Blutungsneigung – Labordiagnostik
Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen
- Kleines Blutbild – Beurteilung der Thrombozytenzahl (Blutplättchen) [↓ bei Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen), ↑ bei reaktiver Thrombozytose (vermehrte Bildung von Blutplättchen)]
- Differentialblutbild – Nachweis von Blasten (unreifen Blutzellen), Dysplasien (Fehlbildungen) oder Reifungsstörungen (bei Leukämien (Blutkrebs), Myelodysplasien (Erkrankungen der Blutbildung))
- Gerinnungsparameter – Blutungszeit, aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), Quick bzw. International Normalized Ratio (INR)
- Bestimmung einzelner Gerinnungsfaktoren:
- Gerinnungsfaktor VIII [↓ bei Hämophilie A (Bluterkrankheit Typ A)]
- Gerinnungsfaktor IX [↓ bei Hämophilie B (Bluterkrankheit Typ B)]
- Von-Willebrand-Faktor (vWF; Synonyme: Gerinnungsfaktor-VIII-assoziiertes Antigen, von-Willebrand-Faktor-Antigen, vWF-Ag) [↓ bei Von-Willebrand-Syndrom (erblich bedingte Blutgerinnungsstörung)]
- Thrombozytenfunktionstests – z. B. Aggregometrie, PFA-100-Analyse (bei Verdacht auf Thrombozytopathien (Funktionsstörungen der Blutplättchen))
- ggf. weitere Gerinnungsfaktoren (XI, XIII, Fibrinogen (Eiweißstoff der Blutgerinnung)) bei unklarer Blutungsneigung
Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung
- Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) [↑ bei entzündlichen Prozessen oder Vaskulitiden (Gefäßentzündungen)]
- Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH), Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT), alkalische Phosphatase (AP), Bilirubin [↑ bei Leberinsuffizienz (Leberversagen) mit reduzierter Synthese von Gerinnungsfaktoren]
- Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin, ggf. Cystatin C bzw. Kreatinin-Clearance [↑ bei urämisch bedingter Thrombozytenfunktionsstörung (durch Nierenversagen verursachte Funktionsstörung der Blutplättchen)]
- Autoimmunserologie – ANA (antinukleäre Antikörper), ANCA (Antikörper gegen zytoplasmatische Bestandteile neutrophiler Granulozyten), Komplementfaktoren C3/C4 (bei Vaskulitisverdacht (Verdacht auf Gefäßentzündung))
- Paraproteinnachweis – Serum- und Urin-Elektrophorese (bei Verdacht auf monoklonale Gammopathie (krankhafte Bildung eines Antikörpers) oder multiples Myelom (Knochenmarkkrebs))
- Vitaminstatus – Vitamin K, Vitamin C, Folsäure, Vitamin B12 (Mangelzustände als Blutungsursache)
- D-Dimere [↑ bei disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC; Blutgerinnungsstörung) oder Thrombosen (Blutgerinnsel)]
- Fibrinogen [↓ bei Verbrauchskoagulopathie (Verbrauch von Gerinnungsfaktoren), ↑ bei akuter Phase oder Tumorprogression (Tumorwachstum)]
- Laktatdehydrogenase (LDH) [↑ bei hämolytischen Prozessen (Zerfall roter Blutkörperchen) oder hoher Tumorlast (große Tumormasse im Körper)]
- Retikulozyten [↑ bei kompensatorischer Erythropoese (vermehrte Blutneubildung) nach Hämolyse (Auflösung roter Blutkörperchen)]
- Knochenmarkdiagnostik – bei Verdacht auf Infiltration (Eindringen) durch maligne (bösartige) oder metastatische (Tochtergeschwulst-) Zellen (Leukämien, Lymphome (Lymphdrüsenkrebs), Metastasen, Myelofibrose (Verfaserung des Knochenmarks))
Weitere Hinweise
Bei unauffälligen Laborbefunden oder persistierender Blutungsneigung trotz Normalwerten sollten differentialdiagnostisch erwogen werden:
- IgA-Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch, IgAV) – palpable Petechien (tastbare punktförmige Blutungen)/palpable Purpura (tastbare flächige Blutungen), bevorzugt an Beinen und Gesäß
- Osler-Weber-Rendu-Krankheit (Synonyme: Morbus Osler, Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie, HHT) – Teleangiektasien (erweiterte kleine Blutgefäße) v. a. in Nase (Epistaxis (Nasenbluten)), Mund, Gesicht und Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt)
- Senile Purpura und steroidinduzierte Purpura – flächige Hautblutungen an Handrücken und Unterarmstreckseiten
- Tumorassoziierte Blutungsneigung – durch Knochenmarkinfiltration (Tumorzell-Eindringen ins Knochenmark), Verbrauchskoagulopathie (DIC), paraneoplastische Gerinnungsstörung (durch Tumor vermittelte Blutgerinnungsstörung) oder Zytopenien (Mangel an Blutzellen) unter Chemotherapie
- Systemische Grunderkrankungen – Leberinsuffizienz (Leberversagen), Niereninsuffizienz (Nierenversagen), Vitamin-K-Mangel, hämatologische Neoplasien (bösartige Bluterkrankungen)
Red Flags (Warnzeichen) bei erhöhter Blutungsneigung
- Plötzlich einsetzende, generalisierte Hautblutungen (Petechien (punktförmige Blutungen), Purpura (flächige Hautblutungen), Ekchymosen (großflächige Blutergüsse)) ohne erkennbaren Auslöser
- Starke Schleimhautblutungen (Epistaxis (Nasenbluten), Gingivablutungen (Zahnfleischbluten), Menorrhagien (starke Monatsblutungen)) mit Blutungszeit > 15 Minuten
- Hämatome (Blutergüsse) nach Bagatelltraumata oder spontan auftretende Hämatome
- Gleichzeitige Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) < 50 G/l oder Nachweis von Fragmentozyten (Zellbruchstücken) im Blutausstrich (Hinweis auf mikroangiopathische Prozesse (Gefäßveränderungen kleinster Gefäße))
- Laborzeichen einer disseminierten intravasalen Gerinnung (D-Dimere ↑, Fibrinogen ↓, Thrombozyten ↓, INR ↑, aPTT ↑)
- Kombination von Anämie (Blutarmut), Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) und Leukozytenveränderungen (Veränderungen der weißen Blutkörperchen) – Verdacht auf Knochenmarkinfiltration (Eindringen von Tumorzellen in das Knochenmark) oder hämatologische Neoplasie (bösartige Bluterkrankung)
- Blutungsneigung mit Ikterus (Gelbsucht) und Transaminasenerhöhung (Leberenzymerhöhung) – Hinweis auf fortgeschrittene Lebererkrankung
- Blutungsneigung mit Kreatininanstieg (erhöhter Nierenwert) – Hinweis auf urämische Thrombozytenfunktionsstörung (durch Nierenversagen bedingte Blutplättchenstörung)