Zittern (Tremor) – Einleitung

Als Tremor – umgangssprachlich Zittern genannt – bezeichnet man unwillkürliche rhythmische Zuckungen von Muskelgruppen (eines oder mehrerer Körperabschnitte). Häufig sind die Hände betroffen, es kann jedoch auch der ganze Körper betroffen sein.

Synonyme und ICD-10: Zittern; ICD-10-GM R25.1-: Tremor, nicht näher bezeichnet) 

Klassifikationskriterien für Tremor nach der Movement Disorder Society

Der Tremor wird mithilfe des Klassifikationsvorschlages der Movement Disorder Society nach folgenden Kriterien eingeteilt:

  • Aktivierungsbedingung
    • Ruhetremor: Zittern tritt in entspanntem Zustand auf, wenn die Muskeln nicht aktiv bewegt werden.
    • Aktionstremor: Zittern tritt während einer willentlichen Muskelaktivität auf. Dieser wird weiter unterteilt in:
      • Haltetremor: Zittern tritt beim Halten einer Position gegen die Schwerkraft auf.
      • Ungrichteter Bewegungstremor: Zittern tritt während ungerichteter Bewegungen auf.
      • Zieltremor: Zittern tritt beim Ausführen gezielter Bewegungen auf, häufig intensiver je näher man dem Ziel kommt.
  • Frequenz
    • Niederfrequent: 2-4 Hz (Schwingungen pro Sekunde)
    • Mittelfrequent: 4-7 Hz
    • Hochfrequent: über 7 Hz
  • Intensität bzw. Amplitude
    • Feinschlägiger Tremor: kleine, schnelle Bewegungen.
    • Mittelschlägiger Tremor: mittelgroße Bewegungen.
    • Grobschlägiger Tremor: große, langsame Bewegungen.
  • Dauer der Erkrankung
    • Akut: kurzer Krankheitsverlauf.
    • Chronisch: länger andauernder Krankheitsverlauf.
  • Erblichkeit
    • Familiäre Häufung: Hinweise auf genetische Prädisposition.
    • Keine familiäre Häufung: sporadisches Auftreten.
  • Sonstige Symptome und anamnestische Angaben
    • Extrapyramidale Symptome wie Akinese oder Rigor.
    • Polyneuropathien und andere neurologische Auffälligkeiten.

Formen des Tremors

Isolierte Aktion- und Ruhetremorsyndrome

  • Aktionstremor
    • Haltetremor: Zittern tritt beim Halten einer Position gegen die Schwerkraft auf.
    • Isometrischer Tremor: Zittern tritt während isometrischer Muskelkontraktionen auf.
    • Kinetischer Tremor (ungerichteter Bewegungstremor): Zittern tritt während willkürlicher Bewegungen auf.
    • Essentieller Tremor (ET): Mittelschlägiger, mittelfrequenter Halte- und Bewegungstremor um 5-8 Hz, tritt ohne erkennbare neurologische Grunderkrankung auf. Mindestdauer des Tremors beträgt drei Jahre. Häufigste Tremorform (ca. 1 % der Bevölkerung).
  • Ruhetremor
    • Zittern tritt in entspanntem Zustand auf, wenn die Muskeln nicht aktiv bewegt werden.

Fokale Tremores

  • Stimm-, Kopf-, Kinn-, Gesichtstremor: Zittern betrifft spezifische Körperregionen.
  • Gaumensegeltremor: Zittern des Gaumensegels.
  • Orthostatischer Tremor (OT): Nicht-sichtbarer, hochfrequenter Tremor (12-20 Hz, meist bei 16 Hz) tritt beim Stehen auf.

Mit prominenten Zusatzsymptomen

  • Dystoner Tremor: Mittelschlägiger, mittelfrequenter Halte- und Bewegungstremor um 5-8 Hz, oft in Verbindung mit Dystonie.
  • Parkinson-Tremor: Mittelfrequenter Tremor (4-7 Hz), tritt bei Parkinson-Patienten auf.
  • Holmes-Tremor (Synonyme: rubraler Tremor, Mittelhirntremor, Myorhythmie, Bendikt-Syndrom): Niedrige Frequenz (2-5 Hz) und grobschlägige Amplitude, meist einseitiger Ruhe-, Halte- und Intentionstremor.
  • Intentionstremor: Zittern tritt bei zielgerichteten Bewegungen auf, oft intensiver je näher man dem Ziel kommt.

Sonstige

  • Neuropathischer Tremor: Frequenz von 4-8 Hz und grobschlägige Amplitude, zentral generiert, tritt häufig bei Patienten mit hereditärer motorischer und sensibler Neuropathie (HMSN) vom demyeliniserenden Typ (CMT 1) oder bei entzündlichen Neuropathien (z.B. CIDP, Neuropathie bei MGUS) auf.
  • Pathologischer Tremor
  • Physiologischer Tremor: Feinschlägiger, hochfrequenter Tremor (7-12 Hz).
  • Psychogener Tremor: Tremor mit psychogenen Ursachen.
  • Verstärkter (gesteigerter) physiologischer Tremor
  • Zerebellärer Tremor: Langsame Frequenz (2-5 Hz) und große Amplitude, tritt bei Schädigungen des Kleinhirns auf.

Am häufigsten kommen der verstärkte physiologische Tremor, der essentielle Tremor und der Parkinson-Tremor vor.

Ein Tremor kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Vom essentiellen Tremor sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen.

HäufigkeitsgipfelDer essentielle Tremor tritt vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auf. Kinder sind seltener betroffen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit):

  • Die Angaben zur Prävalenz des essentiellen Tremors schwanken stark (zwischen 0,014 und 20,5 %).
  • Ungefähr 4,6 % der über 65-Jährigen leiden an einem essentiellen Tremor.
  • Die Prävalenz des verstärkten physiologischen Tremors liegt bei über 50-Jährigen bei 9,5 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Der Verlauf eines Tremors ist stark von seiner Ursache abhängig.
  • Der essentielle Tremor verläuft langsam progredient, das heißt, die Symptome verschlechtern sich im Laufe der Zeit allmählich.
  • In manchen Fällen können die Symptome jedoch für lange Zeit stabil bleiben.
  • Phasen mit konstanter Symptomatik können auftreten, während andere Patienten ein Leben lang eine nahezu konstante Intensität des Tremors aufweisen.
  • Der verstärkte physiologische Tremor und andere Tremorformen können durch Auslöser wie Stress, Koffein oder bestimmte Medikamente verstärkt werden.

Prognose

  • Die Prognose des Tremors hängt von der zugrunde liegenden Ursache und der Art des Tremors ab.
  • Bei Patienten mit einem essentiellen Tremor kann die Erkrankung das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen. Selbst einfache Tätigkeiten wie Essen, Trinken und Schreiben können erschwert oder unmöglich gemacht werden.
  • Viele Betroffene ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück, was zu sozialer Isolation führen kann.
  • Bei Tremoren, die durch andere Erkrankungen verursacht werden, hängt die Prognose von der Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung ab.

Für die meisten Tremorarten gibt es keine Heilung, aber die Symptome können oft durch medikamentöse Behandlung, Therapie oder in schweren Fällen durch chirurgische Eingriffe wie tiefe Hirnstimulation (engl. Deep Brain Stimulation, DBS) gemildert werden. Regelmäßige ärztliche Überwachung und Anpassung der Behandlung können dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Tremor. (AWMF-Registernummer: 030-011). Juni 2022 Langfassung