Körperliche Untersuchung
Akutes Abdomen

Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:

  • Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
    • Inspektion (Betrachtung)
      • Haut, Schleimhäute und Skleren (weiße Teil des Auges) [Facies abdominalis (ängstlich verfallenes, blasses Gesicht bei schwerer abdominaler Erkrankung/Baucherkrankung (Verdacht auf Peritonitis/Bauchfellentzündung))? Ikterus/Gelbsucht]
      • Abdomen (Bauch)
        • Form des Abdomens?
        • Hautfarbe? Hautbeschaffenheit?
        • Effloreszenzen (Hautveränderungen)?
        • Pulsationen? Darmbewegungen?
        • Sichtbare Gefäße?
        • Narben? Hernien (Brüche)?
      • Gangbild (flüssig, hinkend)
      • Körperhaltung (aufrecht, gebeugt, Schonhaltung)
        • angezogene Beine [Hinweis für eine Entzündung]
        • Hin- und Her-Rollen [typisches Kolikverhalten]
    • Auskultation (Abhören) des Herzens [siehe unter Differentialdiagnosen: Herzkreislaufsystem] 
    • Untersuchung der Lunge
      • Auskultation der Lunge [siehe unter Differentialdiagnosen: Atmungssystem]
      • Bronchophonie (Überprüfung der Weiterleitung hochfrequenter Töne; der Patient wird aufgefordert, mehrmals mit spitzer Stimme das Wort "66" auszusprechen, während der Arzt die Lunge abhört)
        [verstärkte Schallleitung durch pulmonale Infiltration/Verdichtung des Lungengewebes (z. B. bei Pneumonie) die Folge ist, die Zahl „66" ist auf der erkrankten Seite besser zu verstehen als auf der gesunden Seite; bei verminderter Schallleitung (abgeschwächt oder fehlend: z. B. bei Pleuraerguss, Pneumothorax, Lungenemphysem). Die Folge ist, die Zahl "66" ist über der erkrankten Lungenpartie kaum hörbar bis fehlend, da die hochfrequenten Töne stark gedämpft werden]
      • Perkussion (Abklopfen) der Lunge [z. B. bei Lungenemphysem; Schachtelton beim Pneumothorax]
      • Stimmfremitus (Überprüfung der Weiterleitung tiefer Frequenzen; der Patient wird aufgefordert, mehrmals mit tiefer Stimme das Wort "99" auszusprechen, während der Arzt seine Hände auf den Brustkorb oder Rücken des Patienten legt)
        [verstärkte Schallleitung durch pulmonale Infiltration/Verdichtung des Lungengewebes (z. B. bei Pneumonie) die Folge ist, die Zahl „99" ist auf der erkrankten Seite besser zu verstehen als auf der gesunden Seite; bei verminderter Schallleitung (abgeschwächt: z. B. Atelektase, Pleuraschwarte; stark abgeschwächt oder fehlend: bei Pleuraerguss, Pneumothorax, Lungenemphysem). Die Folge ist, die Zahl "99" ist über der erkrankten Lungenpartie kaum hörbar bis fehlend, da die tieffrequenten Töne stark gedämpft werden]
    • Untersuchung des Abdomens
      • Auskultation des Abdomens [Gefäß- oder Stenosegeräusche?, Darmgeräusche?]
      • Perkussion (Abklopfen) des Abdomens: 
        • [Aszites (Bauchwasser)?: Phänomen der Fluktuationswelle. Diese lässt sich wie folgt auslösen: klopft man gegen eine Flanke wird eine Flüssigkeitswelle bis zur anderen Flanke weitergeleitet, die man durch Auflegen der Hand spüren kann; Flankendämpfung
        • Cholelithiasis (Gallensteine) oder Cholezystitis (Gallenblasenentzündung)?: Klopfschmerz über der Gallenblasenregion und dem rechten unteren Rippenbogen
        • Meteorismus (Blähbauch)?: hypersonorer Klopfschall
        • Dämpfung des Klopfschall durch vergrößerte Leber oder Milz, Tumor, Harnstau
        • Hepatomegalie (Lebervergrößerung) und/oder Splenomegalie (Milzvergrößerung)?: Abschätzen von Leber- und Milzgröße
      • Palpation (Abtasten) des Abdomens (Druckschmerz?, Klopfschmerz?, Loslassschmerz?, Hustenschmerz?, Abwehrspannung?, Darmgeräusche?, Bruchpforten?, Nierenlagerklopfschmerz?) [Kolikschmerz?, Perforationsschmerz? oder Entzündungsschmerz?; Lokalisation des Schmerzes unter Anwendung des 4‑Quadranten-Prinzips]
        • [Peritonitis (Bauchfellentzündung): direkte oder indirekte Palpationsdolenz (Druckschmerz) und starke Berührungsempfindlichkeit?
        • Vergrößerte und tastempfindliche Leber?
        • Schmerzen am McBurney-Druckpunkt/Psoas-Zeichen (Appendicitis/Blinddarmentzündung)?]
    • Digital rektale Untersuchung (DRU): Untersuchung des Rektums (Mastdarm) und der angrenzenden Organe mit dem Finger per Palpation [Leitsymptome: Hämatochezie; Meläna – durch Blutbeimengungen abnormal schwarz gefärbter, meist auch übelriechender und glänzender Stuhl; Polyp?, Karzinom?; Douglasschmerz bei Entzündungen im kleinen Becken?]
  • Gynäkologische Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen:
    • Adnexitis – Entzündung von Eileiter und Eierstock
    • Dysmenorrhoe (Regelschmerzen)
    • Endometriose – Auftreten von Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) außerhalb der Endometriumschicht der Gebärmutter
    • Extrauteringravidität – Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter; bei ca. 1 bis 2 % aller Schwangerschaften liegt eine Extrauteringravidität vor: Tubargravidität (Eileiterschwangerschaft), Ovarialgravidität (Schwangerschaft im Eierstock), Peritonealgravidität oder Abdominalgravidität (Bauchhöhlenschwangerschaft), Cervixgravidität (Schwangerschaft im Gebärmutterhals)
    • Mittelschmerz (Intermenstrualschmerz) – in der Mitte des Zyklus der Frau auftretender Unterbauchschmerz, der wahrscheinlich durch den Follikelsprung bedingt ist
    • Ovarialzyste, stielgedreht – wassergefüllter Tumor im Bereich des Eierstocks, dessen versorgende Gefäße abgeklemmt wurden]
  • Neurologische Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen:
    • Epilepsie-Äquivalente
    • Kompression des Rückenmarks/der Spinalnerven
    • Meningitis (Hirnhautentzündung)
    • Neuralgie – Schmerzen im Ausbreitungsgebiet eines sensiblen Nerven ohne nachweisbare Ursache
    • Nervenwurzelreizsyndrom
    • Radikulitis (Nervenwurzelentzündung)
    • Tabes dorsalis (Neurolues) – Spätstadium der Syphilis, bei dem es zu einer Entmarkung des Rückenmarks kommt]
  • Orthopädische Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen:
    • Coxarthrose (Hüftgelenksarthrose)
    • Morbus Behçet (Synonym: Morbus Adamantiades-Behçet; Behçet-Krankheit; Behçet-Aphthen) – Multisystemerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, die mit einer rezidivierenden, chronischen Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen und großen Arterien sowie mit Schleimhautentzündungen einhergeht; als typisch für die Erkrankung wird in der Literatur die Trias (das Auftreten von drei Symptomen) aus Aphthen (schmerzhafte, erosive Schleimhautveränderungen) im Mund und aphthösen Genitalulzera (Geschwüre in der Genitalregion) sowie einer Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut, die aus der Aderhaut (Choroidea), dem Strahlenkörper (Corpus ciliare) und der Regenbogenhaut (Iris) besteht) angegeben; man vermutet einen Defekt der zellulären Immunität
    • Nukleus pulposus-Prolaps (Bandscheibenvorfall)
    • Sakroiliitis – Entzündung des Iliosakralgelenkes zwischen Kreuz- und Hüftbein]
  • Psychiatrische Untersuchung [wg. Differentialdiagnose:
    • Somatoforme Störungen wie das chronische Unterbauchschmerzsyndrom oder in starken Belastungssituationen]
  • Urologische Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen:
    • Hodentorsion (Hodenverdrehung)
    • Ischurie (Harnverhaltung)
    • Niereninfarkt
    • Nierenkolik, vor allem durch Nierensteine verursacht
    • Perforation der Harnblase
    • Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
    • Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte)
    • Urolithiasis (Harnsteinleiden)
    • Zystitis (Blasenentzündung)]

Klinische Hochrisikovariablen, die das Vorliegen einer intraabdominellen Verletzung bei Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen [1, 2, 3]:

  • abdomineller Druckschmerz
  • Femurfraktur
  • niedriger systolischer Blutdruck (altersangepasste Werte)
  • Laborparameter:
    • initialer Hämatokritwert < 30 %
    • Erhöhung der Transaminasen:
      • Aspartat-Aminotransferase (AST; Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, GOT) > 200 U/l,
      • Alanin-Aminotransferase (ALT; Glutamat-Pyruvat-Transaminase, GPT) > 125 U/l
  • Hämaturie > 5 Erythrozyten/Gesichtsfeld [2]

In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.

Literatur

  1. Holmes JF, Mao A, Awasthi S et al.: (2009) Validation of a prediction rule for the identification of children with intra-abdominal injuries after blunt torso trauma. Ann Emerg Med 54:528-533
  2. Holmes JF, Sokolove PE, Brant WE et al.: (2002) Identification of children with intra-abdominal injuries after blunt trauma. Ann Emerg Med 39:500-509
  3. Hynick NH, Brennan M, Schmit P et al.:  (2014) Identification of blunt abdominal injuries in children. J Trauma Acute Care Surg 76:95-100
     
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