte zeigen, dass bei Schmerzen unter sechs Stunden die Hodenerhaltungsrate bei 91 % liegt. Bei sechs bis zwölf Stunden sank die Erhaltungsrate auf 71 % und nach 24 Stunden auf 24 % [2].
- Nach 8-10 Stunden Ischämie → Hohe Wahrscheinlichkeit einer Nekrose und Atrophie.
Postoperative Nachsorge
- Regelmäßige Kontrolle der Hodenperfusion (Hodendurchblutung) per Doppler-Sonographie
- Schmerzmanagement mit NSAR oder Opioiden bei Bedarf
- Aufklärung des Patienten über mögliche Spätfolgen wie Hodenatrophie oder Infertilitat (Unfruchtbarkeit)
- Sportkarenz für mindestens 4 Wochen
Mögliche Komplikationen
- Hodennekrose (Gewebeabsterben des Hodens) trotz operativer Therapie
- Infektion oder Wundheilungsstörungen
- Testikuläre Atrophie (Gewebeschwund des Hodens)
- Persistierende Schmerzen oder Beschwerden
Vergleich der Operationsmethoden
| Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|---|
| Skrotaler Zugang | Direktes Erreichen des Hodens über das Skrotum (Hodensack) | Schnelle Zugänglichkeit, weniger traumatisch (verletzend) | Bei Hodenhochstand nicht geeignet |
| Inguinaler Zugang | Eröffnung der Leistenregion zur Freilegung des Hodens | Notwendig bei Hodenhochstand, erlaubt bessere Beurteilung | Größerer Eingriff, längere Wundheilung |
Weitere Hinweise
- Nach Orchidopexie (Opx) bzw. Orchiektomie und kontralaterale Opx ist gemäß einer israelischen Studie keine wesentliche Störung der Fertilität zu erwarten [1]:
- Nach Opx bis Schwangerschaftseintritt 6,6 Monate, nach Orchiektomie (Oec) 7,2 Monate
- Schwangerschaftsraten waren nach beiden Eingriffen ähnlich hoch (90,9 % bzw. 90,2 %) (Allgemeinbevölkerung: 82-92 % nach zwölf Menstruationszyklen). Die Lebendgeburtenrate lag bei 87,8 % bzw. 86,3 %.
Fazit
Die sofortige operative Versorgung der Hodentorsion ist essenziell, um den Hoden zu erhalten und Spätschäden zu vermeiden. Die Wahl des Zugangswegs richtet sich nach dem Patientenalter und der individuellen Anatomie. Eine beidseitige Orchidopexie ist empfehlenswert, um das Rezidivrisiko zu minimieren.
Manuelle Detorsion bei Hodentorsion (Verdrehung des Hodens) – Kurzüberblick
Die akute Hodentorsion (Verdrehung des Hodens) ist ein zeitkritischer kinderurologischer Notfall. Neben der sofortigen operativen Exploration (chirurgische Freilegung) kann eine manuelle Detorsion (manuelle Rückdrehung des Hodens) als sofortige Maßnahme zur Wiederherstellung der Perfusion (Durchblutung) eingesetzt werden.
In einer retrospektiven Fallserie von 276 Kindern und Jugendlichen (0-18 Jahre) untersuchten Ribeiro et al. den Stellenwert dieses Vorgehens. In 56,5 % der Fälle wurde eine manuelle Detorsion versucht, mit einer Erfolgsrate von 43,6 %. Nach erfolgreicher manueller Detorsion trat kein Testisverlust (Verlust des Hodens) auf, auch nicht nach anschließender elektiver bilateraler Orchidopexie (geplante beidseitige operative Hodenfixierung).
Die Rate gonadaler Verluste (Verlust des Keimorgans) war bei Patienten mit Detorsionsversuch deutlich geringer als ohne Versuch (9,0 % vs. 45,8 %, Reduktion um > 50 %). Orchiektomien (operative Entfernung des Hodens) traten ausschließlich nach erfolgloser manueller Entdrehung auf. Auch partielle Detorsionen (unvollständige Rückdrehungen) scheinen prognostisch günstig zu sein.
Fazit:
Der Versuch einer manuellen Detorsion senkt das Orchiektomie-Risiko (Risiko einer Hodenentfernung) um mehr als 50 % und sollte – ohne Verzögerung der operativen Versorgung – routinemäßig erwogen werden. Bei erfolgreicher Entdrehung kann die Orchidopexie (operative Hodenfixierung) sicher elektiv erfolgen.
Limitation: retrospektives Studiendesign.
Literatur
- Gielchinsky I et al.: Pregnancy rates after testicular torsion. J Urol 2016, online 23. April; doi: 10.1016/j.juro.2016.04.066
- Lewis S et al.: A systematic review and meta-analysis to inform the management of children and young people with acute testicular pain. BJU Int 2025; https://doi.org/10.1111/bju.70080
- Ribeiro S et al.: Lessons learned after 10 years of manual detorsion in testicular torsion. J Pediatr Urol. 2025. doi: https://doi.org/10.1016/j.jpurol.2025.11.019