Doping – Anabolika

Doping gibt es immer und überall – nicht nur im Sport, auch im Gesellschaftsleben. Alkohol, Beruhigungs- und Aufputschmittel sind heutzutage die unterstützenden Maßnahmen nicht nur zur persönlichen Lustgewinnung, sondern auch zur Stressbewältigung und beruflichen Leistungssteigerung. Sie haben sich mittlerweile in unserer Leistungsgesellschaft etabliert, werden akzeptiert bzw. toleriert.

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und der Leistungssport ist ihr Spiegelbild. Doping ist kein Phänomen der Neuzeit. Gedopt wurde schon in der Antike bei den Griechen und Römern. Schon damals ging es nicht nur um Ruhm und Ehre. Es wurde versucht, eine Leistungssteigerung herbeizuführen und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Man sollte sich bewusst sein, dass im heutigen Spitzensport flächendeckend gedopt wird.

Mittlerweile steht aber auch im Breitensport das Thema Dopingmittel auf der Tagesordnung. Hier steht oft weniger der Leistungsgedanke im Vordergrund als der “optische Aspekt” des eigenen Körpers. Das Beschaffungsproblem ist in den Zeiten des unendlichen Informationsangebotes kein Problem mehr. So sehen sich sportmedizinisch engagierte Ärzte regelmäßig mit diesem Thema konfrontiert. 

Die Situation in Deutschland

Weltweit gilt seit 2004 der World-Anti-Doping-Code, der auf Initiative der World-Anti-Doping-Agency in Kopenhagen beschlossen wurde. Im Gegensatz zu anderen Staaten wie Frankreich, Italien oder Belgien gibt es in Deutschland keine speziellen Anti-Doping-Gesetze. Lediglich im Rahmen des Arzneimittelgesetzes ist das Inverkehrbringen, Verschreiben und Anwenden von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport strafrechtlich relevant. Einnahme und Besitz von Dopingmitteln sind jedoch nicht strafbar. Die Sanktionierung von gedopten Sportlern bleibt damit in der Hand der Sportverbände. Nach einer Erhebung geben über 800 000 Deutsche zu, dass sie regelmäßig zu Doping-Mitteln greifen, um körperlich und geistig fit zu sein und um den immer größer werdenden Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatleben gewachsen zu sein. Über zwei Millionen Menschen greifen gelegentlich zu solchen Mitteln.

Anabolika (anabole Steroide; Wachstumshormone) im Sport wirken – durch eine verstärkte Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) – aufbauend mit einer Zunahme von Muskelmasse und Muskelkraft.

Die am häufigsten verwendeten Substanzen sind die anabolen, androgenen Steroide (AAS). Dabei handelt es sich um Testosteron und deren synthetisch hergestellten Derivaten (Abkömmlinge).

Übersicht über die verschiedenen Anabolikasubstanzklassen

Substanzklasse  Vertreter der Substanzklasse
Anabole androgene Steroide (AAS) Testosteronpräparate (T-cypionat, -decanoat, -enanthat, -isocaproat, -phenylproprionat, -proprionat), Dehydrochlormethyltestosteron, Furazabol, Nandrolon, Metandienon, Metenolon, Oralturinabol, Stanozolol und Trenbolon)
Selektive Androgenrezeptormodulatoren* (SARM) Andarine (S-4)/S4 Andarine (MK-2866 oder GTx-024); Ostarin (Synonym: Enobosarm); Ligandrol 
β2-Sympathomimetika
(Beta-2-Agonisten)
z. B. Clenbuterol (LABA ("long-acting beta-2 agonists") – Wirkdauer: 6-12 Stunden)
Wachstumsfaktoren
Erythropoetin (EPO)
Somatotropin (STH; Wachstumshormon)
Somatomedin/"Insulin-like growth factor 1" (IGF-1)**
 

*hohe Bindungsaffinität zum Androgenrezeptor im muskuloskelettalen System (10-fach höher als Testosteron)
**wird oft mit Insulin kombiniert

Neben Testosteron selbst kommen synthetisch hergestellte Steroide, die eine dem männlichen Sexualhormon Testosteron ähnliche Wirkung zeigen, zur Anwendung. Die wichtigsten Vertreter s. o. in der Tabelle.

Je nach Dauer, Dosierung und Anwendungsart treten unterschiedliche Nebenwirkungen auf. Diese betreffen die Leber, die hormonellen Regelkreise, die Blutfettwerte, das Herzkreislaufsystem, die Haut und die Psyche.

Nebenwirkungen anaboler androgener Steroide (AAS)

 Gynäkomastie (Brustdrüsenvergrößerung)
 Hodenatrophie (Hodenschrumpfung)
 Steroid-Akne (Gesicht/Schultern)
 Reduziertes HDL-Cholesterin (Senkung um bis zu 70 %) [2]
 LDL-Erhöhung um bis zu 20 % mit konsekutiv 3‑ bis 6‑fach erhöhtem KHK-Risiko (Koronare Herzkrankheit; Herzkranzgefäßerkrankung) [3, 4]
 Oxidativer Stress; erhöhte Entzündungsmarker
 Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
 Herzhypertrophie (Herzvergrößerung) [1]
 Beeinträchtigung der linksventrikulären Pumpfunktion (systolische als auch die diastolische Ventrikelfunktion) und beschleunigte Koronarsklerose [1]
 Leberzysten/-zelladenom
 Psychische Instabilität, aggressives Verhalten

Bei der Anwendung von Wachstumshormonen (somatotropes Hormon (STH), engl. „human growth hormone (GH)) wie Somatotropin, treten Risiken auf wie Akromegalie und Diabetes mellitus (Typ 2). Neuerdings werden auch vermehrt endogene Substanzen wie Somatotropin und Somatomedin C (IGF-1) zur Leistungssteigerung eingesetzt. Somatotropin wird dabei häufig in Kombination mit Insulin angewendet, da Insulin die durch Somatotropin verringerte Glucoseaufnahme in die Muskelzellen kompensiert.

Der andere, weit wichtigere Effekt der Wachstumshormone für die Sportler ist die Aktivierung der Lebersynthese von Insulin-like-growth-factor-I (IGF-I, IGF-1; auch Somatomedin C (SM-C) genannt) und Insulin-like-growth-factor-binding-protein-3 (IGF-BP-3; IGF 3 BP).
Das IGFBP-3 bindet das IGF-1 (Insulin-like-growth-factor), das im Blut zirkuliert. Dabei wird die Wirkung des IGF-1 vom IGFBP-3 reguliert.
Der IGF-1 (Somatomedin C) zählt zu den Differenzierungs- und Wachstumsfaktoren.
Dieses Hormon ist der effektive muskelanabole und fettkatabole Aktivator. So wissen mittlerweile viele dopende Sportler, dass durch den kombinierten Einsatz von STH, T3 und T4, hoch dosiertem Testosteron (bis zu 1.500 mg ! / Wo) bzw. Metandienon (einem synthetisch hergestellten Steroid) und Insulin ein maximaler Wachstumseffekt auf die Muskulatur eintritt. Metandienon ist durch seine Methylierung ein sogenanntes 17α-alkyliertes Steroid. Diese Alkylierung bedingt, dass Metandienon nur einem geringen First-Pass-Effekt unterliegt, also oral eingenommen werden kann. Gleichzeitig weist es eine geringere Affinität sowohl zu den Androgenrezeptoren als auch zum sexualhormonbindenden Globulin (SHGB) auf. Da nur freie, also nicht an SHGB gebundene Androgene wirksam sind, ist Metandienon in summa noch deutlich aktiver als Testosteron. In vielen Fällen verzeichnen die Athleten unter solchen kombinierten Therapien Gewichts- und Muskelzuwächse von z. T. über 10 kg in nur wenigen Wochen.

Die selektiven Androgenrezeptormodulatoren (SARM) Ostarin (Synonym: Enobosarm) und Andarin binden an die Androgenrezeptoren im muskuloskelettalen System mit einer etwa 10-fach höheren Bindungsaffinität im Vergleich zu Testosteron. Ihre Wirkung ähnelt den Androgen und anabolen Steroiden. Typische Nebenwirkungen sind:

  • Psychosen und Halluzinationen,
  • Schlafstörungen,
  • sexuelle Dysfunktion,
  • erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Apoplex (Schlaganfall),
  • Leberschädigung bis zum akuten Leberversagen (ALV),
  • Infertilität (Unfruchtbarkeit),
  • Aborte (Fehlgeburten),
  • Hodenatrophie (Hodenschrumpfung).

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArMwarnt vor der Einnahme von SARM im Zusammenhang mit der ansteigenden Rate an Depressionen [6].

Weitere typische Dopingmittel sind β2-Sympathomimetika (Beta-2-Agonisten; z. B. Clenbuterol), die ebenfalls eine anabole Wirkung haben. Diese Wirkstoffe wurden als Arzneistoffe zur Behandlung asthmatischer Beschwerden und zur Wehenhemmung entwickelt. Neben der tokolytischen und Bronchien dilatierenden Wirkung zeigen sie muskelanabole und lipolytische Nebenwirkungen.
β2-Sympathomimetika können die Sprint- und Kraftleistung von Athleten, die nicht an Asthma leiden, steigern. Sie verbessern die anaerobe Übungsleistung bei Menschen ohne Asthma im Vergleich zur Placebobehandlung um 5 % [5].
Je nach Dauer, Dosierung und Anwendungsart treten unterschiedliche Nebenwirkungen auf. Diese betreffen das Herzkreislaufsystem und führen u. a. zu Muskelzittern, Muskelkrämpfen und Cephalgie (Kopfschmerzen).

Die Nutzer von anabolen, androgenen Steroiden (ASS-Nutzer) behandeln sich nach einem typischen ASS-Zyklus:

  • 1. Woche – durchschnittlich 4-12 Wochen diverse AAS 500-1.000 mg/Woche (das Kombinieren wird als "stacking" (stapeln) bezeichnet)
  • 9. Woche – zusätzlich hCG + Aromatosehemmer
  • 16. Woche – 4 Wochen Postzyklusphase: SERM

Legende

  • ASS: anabole androgene Steroide
  • hCG: humanes Choriongonadotropin
  • SERM: selektive Estrogenrezeptormodulatoren

Geschlechtsspezifische Nebenwirkungen der anabolen Steroide sind: 

  • Mann
    • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion; anabolikainduzierter Hypogonadismus (AIH); engl. "anabolic androgenic steroid-induced hypogonadism"); dieser geht einher mit:
      • Suppression der Spermatogenese (Unterdrückung der Samenzellbildung)
      • Gynäkomastie (Vergrößerung der Brustdrüse)
      • Hodenatrophie ("Hodenschrumpfung")
      • Libidoverlust
      • Infertilität (Störung der Fruchtbarkeit)
      • erektile Dysfunktion (ED; Erektionsstörung) 
  • Frau 
    • Hypertrichose (verstärkte Körper- und Gesichtsbehaarung; ohne ein männliches Verteilungsmuster) bzw. Hirsutismus (vermehrte Körperbehaarung nach dem männlichen Verteilungsmuster)
    • Alopecie (Haarausfall)
    • Veränderungen des Menstruationszyklus (z. B. Oligomenorrhoen – Intervall zwischen den Blutungen > 31 Tage –  bis zur Amenorrhoe – keine Menstruationsblutung seit mehr als drei Monaten)
    • Klitoriswachstum
    • Veränderung der Stimmlage (tiefe Stimme)
  • Mann und Frau
    • Akne, schwere
    • Striae distensae an Brust und Oberarmen (wg. schnelles Muskelwachstum)
    • Hämatokrit-Erhöhung (Ht > 52 %) → Risikoerhöhung von Thromboembolien, intrakardialen Thromben und Apoplexen
    • LDL-Cholesterin-Erhöhung
    • Wasserretention (Wassereinlagerung) → Steigerung des Blutdrucks
    • Hepatotoxizität (Lebertoxizität ; vor allem 17α-alkylierte Substanzen) [Bilirubin ↑↑; Transaminasen ↑]
    • Nephrotoxizität (nierenschädigende Wirkung) [Kreatinin ↑: Cystatin C-Bestimmung erforderlich]
    • Psychische Störungen: Ängstlichkeit, Depressivität und Zwangsstörungen; kurzfristige Aggressivität und Hyperaktivität (insb. bei hohen Testosterondosen (≥ 500 mg/Woche))
    • Bei Langzeitabusus: Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) mit den Folgen von peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), koronarer Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung) sowie linksventrikuläre Hypertrophie (LVH; Linksherzhypertrophie) mit persistierender diastolischer Relaxationsstörung (d. h. ein Teil des Herzmuskels entspannt sich nicht normal)

Wichtig sind die medizinische Aufklärung der Sportler und das richtige Lenken in vernünftige Bahnen. Hier steht der sportmedizinisch betreuende Arzt täglich vor schwierigen Aufgaben.

Literatur

  1. Baggish AL et al.: Cardiovascular Toxicity of Illicit Anabolic-Androgenic Steroid Use. Circulation. 2017;135:1991-2002. Originally published May 22, 2017. doi: https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.116.026945
  2. Glazer G: Atherogenic effects of anabolic steroids on serum lipid levels. A literature review. Arch Intern Med 1991;151:1925-1933
  3. Thieme D, Buttner A: Cardiovascular alterations associated with doping. Herz 2015 May;40(3):410-6. doi: 10.1007/s00059-015-4218-2.
  4. Achar S, Rostamian A, Narayan SM: Cardiac and metabolic effects of anabolic-androgenic steroid abuse on lipids, blood pressure, left ventricular dimensions, and rhythm. Am J Cardiol 2010 Sep 15;106(6):893-901. doi: 10.1016/j.amjcard.2010.05.013.
  5. Riiser A et al.: Can β2-agonists have an ergogenic effect on strength, sprint or power performance? Systematic review and meta-analysis of RCTs. British Journal of Sports Medicine 2019 http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2019-100708
  6. Thilmany S et al.: Pharmakologischer Einfluss von steroidalen Sexualhormonen auf die Entstehung von psychischen Erkrankungen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 1. März 2023 S. 26

     
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