Ursachen
Isolierte HDL-Erniedrigung (Hypercholesterinämie)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das HDL-Cholesterin ist in der Lage, Cholesterin aus den Gefäßen – auch aus bereits bestehenden Ablagerungen – aufzunehmen und zurück zur Leber zu transportieren (reverser Cholesterintransport, RCT) mit dem Ziel der Exkretion des Cholesterins; diese geschieht entweder direkt oder nach Umbau zu Gallensäuren.

Bei genetisch bedingten Formen der HDL-Erniedrigung kommt es durch Mutationen in den betreffenden Genen zu der Störung der Synthese und des Katabolismus des HDL.

Inzwischen liegen Studien vor, die die These stützen, dass funktionelle HDL-Eigenschaften wichtiger sind als die absolute Höhe des HDL-Serumspiegels. Dazu nachfolgend eine kurze Ausführung zu High-Density-Lipoproteine (HDL) und seine Transportfunktion: Zentrale Funktion des HDLs beim Rücktransport von Cholesterin aus lipidreichen Zellen der Gefäßwand zur Leber ist die anschließende Entfernung und Aufnahme von Cholesterin aus Makrophagen ("Fresszellen") oder Schaumzellen (Cholesterin-Efflux). Die Cholesterin-Efflux-Kapazität (in-vitro messbar) wird damit zum Maß für die Funktionalität des HDL-Cholesterin.
In einer prospektiven Studie wurden 2924 Erwachsene (Alter: 30 bis 65 Jahre) ohne Anzeichen einer kardiovaskulären Erkrankung u.a. mittels der Cholesterin-Efflux-Kapazität analysiert [1]. Ergebnis: Je niedriger die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) für kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. Myokardinfarkt/Herzinfarkt), desto höher war der Cholesterin-Efflux. Dagegen bestand keine signifikante Korrelation von kardiovaskulären Ereignissen mit der absoluten Höhe der HDL-Serumspiegel. Funktionelle Eigenschaften des HDLs scheinen somit von größerer Bedeutung zu sein als die absolute Höhe des HDL-Serumspiegels.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Genetisches Risiko abhängig vom mutierten Genen, die mit einer HDL („high-density lipoprotein“)-Defizienz einhergehen:
      • APOA1 (Apolipoprotein A1):
        • Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen): ApoA1-Defizienz (OMIM/Online Mendelian Inheritance in Man 107680): nahezu) vollständiger HDL-Mangel mit HDL-C-Werten von < 10 mg/dl bzw. < 0,3 mmol/l; Korneatrübungen (Hornhauttrübung), planare Xanthome (kleine gelblich-weiße Hautveränderungen der Haut der Handinnenflächen) und vorzeitige Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung)
        • Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Familiäre Amyloidose bei einigen Varianten (OMIM 105200; evtl. frühzeitige Koronare Herzkrankheit (KHK)/Herzkranzgefäßerkrankung)
      • ABCA1 ("ATP-binding cassette transporter A1"):
        • Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen): Tangier-Krankheit (OMIM 205400): periphere Neuropathie, orange Tonsillen (Gaumenmandeln), Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzvergrößerung), vorzeitige Atherosklerose
        • Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Keine (evtl. frühzeitige KHK)
      • LCAT (Lecithin-Cholesterin-Acetyltransferase):
        • Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen):
          • LCAT-Defizienz (OMIM 245900): Korneatrübungen (Hornhautrübungen), Nephropathie (Nierenerkrankung; Proteinurie, GFR ↓), hämolytische Anämie (Blutarmut (Anämie), die durch einen erhöhten bzw. vorzeitigen Zerfall von Erythrozyten (Hämolyse) bedingt ist)
          • Fischaugen-Krankheit (OMIM 136120): LCAT-Mangel, jedoch mit einer partiellen Verminderung der LCAT-Aktivität. Im Gegensatz zum familiären LCAT-Mangel; Korneatrübungen (noch stärker ausgeprägt als beim familiären LCAT-Mangel);  Nephropathie und hämolytische Anämie sind in der Regel nicht nachweisbar
        • Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Keine (evtl. frühzeitige KHK)
    • Die aktuellen genetische Daten stellen die Sichtweise einer generellen protektiven Rolle des HDL‑Cholesterins im Hinblick auf die Koronare Herzkrankheit (KHK) in Frage.
  • Hormonelle Faktoren – Menopause

Verhaltensbedingte Ursachen, die bei der Hypercholesterinämie bekannt sind 

  • Ernährung
    • Hohe Aufnahme von Trans-Fettsäuren [2, 3] (10-20 g/Tag; z. B. Backwaren, Chips, Fast-Food-Produkte, Fertiggerichte, frittierte Speisen wie Pommes frites, Frühstücksflocken mit Fettzusatz, Snacks, Süßwaren, Trockensuppen)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) → systemische Inflammation (Entzündung)
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

HDL-Erniedrigung

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Fettsucht)**
  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Diabetes mellitus Typ 2** (Zuckerkrankheit)
  • Gaucher-Krankheit (Synonym: Gaucher-Syndrom) – häufigste lysosomale Speicherkrankheit (Störung des Fettstoffwechsels), autosomal-rezessiv vererbt
  • Hyperkortisolismus** (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol)
  • Hypertriglyzeridämie (Fettstoffwechselstörung mit Erhöhung der Triacylglyceride) – schwere Form*; moderate Form**
  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
  • Malnutrition (Fehl-/Mangelernährung)
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
  • Wachstumshormonmangel (Hyposomatotropismus, GHD, englisch growth hormone deficiency) 
  • Wachstumshormonexzess**

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • AIDS *(„Acquired immunodeficiency syndrome“)
  • Sepsis* (Blutvergiftung)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Cholestase (Gallenstau)
  • Hepatitis (Leberentzündung)
  • Leberinsuffizienz*/Funktionsstörung der Leber mit teilweisem oder vollständigem Ausfall ihrer Stoffwechselaufgaben (akutes Leberversagen, dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz/Rechtsherzschwäche, Leberzirrhose/irreversible Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes)

Neubildungen (C00-D48)

  • Autoimmun-lymphoproliferatives Syndrom*
  • B‑Zell-Lymphome*
  • Leukämien* (Blutkrebs)
  • Plasmozytom* (multiples Myelom)

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Hypertriglyzeridämie (Fettstoffwechselstörung mit Erhöhung der Triacylglyceride)  schwere Form**; moderate Form*
  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
  • Systemische Inflammation*, z. B. wg. chronisch-entzündlicher Erkrankungen oder chronischer Nierenerkrankung [4, 5]

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Niereninsuffizienz – Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt

Verdauungssystem (K00-K93)

  • Dünndarmerkrankungen*,  entzündliche

Medikamente

  • Anabolika* (Senkung um bis zu 70 % [5]) – Substanzen, die den Aufbau von körpereigenem Gewebe vorwiegend durch eine verstärkte Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) fördern wie beispielsweise Nandrolon
  • Antiretrovirale Medikamente** (einige aus dieser Gruppe)
  • Androgene (Testosteron)
  • Betablocker** (Arzneistoffe, die im Körper β-Rezeptoren blockieren und so die Wirkung der „Stresshormone“ Noradrenalin und Adrenalin hemmen; sie dienen der Senkung der Ruheherzfrequenz und des Blutdrucks; Einsatzgebiete sind der Bluthochdruck und die Koronare Herzkrankheit)
  • Probucol*
  • Rekombinantes humanes Interleukin-10*
  • Thiaziddiuretika**

*Stark erniedrigtes HDL-Cholesterin (< 20 mg/dl bzw. 0, 5 mmol/l)
**Moderat erniedrigtes HDL-Cholesterin (< Idealwerte)

HDL-Erhöhung

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholkonsum

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Alkoholismus (Alkoholabusus)

Medikamente

  • Carbamazepin (Antikonvulsivum/Antiepileptikum)
  • Nicotinsäure – Vitamin aus dem B-Komplex
  • Östrogene – weibliche Geschlechtshormone
  • Phenytoin (Antikonvulsivum/Antiepileptikum)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Exposition von Chlorkohlenwasserstoffen

Literatur

  1. Rohatgi A et al.: HDL Cholesterol Efflux Capacity and Incident Cardiovascular Events.  November 18, 2014, DOI: 10.1056/NEJMoa1409065
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Stellungnahme Nr. 015/2006 des BfR vom 30. Januar 2006
  3. Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2006
  4. Parhofer KG: Interaction between glucose and lipid metabolism: more than diabetic Dyslipidemia. Diabetes Metab 2015 Oct;39(5):353-62. doi: 10.4093/dmj.2015.39.5.353. Epub 2015 Oct 22.
  5. Glazer G (1991) Atherogenic effects of anabolic steroids on serum lipid levels. A literature review. Arch Intern Med 151:1925-1933
  6. Taskinen MR, Boren J: New insights into the pathophysiology of dyslipidemia in type 2 diabetes. Atherosclerosis 2015 Apr;239(2):483-95. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2015.01.039. Epub 2015 Feb 7.
     
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