Blutschwamm (Hämangiome)

Nachfolgend jeweils eine Kurzdarstellung des Säuglings- und Erwachsenenhämangioms.

Säuglingshämangiom

Ein Säuglingshämangiom (SH) – umgangssprachlich Blutschwamm genannt – ist ein angeborener Gefäßtumor, der in den ersten Tagen oder Wochen/Monaten nach der Geburt auftritt. Die kleinen Gefäße der Haut, die Kapillaren, bilden dabei knäuelartige Wucherungen und Aussackungen.

Synonyme und ICD-10: infantiles Hämangiom; ICD-10-GM D18,0-: Hämangiom

Das infantile Hämangiom gilt als der häufigste benigne (gutartige) Tumor im frühen Kindesalter.

Formen der Erkrankung

  • Lokalisiert: Einzelne, klar abgegrenzte Hämangiome.
  • Segmental: Größere, zusammenhängende Bereiche der Haut betroffen.
  • Multipel: Mehrere, oft kleinere Hämangiome verteilt über den Körper.
  • Mit tiefen Anteilen: Hämangiome mit tieferen Haut- und Gewebeanteilen.

Epidemiologie

  • Geschlechterverhältnis: Jungen zu Mädchen beträgt 1 : 3.
  • Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 2-10 % aller Reifgeborenen
  • Frühgeborene: Bei bis zu 22 % der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1 kg tritt ein infantiles Hämangiom auf.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Der Verlauf eines Säuglingshämangioms ist typischerweise phasenhaft:

  1. Proliferation (Wachstum): Das Hämangiom wächst schnell, meist in den ersten Wochen bis Monaten nach der Geburt.
  2. Wachstumsstillstand: Nach der schnellen Wachstumsphase stabilisiert sich das Hämangiom für eine gewisse Zeit.
  3. Regression (Rückbildung): Das Hämangiom beginnt sich zurückzubilden. Dieser Prozess kann mehrere Jahre dauern.

Prognose

Eine komplette Abheilung ist möglich. In etwa 80-90 % der Fälle kommt es bis zum zehnten Lebensjahr zu einer vollständigen Rückbildung des Hämangioms.

  • Komplikationen: Bei großen oder ungünstig lokalisierten Hämangiomen (z. B. im Gesicht oder an funktionell wichtigen Stellen) können Behandlung und Überwachung erforderlich sein, um potenzielle Komplikationen wie Ulzerationen (Geschwürbildung) oder Beeinträchtigungen der Funktion zu verhindern.

Symptome – Beschwerden

Die Haut weist einen hell- bis dunkelroten Hautknoten auf, der von unterschiedlicher Größe sein kann.

Bei der Geburt sind diese Hautveränderungen meistens noch nicht vorhanden; ca. 90 % der Hämangiome werden bis zum Ende des zweiten Lebensmonats sichtbar.

Die Proliferation des Hämangioms wird in zwei Phasen unterschieden: in der ersten Phase wachsen die Hämangiome innerhalb weniger Wochen rasch; in der zweiten Phase wird das Wachstum langsamer. Zwischen dem neunten bis 15. Lebensmonat wird meistens eine Plateauphase erreicht. Der Plateauphase schließt sich in ca. 70 % der Fälle eine Rückbildungsphase (Involution) an. Die Involutionsphase zeigt sich an einer netzartigen gräulichen Verfärbung der Hämangiome.

Lokalisation: Meist sitzt das Hämangiom (Blutschwamm) im Gesicht oder am Hals, kann aber auch an allen anderen Regionen des Körpers auftreten.

Differentialdiagnosen

  • Eruptives Angiom (Granuloma pyogenicum) – erworbener gutartiger vaskulärer Hauttumor aus der Gruppe der Hämangiome; klinisch zeigen sich dunkelrote Papeln; Auftreten jenseits des Säuglingsalters, meistens im Kleinkindesalter
  • Juveniles Xanthogranulom – im Säuglings- und Kleinkindesalter auftretende gutartige Form einer Histiozytose
  • Naevus flammeus (Feuermal)
  • Neonatale Hämangiomatose – multiple Hämangiome der Haut mit Organbefall 
  • Lymphangiom – Lymphgeschwulst 
  • Arteriovenöse Malformation (AVM) – angeborene Fehlbildung der Blutgefäße, bei der Arterien direkt mit Venen verbunden sind

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

Der Blutschwamm kann wachsen und sich ausbreiten, besonders in den ersten Lebensmonaten. Gelegentlich zeigen sich Ulzerationen (Geschwürbildungen) an der Oberfläche.

Meist kommt es zu spontanen Remissionen (Rückbildungen), zum Teil bleiben Narben zurück.

Folgeerkrankungen

Bei ca. 40 bis 50 % der Betroffenen hinterlassen Hämangiome narbenähnliche Residuen, Hautatrophien (Gewebeschwund), Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße) und Pigmentstörungen (Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen). Diese Veränderungen sind umso ausgeprägter, je größer die Ausdehnung eines Hämangiom ist.

Diagnose

Es handelt sich um eine Blickdiagnose.

Bei Verdacht auf tief liegende Anteile des Hämangioms ist eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) ggf. auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) erforderlich.

Bei einem Hämangiom im Augenbereich und drohender Amblyopie (Schwachsichtigkeit) ist eine augenärztliche Mitbeurteilung erforderlich.

Bei einer kutanen Hämangiomatose (Vorliegen von zahlreichen Blutschwämmchen (Hämangiomen) gleichzeitig) muss eine viszerale Beteiligung (Beteiligung von Bauchorganen) ausgeschlossen werden. Dieses geschieht primär mittels Abdomen- (Bauchorgane) (insb Leber-) und Schädelsonographie/Ultraschall.

Bei Auftreten des Hämangioms im Sakralbereich (Kreuzbeinbereich) sollte eine Wirbelsäulensonographie zum Ausschluss eines "tethered cord" durchgeführt werden. Als Tethered Cord bezeichnet man eine krankhafte Anheftung im unteren Bereich des Rückenmarks, wodurch ein zu starker Zug auf die Nervenfasern entsteht.

Bei segmentalem Auftreten von Hämangiomen und Verdacht auf syndromale Erkrankungen sollten Begleitanomalien ausgeschlossen werden.

Therapie

Oftmals wird vor Beginn einer Therapie abgewartet, ob das Hämangiom sich spontan zurückbildet.

Ist dies nicht der Fall, gibt es folgende Therapiemöglichkeiten
[S2k-Leitlinie]:

  • Hämangiom-Typ: lokalisiert, plan
    • Kryotherapie/Kontaktkryotherapie (geeignet für oberflächliche Hämangiome mit einer Oberflächenausdehnung, die nicht wesentlich größer als 2 cm ist)
    • Laser (FPDL ("flashlamp pulse-dye laser")/IPL ("Intense-pulsed-light"-Therapie)beachte: Eindringtiefe ist mit 2 mm sehr gering
    • topische (örtliche) Therapie mit Propranolol ("Off-Label-Use")
  • Hämangiom-Typ: subkutan oder gemischt bzw. drohende Funktionsverlust oder relevante kosmetische Beeinträchtigung oder Ulzeration (Geschwürbildung), kein Ansprechen auf lokale Wundpflege
    • Behandlung mit einem oralen Propranolol (2-3 mg/kg KG Propranolol täglich in 2 Einzeldosen) (Therapie der ersten Wahl)
      • In einer Studie mit knapp 1.000 Patienten mit Hämangiomen (Durchschnittsalter 17,1 Monate) kam es nach Propranololtherapie (1,5-2,5 mg/kg KG) bei 25,3 % der Patienten zu einem Rebound. Risikofaktoren waren [2]:
        • Kinder bei Therapieende < 9 Lebensmonate versus Kinder zwischen 12 und 15 Lebensmonaten
        • tiefe Hämangiome
        • weibliches Geschlecht
    • Sequenzielle Therapie aus oralem Propranolol gefolgt von topischem Timolol konnte die Zeit der Propranolol-Therapie um 2,2 Monate verkürzen und ein erneutes Wachstum von Hämangiom verhindern [S2k-Leitlinie].
    • Eine Alternative zu Propranolol könnte Nadolol sein. Mit Nadolol wurde eine stärkere und schnellere Rückbildung von infantilen Hämangiomen erreicht [2].
  • Hämangiom-Typ: Residualzustand (Vorliegen eines zurückgebliebenen Restes)
    • Operation/Laser

Systemische Propranololtherapie

Indikationen 

  • Tiefliegende Hämangiome im Augenbereich mit drohender Verdrängung
  • Segmentale Hämangiome im Gesichtsbereich
  • Ausgedehnte segmentale Hämangiome am Stamm und/oder den Extremitäten
  • Lokalisierter Hämangiome im Anal- oder Genitalbereich
  • Ulzerierte Hämangiome
  • Hämangiome mit drohender dauerhafter kosmetische Beeinträchtigung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Herzrhythmusstörungen (AV-Block II. oder III. Grades, Sick-Sinus-Syndrome, sinuatrialer Block; Bradykardie)
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Myasthenia gravis – selten vorkommende Störung der neuromuskulären (von Nerv zu Muskel) Reizübertragung, die sich in einer schweren belastungsabhängigen Muskelschwäche und schnell einsetzender Ermüdbarkeit äußert.
  • Phäochromozytom – meist gutartiger Tumor, der überwiegend von der Nebenniere ausgeht und zu krisenhaften Blutdruckanstiegen führen kann
  • Raynaud-Syndrom – Durchblutungsstörungen an den Händen oder Füßen, die durch Vasospasmen (krampfartige Engstellung von Blutgefäßen) bedingt sind.
  • Hypoglykämien (Unterzuckerung)
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck)
  • Überempfindlichkeit gegenüber Propranolol

Nebenwirkungen

  • Schlafstörungen (1-10 % der Fälle)
  • Bronchospasmen  (1-10 % der Fälle)
  • Bradykardien, Hypotonie (< 1 % der Fälle)
  • Hypoglykämien (< 1 % der Fälle)

Falls durch die genannten Therapien keine ausreichenden Erfolge erzielt worden sind, können folgende Methoden eingesetzt werden:

  • Nd: YAG-Laser – seit der Etablierung der systemischen Propranololtherapie ist die Lasertherapie nur noch in Ausnahmefällen indiziert (gleiches gilt für die FPDL-Lasertherpaie)
  • Röntgentherapie
  • Behandlung mit Corticoiden (intraläsionale Steroide)
  • Gefäßchirurgie
  • Embolisation (künstlicher Verschluss der Blutgefäße)

Erwachsenenhämangiom

Erwachsenenhämangiome sind gutartige Gefäßtumoren, die im Erwachsenenalter auftreten können. Sie bilden sich oft plötzlich und sind häufig mit vorausgegangenen Traumata oder Wundinfektionen assoziiert.

Epidemiologie

  • Auftreten: Erwachsenenhämangiome können in jedem Alter auftreten, oft jedoch nach einem physischen Trauma oder einer Infektion der Haut.
  • Häufigkeit: Die genaue Prävalenz von Erwachsenenhämangiomen ist nicht so gut dokumentiert wie die von infantilen Hämangiomen, da sie seltener und oft kleiner und unauffälliger sind.

Verlauf und Prognose

  • Verlauf: Erwachsenenhämangiome können stabil bleiben oder langsam wachsen. In den meisten Fällen verursachen sie keine Symptome und bleiben kosmetisch unauffällig.
  • Prognose: Diese Hämangiome sind in der Regel gutartig und haben eine ausgezeichnete Prognose. Komplikationen sind selten, können jedoch auftreten, wenn die Hämangiome bluten oder sich infizieren.

Therapie

Die Behandlung von Erwachsenenhämangiomen ist meistens aus kosmetischen oder symptomatischen Gründen erforderlich. Die gängigsten Behandlungsmethoden sind verschiedene Lasertherapien:

Laserbehandlungen:

  • KTP-Laser (Kalium-Titanyl-Phosphat-Laser): Reagiert gezielt mit Hämoglobin, was die Blutgefäße des Hämangioms zerstört, ohne das umliegende Gewebe zu schädigen.
  • Argonlaser: Nutzt Argon-Gas, um das Hämoglobin im Hämangiom zu erhitzen und zu zerstören.
  • Kryptonionenlaser: Reagiert ähnlich wie der Argonlaser und zielt auf das Hämoglobin ab.
  • Rubinlaser: Wird auch zur Behandlung von Hämangiomen eingesetzt, insbesondere bei tiefer liegenden Gefäßen.
  • Farbstofflaser (Pulsed Dye Laser, PDL): Nutzt einen speziellen Farbstoff, der auf das Hämoglobin im Hämangiom abzielt und diese selektiv zerstört.

Chirurgische Entfernung: In seltenen Fällen, wenn das Hämangiom groß oder symptomatisch ist, kann eine chirurgische Entfernung in Betracht gezogen werden.

Zusammenfassung

Erwachsenenhämangiome sind gutartige, plötzlich auftretende Gefäßtumoren, die oft nach Hauttraumata oder Infektionen entstehen. Sie sind typischerweise rot und pilzförmig. Während sie in den meisten Fällen keine Symptome verursachen und keine Behandlung erfordern, können sie aus kosmetischen Gründen oder bei Komplikationen durch verschiedene Lasertherapien oder chirurgisch entfernt werden.

Literatur

  1. Shah SD et al.: Rebound growth of infantile hemangiomas after propranolol therapy. Pediatrics 2016 Apr;137(4). pii: e20151754. doi: 10.1542/peds.2015-1754. Epub 2016 Mar 7.
  2. Wu HW, Wang X, Zhang L, Zheng JW, Liu C, Wang YA: Topical Timolol Vs. Oral Propranolol for the Treatment of Superficial Infantile Hemangiomas. Front Oncol. 2018 Dec 18;8:605.Mannschreck DB, Huang AH, Lie E, Psoter K, Puttgen K: Topical timolol as adjunct therapy to shorten oral propranolol therapy for infantile hemangiomas. Pediatr Dermatol. 2019 Apr 9. doi: 10.1111/pde.13816.
  3. Pope E et al.: Noninferiority and Safety of Nadolol vs Propranolol in Infants With Infantile Hemangioma: A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2021; https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2021.4565

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Hämangiome, infantil im Säuglings- und Kleinkindesalter. (AWMF-Registernummer: 006 - 100), Oktober 2020 Langfassung