Milzriss (Milzruptur) – Einleitung

Eine Milzruptur, umgangssprachlich Milzriss genannt, bezeichnet einen Riss der bindegewebigen Milzkapsel, mit oder ohne Parenchymverletzung, der traumatischer oder nicht traumatischer Ursache sein kann.

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM S36.0-: Verletzung der Milz

Pathophysiologie

Die Milzruptur kann durch verschiedene Mechanismen entstehen. Ein häufiges Szenario ist ein stumpfes Bauchtrauma, bei dem die Milz durch äußere Gewalteinwirkung verletzt wird. Perforierende Verletzungen, wie Stich- oder Schussverletzungen, sind seltener, können aber ebenfalls zu einer Milzruptur führen. Nicht-traumatische Rupturen treten bei pathologisch vergrößerter Milz (Splenomegalie) infolge von Infektionen oder hämatologischen Erkrankungen auf.

Formen der Milzruptur

  1. Traumatische Milzruptur:
    • Stumpfes Abdominaltrauma (häufigste Ursache)
    • Perforierende Abdominaltrauma (z. B. Stich- oder Schussverletzungen)
  2. Nicht-traumatische Milzruptur:
    • Infektionserkrankungen (z. B. infektiöse Mononukleose, Malaria)
    • Hämatologische Erkrankungen (z. B. Leukämien/Blutkrebs)
    • Spontane Rupturen bei Splenomegalie (Milzvergrößerung)

Klassifikation nach Schweregrad (Typen 1-5)

  1. Typ 1: Subkapsuläres Hämatom (Bluterguss unterhalb der Kapsel), nicht tiefer als 1 cm
  2. Typ 2: Parenchymriss mit Ausdehnung bis zu 3 cm, keine Gefäßbeteiligung
  3. Typ 3: Parenchymriss größer als 3 cm, möglicherweise mit Gefäßbeteiligung
  4. Typ 4: Segmentale oder komplette Gefäßverletzung mit devitalisiertem Milzgewebe
  5. Typ 5: Zerstörung des Milzgewebes oder Abriss am Hilus

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen, bedingt durch ein höheres Risiko für traumatische Verletzungen.

Häufigkeitsgipfel: Junge Erwachsene und Männer mittleren Alters.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Genaue Prävalenzangaben sind nicht verfügbar, da Milzrupturen häufig im Rahmen von polytraumatischen Verletzungen auftreten.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Abhängig von der Häufigkeit von Verkehrsunfällen, Sportverletzungen und anderen traumatischen Ereignissen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Einzeitige Milzruptur: Gleichzeitiger Riss von Kapsel und Parenchym führt zu sofortigen Symptomen einer hämorrhagisch-bedingten Hypovolämie.
  • Zweizeitige Milzruptur: Initialer Parenchymriss mit subkapsulärem Hämatom (Bluterguss unter der Kapsel), gefolgt von einer späteren Kapselruptur und plötzlicher Verschlechterung des Zustands.

Prognose

  • Konservative Therapie: Bei geringem Schweregrad und stabilen Vitalzeichen ist eine engmaschige Überwachung und konservative Behandlung möglich.
  • Operative Therapie: Bei schweren Verletzungen häufig notwendig. Wenn möglich, wird Milz-erhaltend operiert. Bei ausgedehnten Verletzungen ist eine Splenektomie (operative Entfernung der Milz) erforderlich.
  • Kinder: In über 75 % der Fälle kann die Milz erhalten werden.
  • Erwachsene: Milzerhaltung in bis zu 65 % der Fälle möglich.
  • Nach Splenektomie*: Risiko für OPSI (overwhelming postsplenectomy infection). Pneumokokken-Impfung postoperativ erforderlich.

*Nach einer Splenektomie besteht in 1-5 % der Fälle die Gefahr eines Postsplenektomie-Syndrom (OPSI-Syndrom, engl. overwhelming postsplenectomy infection syndrome; foudroyant verlaufende Sepsis (Blutvergiftung)).

Beachte: Im Falle einer Splenektomie muss umgehend postoperativ eine Pneumokokken-Impfung erfolgen. Dabei handelt es sich um eine Indikationsimpfung für Risikogruppen. Die Dauer des Impfschutzes ist individuell sehr unterschiedlich, etwa 3-5 Jahre!

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Milzruptur, traumatisch im Kindesalter (AWMF-Registernummer: 006-112), April 2020 Langfassung