Entzündung des äußeren Genitales (Vulvitis) – Einleitung

Bei der Vulvitis (Plural: Vulvitiden) handelt es sich um Entzündung des äußeren Genitales, der Vulva.

Synonyme und ICD-10: akute Infektion der Labia majora pudendi; akute Infektion der Labia minora pudendi; akute Vulvainfektion; akute Vulvitis; allergische Vulvitis; aphthöse Vulvitis; atrophische Vulvitis; Candida albicans-Vulvovaginitis; chronische Vulvitis; Entzündung der Labia majora pudendi; Entzündung der Labia minora pudendi; erosive Vulvitis; gangränöse Vulvitis; hypertrophische Vulvitis; intertriginöse Vulvitis; Labienentzündung; Schamlippenentzündung; Schamlippeninfektion; Schamlippenkatarrh; senile Vulvitis; subakute Vulvitis; Vulvaentzündung; Vulvainfektion; Vulvitiden; Vulvitis allergica; Vulvovaginalkandidose; ICD-10-GM N76.2: Akute Vulvitis

Vulvitiden treten sehr häufig in Verbindung mit Kolpitiden (Scheidensentzündungen) und umgekehrt auf. Oft ist nicht klar, welche die primäre Ursache ist. Deswegen werden Vulvitis und Vaginitis (Scheidenentzündung) im ICD 10 sozusagen als Oberbegriff „Vulvovaginitis" gemeinsamen genannt und dann weiter differenziert. Klinisch sind Symptome und Krankheitsbilder im Bereich des äußeren Genitales, also Vulvitiden, sehr viel häufiger als Kolpitiden. Deshalb werden beide Krankheitsbilder – obwohl sie häufig gemeinsam auftreten – getrennt dargestellt (s. Kap. Kolpitis/Vaginitis). Da die Grundlagen der Vulvovaginitis z. T. sehr komplex sind, sind einige Grundlagen bei dem Kapitel Kolpitis unter dem Subthema" Anatomie-Physiologie" dargestellt.

Anatomie

Vulva: Besteht aus dem Venushügel, den großen und kleinen Schamlippen (Labia majora pudendi, Labia minora pudendi), der Klitoris und dem Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae), in dem die Harnröhre (Urethra) und zahlreiche Drüsen (klinisch wichtig ist die Bartholinische Drüse) münden. Das Hymen (Jungfernhäutchen) bildet die obere Begrenzung zur Scheide.

Besonderheiten

  • Die Vulva und insbesondere der Introitus vaginae (Scheideneingang) sind stark innerviert, wodurch Entzündungen oft frühzeitig bemerkt werden.
  • Das äußere Genital ist durch ein mehrschichtiges Plattenepithel relativ widerstandsfähig gegen mechanische Reize und Infektionen.
  • Der Introitus vaginae ist durch ein zartes Epithel besonders empfindlich, sodass selbst leichte Berührungen schmerzhaft sein können.

Formen der Vulvitis

Nach Ursache 

  • Primäre Vulvitis: Ursache ist eine Infektion der Vagina (Scheide)
  • Sekundäre Vulvitis: Ursache ist eine Infektion benachbarter Organe (v. a. Anus (After), Urethra (Harnröhre))

Nach Klinik 

  • Akute Vulvitis: Mit akuten, ausgeprägten Beschwerden und einer Labordiagnose.
  • Subakute Vulvitis: Klinisch weniger heftige Symptomatik als akut, mit geringen oder fehlenden Beschwerden, jedoch mit einer Labordiagnose.
  • Chronische Vulvitis: Oft fehlende oder chronisch rezidivierende Beschwerden und einer Labordiagnose.
  • Infektiöse Vulvitis: Durch bakterielle, virale, pilzliche oder parasitäre Erreger.
  • Nichtinfektiöse Vulvitis: Ursachen wie Allergien, Hauterkrankungen oder mechanische Reizungen.

Ätiologie (Ursachen)

  • Bakterien: Z. B. Gonokokken, Streptokokken, Staphylokokken.
  • Pilze: Candida albicans.
  • Viren: Z. B. Herpesviren.
  • Parasiten: Z. B. Trichomonaden.
  • Nichtinfektiöse Faktoren: Allergien, Hauterkrankungen, mechanische Reizungen.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Die Häufigkeit von Vulvitis variiert je nach Lebensphase und zugehörigen Risikofaktoren. Die Erkrankung tritt gehäuft nach der Pubertät, während der Geschlechtsreife bis hin zur Menopause auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Genauere Zahlen zur Gesamtprävalenz sind schwer zu bestimmen, da viele Fälle unerkannt bleiben oder nicht gemeldet werden. Entzündungen sind in jedem Alter möglich, treten aber gehäuft nach der Pubertät, in der Zeit der Geschlechtsreife bis zur Menopause auf. In der Kindheit sind Oxyuren (Madenwürmer), in der Geschlechtsreife Infektionen, in der Menopause atrophische Vulvitiden (Östrogenmangel-bedingte Vulvitis) häufig.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Konkrete Inzidenzdaten fehlen häufig, aber Vulvitis ist eine der häufigsten Gründe für gynäkologische Konsultationen bezüglich Entzündungen im Genitalbereich.

Infektionsepidemiologie 

Erreger: Zu den häufigen Erregern zählen Bakterien (z. B. Gonokokken, Streptokokken, Staphylokokken), Pilze (vor allem Candida albicans), Viren (z. B. Herpesviren) und Parasiten (z. B. Trichomonaden).

Erregerreservoir:
Das Erregerreservoir umfasst sowohl die menschliche Flora als auch sexuelle Partner, was die Übertragung durch engen körperlichen Kontakt erklärt.

Vorkommen:
Global verbreitet, mit Variationen in der Prävalenz je nach Erreger und regionalen Gesundheitsbedingungen.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung:
Häufig erfolgt die Übertragung durch Geschlechtsverkehr, kann aber auch durch nicht-sexuelle Kontakte wie gemeinsame Nutzung von Handtüchern oder unsachgemäße Hygiene erfolgen.

Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Variiert je nach Erreger; sexuell übertragbare Erreger wie Gonokokken und Herpesviren sind besonders kontagiös.

Übertragungsweg:
Meist sexuell, aber auch durch direkten Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder durch Autoinokulation.

Eintrittspforte:
Die Schleimhäute der Vulva und der Vagina dienen als Eintrittspforten.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Je nach Erreger; bei bakterieller Vulvitis oft weniger als eine Woche.

Krankheitsdauer:
Kann von wenigen Tagen bis zu Wochen reichen, abhängig von der Ursache und Behandlung.

Dauer der Infektiosität:
Abhängig vom spezifischen Erreger und dem Zeitpunkt der Behandlung.

Erregerspezifische Immunität: Bildet sich in einigen Fällen, insbesondere bei viralen Infektionen wie Herpes simplex, aber oft nicht vollständig schützend bei bakteriellen Infektionen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akute Vulvitis: Geht meist mit starken Schmerzen, Rötung, Schwellung und Ausfluss einher. Bei adäquater Behandlung klingen die Symptome innerhalb weniger Tage ab.
  • Subakute Vulvitis: Mildere Symptomatik, kann über Wochen bestehen bleiben, oft ohne schwere Beschwerden.
  • Chronische Vulvitis: Langanhaltende oder wiederkehrende Beschwerden, oft mit rezidivierenden Episoden. Kann zu dauerhaften Veränderungen der Vulva führen.

Prognose

  • Besser bei gezielter Therapie: Akute und subakute Formen haben eine gute Prognose bei frühzeitiger und gezielter Therapie der zugrunde liegenden Ursache.
  • Chronische Formen: Erfordern oft eine langfristige und multidisziplinäre Behandlung, um Rezidive zu verhindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Leitlinien

  1. Centers for Disease Control and Prevention. Sexually transmitted diseases treatment guidelines, 2006. MMWR 2006 b; 55: 1-94
  2. BASHH: United Kingdom National Guideline on the Management of Vulvovaginal Candidiasis (2007)