Ursachen
Zöliakie

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung der Dünndarmschleimhaut. Der Zöliakie liegt eine genetische Prädisposition mit Vorhandensein der HLA-Merkmale DQ2 und DQ8 zugrunde. Nahezu alle Zöliakie-Patienten (99 %) tragen die HLA-Merkmale HLA-DQ2, DQ8 oder DQ7. Nur diese HLA-Moleküle können Gliadinantigenfragmente präsentieren.

Der definitive Auslöser der Zöliakie ist Gluten, das zu 90 % aus Proteinen (Gliadine und Glutenine), zu 8 % aus Lipiden und zu 2 % aus Kohlenhydraten besteht. Des Weiteren spielen hochsensitive und spezifische Autoantikörper gegen das körpereigene Enzym Gewebetransglutaminase (TG2) eine bedeutenden Rolle in der Pathogenese der Zöliakie.

Bei glutenempfindlichen Menschen kann das Getreideeiweiß nur unzureichend verdaut werden. In der Folge entstehen bei der Verdauung Spaltprodukte, von denen insbesondere aus Prolin und Glutamin bestehenden Polypeptide für die Schädigung der Dünndarmschleimhaut verantwortlich gemacht werden. Die Rede ist von Gliadin aus Weizen- und Roggeneiweiß, Secalin aus Roggeneiweiß, Hordein aus Gersteneiweiß und Avenin aus Hafereiweiß.
Die Getreideeiweiße Gliadin, Secalin, Hordein und Avenin sind einzelne Fraktionen des Glutens und verursachen vorwiegend die entzündlichen Vorgänge im Dünndarm, sodass eine normale Verdauung nicht mehr möglich ist. Die Dünndarmschleimhaut und insbesondere die Darmzotten werden infolge einer villösen Atrophie (Gewebeschwund) schwer geschädigt (Zottenatrophie und Kryptenhyperplasie) und in ihrer Funktion erheblich eingeschränkt.

Es sind drei verschiedene Möglichkeiten einer Dünndarmschädigung durch die Getreideeiweiße Gliadin, Secalin, Hordein und Avenin bekannt:

  • Die Getreideeiweiße besitzen eine ähnliche Wirkung wie Lektine (Glykoproteine), welche Proteine Bindungen mit Mono- oder Oligosacchariden von Glykoproteinen oder Glykolipiden eingehen. Solchen Verbindungen werden membranschädigende Eigenschaften nachgesagt.
  • Mangel eines spezifischen Protein oder Peptid spaltenden Enzyms in der Dünndarmschleimhaut, welches die Aufgabe hat, die bei der Verdauung der genannten Getreideeiweiße anfallenden toxischen Polypeptide abzubauen. Aufgrund des Enzymmangels häufen sich die schädigenden Spaltprodukte in den Schleimhautzellen des Dünndarms an, beschädigen die Dünndarmmukosa sowie die -zotten und lösen somit die Erkrankung aus.
  • Die glutensensitive Enteropathie ist eine immunologische Erkrankung, wobei das Immunsystem die bei der Verdauung des Glutens anfallenden Polypeptide (Allergene) als Fremdkörper ansieht. In der Folge reagieren die T-Lymphozyten mit den Allergenen. Die T-zellvermittelte Hypersensitivitätsreaktion ist Auslöser der Schädigung der Darmwand.

Durch etliche immunologische und klinische Befunde ist vorwiegend die T-zellvermittelte Hypersensitivitätsreaktion für die Entstehung der Zöliakie gestützt worden. Ihr wird derzeit für den Pathomechanismus der glutensensitiven Enteropathie die größte Bedeutung zugesprochen. 

Eine Reihe von Virusinfektionen (Adenovirus, Enterovirus, Hepatitis C Virus (HCV) und Rotavirus) werden als Auslöser diskutiert.

Enteroviren triggern möglicherweise bei Kindern mit der DQ2/8-Hochrisikokombination eine Zöliakie: Stuhlproben wiesen bei Betroffenen vor Beginn der Erkrankung knapp 50 % häufiger Enteroviren auf als bei Kindern, die gesund blieben [2].

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern, insb. Familienmitgliedern 1. Grades (Individuen mit dem Genotyp HLA-DQ2 oder -DQ8 (ca. 30-35 % der Gesamtbevölkerung sind positiv) entwickeln in ca. 2 % der Fälle im Laufe ihres Lebens eine Zöliakie)
    • Familienangehörige 1. Grades eines Zöliakie-Patienten haben ein Risiko von 10-15 %, an einer Zöliakie zu erkranken.
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: HLA-DQA1
        • SNP: rs2187668 im Gen HLA-DQA1
          • Allel-Konstellation: AA (> 6,23-fach)
          • Allel-Konstellation: AG (6,23-fach)
          • Allel-Konstellation: GG (0,3-fach)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Konsum von glutenhaltigen Nahrungsmitteln (frühe und massive Glutenexposition)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Darminfektionen – wiederholte Gastroenteritiden (Magen-Darm-Infektionen) im ersten Lebensjahr [1]
  • Dermatitis herpetiformis − chronische Hauterkrankung mit gruppiert stehenden Bläschen
  • Diabetes mellitus Typ 1

Zöliakie-Risikogruppen*

  • Autoimmunerkrankungen der Leber und Gallenwege
  • Dermatitis herpetiformis (Duhring-Krankheit) – Hautkrankheit aus der Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen mit subepidermaler Blasenbildung
  • Diabetes mellitus Typ 1
  • Hashimoto-Thyreoiditis – Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt
  • IgA-Nephropathie (Mesangiale IgA-Glomerulonephritis) – diffuse mesangioproliferative Glomerulonephritis) geht mit der Ablagerung von Immunglobulin A (Ig A) im Mesangium (Zwischengewebe) der Glomeruli einher.
  • Juvenile chronische Arthritis – chronische entzündliche Erkrankung der Gelenke (Arthritis) des rheumatischen Formenkreises im Kindesalter (juvenil)
  • Selektiver IgA-Mangel
  • Trisomie 21 (Down-Syndrom)
  • Ullrich-Turner-Syndrom – bei der aufgrund einer Chromosomenaberration (Abnormalitäten der Geschlechtschromosome) anstelle der zwei Geschlechtschromosomen XX nur ein funktionsfähiges X-Chromosom in allen oder nur in einem Teil aller Körperzellen vorliegt
  • Williams-Beuren-Syndrom (WBS; Synonyme: Williams-Syndrom, Fanconi-Schlesinger-Syndrom, idiopathische Hypercalcämie oder Elfin-face-Syndrom) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; mit Symptomen wie kognitive Behinderung unterschiedliche Schweregrade, Wachstumsverzögerung (schon schon intrauterin), Hypercalcämie (Calciumüberschuss) in den ersten Lebensjahren, Mikroenzephalie (abnorm kleiner Kopf), Anomalien der Gesichtsform etc.

*Diese Patienten sollten regelmäßig auf Zöliakie gescreent werden. Des Weiteren Patienten mit positiver Typisierung der HLA-Allele DQ2 und/oder DQ8.

Literatur

  1. Beyerlein A et al.: Infections in early Life and development of celiac disease. Am J Epidemiol kwx190 (2017). doi: https://doi.org/10.1093/aje/kwx190 Published: 16 June 2017
  2. Kahrs CR et al.: Enterovirus as trigger of coeliac disease: nested case-control study within prospective birth cohort. BMJ 2019;364:l231; ​​​​​​​http://dx.doi.org/10.1136/bmj.l231
     
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