Demenz – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Verlangsamung des Krankheitsprozesses – Ziel ist die symptomatische Behandlung und die Verzögerung des kognitiven Abbaus.
- Hinweis: Bei etwa 84 % aller Patienten mit vaskulärer Demenz (VD) ist auch eine Alzheimer-Pathologie nachweisbar. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, diese wie eine Alzheimer-Demenz (AD) mit Acetylcholinesterasehemmern (AChE-Hemmern) zu behandeln [S3-Leitlinien-Empfehlung].
Therapieempfehlungen
Alzheimer-Demenz
- Leichte bis mittelschwere Demenz:
- Acetylcholinesterasehemmer (z. B. Donepezil, Galantamin, Rivastigmin).
- Diese Substanzen können den Krankheitsverlauf um etwa 6-12 Monate verzögern, der Effekt nimmt danach häufig ab [1].
- Mittelschwere bis schwere Demenz:
- Memantin (N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptorantagonist) kann den Krankheitsfortschritt ebenfalls um 6-12 Monate hinauszögern.
- Kombinationstherapie:
- Für die Kombination von Acetylcholinesterasehemmern mit Memantin liegen bislang keine ausreichend evidenten Studiendaten vor.
- Gemischte Demenz:
- Patienten mit einer gemischten Demenz sollen entsprechend der Alzheimer-Demenz behandelt werden.
Krankheitsmodifizierende Therapien (Anti-Amyloid-Antikörper)
- Lecanemab*
- Seit April 2025 in der EU zugelassen.
- Zugelassen für Erwachsene mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder milder Alzheimer-Demenz bei nachgewiesener Amyloid-Pathologie.
- Anwendung nur bei ApoE ε4-Nichtträgern oder heterozygoten Trägern empfohlen.
- Erfordert regelmäßige intravenöse Infusionen und MRT-Kontrollen aufgrund des Risikos amyloidbedingter Anomalien (ARIA).
- Donanemab*
- Seit Juli 2025 in der EU zugelassen.
- Indiziert für Patienten mit frühsymptomatischer Alzheimer-Demenz und bestätigter Amyloid- und Tau-Pathologie.
- Besonderheit: Die Therapie kann beendet werden, sobald keine Amyloid-Plaques mehr nachweisbar sind.
- ARIA-Risiken und weitere Nebenwirkungen machen eine strenge Patientenselektion und engmaschige Überwachung erforderlich.
*Die beiden Amyloid-Antikörper Donanemab und Lecanemab können den Kognitionsverlust bei einer milden kognitiven Einschränkung (Mild Cognitive Impairment) oder einer beginnenden Alzheimer-Demenz auch langfristig über 3 bzw. 4 Jahre verlangsamen [11, 12].
Vaskuläre Demenz
-
Therapie vaskulärer Risikofaktoren: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie sowie Thromboseprophylaxe, um weitere vaskuläre Schädigungen zu verhindern.
Parkinson-Demenz und Lewy-Körper-Demenz
- Antipsychotika: Klassische und viele atypische Neuroleptika sind kontraindiziert, da sie Parkinson-Symptome verstärken können.
- Einsetzbare Substanzen: Clozapin (höchste Evidenz) und Quetiapin (geringere Evidenz).
- Antidementive Therapie: Für die Lewy-Körper-Demenz existiert keine zugelassene oder ausreichend belegte Medikation.
Frontotemporale Demenz (FTD)
-
Antidementive Therapie: Es existiert keine überzeugende Evidenz zur Behandlung kognitiver oder Verhaltenssymptome, daher kann keine spezifische Behandlungsempfehlung gegeben werden.
Begleitsymptome
- Agitation oder Psychose im Rahmen der Demenz:
- Risperidon, Aripiprazol (Antipsychotika); ggf. Citalopram (SSRI).
- Therapiebedürftige Depression:
- SSRI wie Citalopram, Escitalopram oder Sertralin.
- Beachte: Eine Übersichtsarbeit aus Bern und Ulm konnte für den Einsatz dieser Medikamente keinen eindeutigen klinischen Effekt nachweisen.
Fazit
Die Behandlung von Demenzerkrankungen konzentriert sich auf die Verzögerung des Krankheitsverlaufs und die Linderung von Begleitsymptomen. Für die Alzheimer-Demenz stehen Acetylcholinesterasehemmer und Memantin zur Verfügung, während für andere Demenzformen nur begrenzte oder keine evidenzbasierten Therapieoptionen existieren. Bei gemischten Demenzformen wird ein Behandlungsansatz analog zur Alzheimer-Demenz empfohlen.
Weitere Hinweise
- Nootropika (Arzneistoffe, die zur Behandlung einer Demenz eingesetzt werden) können nicht empfohlen werden.
- Für Medikamente wie Glucocorticoide, NSAID, Östrogene, Sekalealkaloide, Selegelin oder HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine) liegen derzeit keine Empfehlungen vor.
- Trizyklische Antidepressiva sollten bei Depression im Rahmen der Demenz nicht eingesetzt werden (wg. anticholinerger Nebenwirkungen).
- In einer Studie mit mehr als 45.000 Demenzpatienten die Antipsychotika (Neuroleptika) einnahmen, wurde eine erhöhte Mortalität (im Vergleich zum Kontrollkollektiv) während einer Beobachtungszeit von 180 Tagen für folgende Medikamente festgestellt [3]:
- Haloperidol: Mortalität 20 % mit Medikation versus 8,4 % ohne Medikation; adjustierte Risikodifferenz 3,8 %; NNH (Number Needed to Harm) 26
- Olanzapin: 13,9 % versus 9,8 %; 2,5 %; 40
- Quetiapin 11,8 % versus 8,2 %; 2,0 %; 50
- Risperidon: 13,9 % versus 8,5 %; 3,7 %; 27
- Valproinsäure: 12,2 % versus 7,2 %; 4,1 %
- Antidepressiva (ohne Trizyklika und MAO-Hemmer): 8,3 % versus 8,0 %; 0,6 %; 166
- Eine Behandlung von Agitation und Aggression mit Valproat wird nicht empfohlen [2].
- Alzheimer-Patienten mit psychotischem Verhalten, starker Agitiertheit oder Aggressionen haben nach Absetzen von Risperidon eine 80 % Rückfallrate bei halluzinierenden Patienten (3-fach erhöhte Rate); bei Patienten mit sehr ausgeprägter Reizbarkeit zum Studienbeginn erlitten unter Risperidon 4 von 21 (19 %) ein Rezidiv, aber fast alle (13 von 14) ohne das Antipsychotikum [6].
- Deprescribing von Hochdruckmedikamenten
- Wg. Antihypertonika-Reduktion (Blutdrucksenkungsmittel): in einer Studie wurden bei 385 mindestens 75-jährigen Patientin mit mildem kognitiven Defizit (MMS E 21-27 Punkte) 4 Monate die Antihypertensiva abgesetzt. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe gab es danach bei den Demenzparameter keine Unterschiede; auch in den einzelnen kognitiven Domänen (z. B. Gedächtnis, exekutive Funktionen und psychomotorische Geschwindigkeit) schnitten beide Gruppen gleich ab [4].
- Bei älteren Pflegeheimbewohnern war das Deprescribing seltener mit einem kognitiven Abbau assoziiert als eine stabile Hochdrucktherapie [10].
- Am häufigsten verschriebene, potenziell problematische Medikamenten(klassen) bei Demenz sind einzelne Antihypertensiva und Antidiabetika, Antihistaminika/Antiemetika und Anticholinergika mit urologischer Indikation sowie Protonenpumpeninhibitoren (PPI; Säureblocker), Gabapentin, NSAR und Opioide [8].
- Eine Metaanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass ACE-Hemmer oder Angiotensinblocker, die die Blut-Hirn-Schranke passieren, im Alter den Rückgang der Gedächtnisleistungen verlangsamen und die Patienten damit besser vor einer Demenz schützen können [7].
Antidementive pharmakologische Behandlung [S3-Leitlinie]
Antidementive pharmakologische Behandlung |
Stadium der leichten Demenz | Stadium der mittelschweren/ moderaten Demenz |
Stadium der schweren Demenz |
Alzheimer-Demenz (AD) gemischte Demenz (GD) |
AD: Donepezil (B), Galantanin (B), Rivastigmin (B) GD: Donepezil (0), Galantanin (0), Rivastigmin (0) |
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AD: Menantin (B) GD: Menantin (0) |
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Off-Label: AD: Donep. (B), (Galant.) (B) GD: Donep. (0), (Galant.) (0) Memantin + Domepezil (0) |
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Vaskuläre Demenz | Off-Label: Donepezil (0), Galantanin (0), Rivastigmin (0), Memantin (0) |
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Frontotemporale Demenz (FTD) | Keine Therapieempfehlung | ||
Lewy-Körperchen-Demenz | Off-Label: Donepezil (0), Verhaltenssymbole: Rivastigmin (0) klinischer Gesamteindruck und Verhaltesnsymptome: Memamtin (0) |
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Demenz bei M. Parkinson | Rivastigmin-Kapsel (B) Off-Label: Rivastigmin-Pflaster (B) Off-Label: Donepezil (B) |
Keine Empfehlung |
Legende:
- Empfehlungsgrade: A="Soll-Empfehlung"; B="Sollte-Empfehlung"; 0="Kann-Empfehlung"
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Nerven und Psyche sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Mineralstoffe (Magnesium)
- Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
- Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin)
Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge einer Demenz s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- Jessen F: Der Internist. Therapie von Demenzerkrankungen July 2014, Volume 55, Issue 7, pp 769-774
- S3-Leitlinie: Demenzen - Living Guideline. (AWMF-Registernummer:038-013), Februar 2025 Langfassung
- Maust DT et al.: Antipsychotics, Other Psychotropics, and the Risk of Death in Patients With Dementia. Number Needed to Harm. JAMA Psychiatry 2015, epub 18.3.2015, doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.3018
- Moonen J et al.: Effect of Discontinuation of Antihypertensive Treatment in Elderly People on Cognitive Functioning – the DANTE Study Leiden; JAMA Intern Med 2015; 24. August 2015; doi: 10.1001/jamainternmed.2015.4103
- Schmidt R et al.: EFNS-ENS/EAN Guideline on concomitant use of cholinesterase inhibitors and memantine in moderate to severe Alzheimer's disease. Eur J Neurol. 2015 Mar 25. doi: 10.1111/ene.12707.
- Patel AN: Prediction of Relapse After Discontinuation of Antipsychotic Treatment in Alzheimer’s Disease: The Role of Hallucinations. American Journal of Psychiatry 2016, epub 18.11.16, http://dx.doi.org/10.1176/appi.ajp.2016.16020226
- Ho JK et al.: Blood-Brain Barrier Crossing Renin-Angiotensin Drugs and Cognition in the Elderly: A Meta-Analysis Hypertension. ;0:HYPERTENSIONAHA.121.17049 publised 21 Jun 2021 https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.121.17049
- Deardorff WJ et al.: Medication misuse and overuse in community-dwelling persons with dementia. J Am Geriatr Soc 2023; https://doi.org/10.1111/jgs.18463
- Lenouvel E et al.: Antidepressants for treating depression among older adults with Dementia: A Systematic Review and Meta-Analysis, Psychiatry Research (2024), https://doi.org/10.1016/j.psychres.2024.116114
- Jing B et al.: Deprescribing of Antihypertensive Medications and Cognitive Function in Nursing Home Residents. JAMA Intern Med 2024; https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2024.4851
- van Dyck C et al.: Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease N Engl. J Med. 2023;388:9-21 doi: 10.1056/NEJMoa2212948
- Sims JR et al.: Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial JAMA 2023;330(6) doi:10.1001/jama.2023.13239
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Demenzen - Living Guideline. (AWMF-Registernummer:038-013), Februar 2025 Langfassung