Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) – Einleitung

Bei der Pyelonephritis (PN) – umgangssprachlich Nierenbeckenentzündung genannt – (Synonyme: Nierenbeckeninfektion; Nierenbeckeninfektion, akut; PN; Pyelitis, akute; ICD-10-GM N10: Akute tubulointerstitielle Nephritis) handelt es sich um eine eitrige Infektion des Nierenbeckens mit Beteiligung des Nierenparenchyms (Nierengewebes).

Eine Pyelonephritis (= obere Harnwegsinfektion, HWI) sollte angenommen werden, wenn sich bei den akuten Symptomen, z. B. Flankenschmerzen, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) finden [S3-Leitlinie].

Die Pyelonephritis gehört zu den häufigen Infektionskrankheiten und wird in den meisten Fällen durch Escherichia coli (gramnegative Stäbchen aus der Darmflora) verursacht. Auch Kokken (grampositiv), Proteus und Klebsiella können zu einer Pyelonephritis führen.  

Harn­wegs­in­fek­tionen (engl. urinary tract infection, UTI), Clostridioides difficile-Infektionen (CDI), Pneumonien/Lungenentzündungen (HAP), primäre Blutbahninfektionen (BSI) und chirurgische Infektionen (SSI) sind für ca. 80 % aller Klinikinfektionen (nosokomiale Infektio­nen) verantwortlich.

Formen der Pyelonephritis (PN):

Akute Pyelonephritis (aPN):

  • Definition: Eine plötzlich auftretende, meistens schwere Entzündung des Nierenbeckens und des Nierenparenchyms.
  • Symptome: Fieber, Schüttelfrost, Flankenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und häufig Dysurie (Beschwerden beim Wasserlassen).
  • Diagnostik: Urinuntersuchung, Urinkultur, Blutuntersuchungen, Ultraschall der Nieren.

Chronische Pyelonephritis (cPN):

  • Definition: Eine chronisch verlaufende, schubweise auftretende entzündliche Destruktion des Nierenparenchyms. Eine genaue Definition existiert jedoch nicht.
  • Symptome: Häufig unspezifisch, wiederkehrende Harnwegsinfektionen, unspezifische Flankenschmerzen, Müdigkeit und gelegentlich Fieber.
  • Diagnostik: Wiederholte Urinuntersuchungen und Urinkulturen sowie bildgebende Verfahren (Ultraschall, CT oder MRT der Nieren).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1 : 2. Da Frauen eine kürzere Urethra (Harnröhre) haben, begünstigt dieses das Aufsteigen von Bakterien in die Harnblase und von dort in das Nierenbecken.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt häufig bei älteren Männern mit einer benignen Prostatahyperplasie (BPH, gutartige Prostatavergrößerung) auf. Durch die vergrößerte Prostata verbleibt nach dem Wasserlassen Restharn in der Blase, der den Keimen eine gute Wachstumsmöglichkeit bietet.
Bei Kindern treten in den ersten 6 Lebensjahren akute Harnwegsinfektionen (HWI) bei ca. 7 % der Mädchen und 2 % der Jungen auf [2]. Des Weiteren tritt eine Pyelonephritis bei 1-2 % der Schwangerschaften auf.

Epidemiologische Untersuchungen in Holland geben in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen eine 1-Jahres-Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für eine Pyelonephritis von 1,19 pro 1.000 Patientinnen an [1].

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) bei Frauen beträgt ca. 2,5 Erkrankungen pro 1.000 Frauen pro Jahr und bei Männern ca. 1 Erkrankung pro 1.000 Männer pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Die akute unkomplizierte Pyelonephritis (AUP) zählt zu den unkomplizierten Harnwegsinfektionen (HWI). Ein Harnwegsinfekt wird als unkompliziert klassifiziert, wenn keine funktionellen oder anatomischen Anomalien im Harntrakt, keine Nierenfunktionsstörungen und keine Begleiterkrankungen vorliegen, die den HWI begünstigen. Die AUP wird von hohem Fieber, starken Flankenschmerzen (Schmerzen in der Seite) und Nausea (Übelkeit) begleitet. Unter einer adäquaten Antibiotikatherapie heilt die akute unkomplizierte Pyelonephritis in der Regel folgenlos aus.

Verlauf

Akuter Verlauf

  • Die Symptome der akuten Pyelonephritis setzen plötzlich ein und umfassen typischerweise Fieber, Flankenschmerzen und Übelkeit. Diese können begleitet werden von dysurischen Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen und häufiger Harndrang.
  • Bei zeitgerechter Diagnose und Einleitung einer Antibiotikatherapie verbessert sich der Zustand der Patienten meist innerhalb weniger Tage. Die Behandlung dauert in der Regel 7 bis 14 Tage, abhängig von der Schwere der Infektion und dem eingesetzten Antibiotikum.

Chronischer Verlauf

  • In seltenen Fällen kann eine akute Pyelonephritis in eine chronische Pyelonephritis übergehen, insbesondere wenn prädisponierende Faktoren wie obstruktive Uropathien (Zustandsbild des gestörten Harnabflusses infolge einer Obstruktion der ableitenden Harnwege) oder vesikoureteraler Reflux (VUR; Zurückfließen des Urins von der Blase in die Niere)  vorliegen. Diese chronische Form der Erkrankung kann zu einer schubweisen Zerstörung des Nierenparenchyms führen und langfristig die Nierenfunktion beeinträchtigen.
  • Eine chronische Pyelonephritis ist schwieriger zu behandeln und erfordert eine längerfristige antibiotische Therapie sowie die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache.

Prognose

  • Die Prognose der akuten unkomplizierten Pyelonephritis ist gut, sofern eine adäquate und rechtzeitige antibiotische Therapie erfolgt. Die meisten Patienten erholen sich vollständig, ohne langfristige Folgen.
  • Die Pyelonephritis kann jedoch rezidivierend (wiederkehrend) auftreten, insbesondere bei Patienten mit prädisponierenden Faktoren wie Diabetes mellitus oder Harnabflussstörungen.
  • Bei Auftreten einer Urosepsis, einer nierenbedingten Blutvergiftung, ist die Erkrankung auch heute noch trotz moderner antibiotischer Therapie potenziell lebensbedrohlich und erfordert eine sofortige intensivmedizinische Behandlung.

Kinder

  • Bei Kindern mit einer ersten fieberhaften Harnwegsinfektion (HWI) liegt gemäß einer Metaanalyse von 29 Studien die Prävalenz von auffälligen Befunden in der Sonographie (Ultraschall) der Nieren und ableitenden Harnwege bei 22,1 %. Klinisch relevante Befunde sind nach der Auswertung von acht Studien jedoch nur bei 3,1 % der Kinder zu erwarten [2].

Komplikationen

  • Zu den möglichen Komplikationen der Pyelonephritis zählen Abszesse (umkapselte Eiterhöhle) im Nierengewebe, Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und die schon erwähnte Urosepsis*. Eine rasche Diagnostik und Therapie sind daher essenziell, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden.
    *Urosepsis ist eine akute Infektion mit Bakterien aus dem Urogenitaltrakt. Diese treten von den Harnwegen über in die Blutbahn und verursachen dann die Sepsis („Blutvergiftung“).

Literatur

  1. van der Linden MW, Westert GP, de Bakker DH, Schellevis FG. NIVEL in 004Tweede Nationale Studie naar ziekten en verrichtingen in dehuisartspraktijk. Klachten en aandoeningen in de bevolking en in de huisartspraktijk. Utrecht/Bilthoven: NIVEL/RIVM, 2004
  2. Yang S et al.: Kidney Ultrasonography After First Febrile Urinary Tract Infection in Children: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Pediatr 2023;e231387; https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2023.1387

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. (AWMF-Registernummer: 043-044), 30. April 2017 Kurzfassung Langfassung