Ursachen
Skoliose

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Bei der Skoliose handelt es sich um eine Seitverbiegung der Wirbelsäule, die durch eine Asymmetrie der einzelnen Komponenten der Wirbelsäule bedingt ist. Zusätzlich dazu sind die Wirbelkörper verdreht. In extremen Fällen kann die Funktion der inneren Organe beeinträchtigt sein.

Die Skoliose kann nach Ursachen subklassifiziert werden:

  • Idiopathische Skoliose (ca. 85 % aller strukturellen Skoliosen; Auftreten im Kindes- und Adoleszentenalter/Heranwachsendenalter) – die Progredienzgefährdung (Gefahr des Fortschreitens) ist dabei umso größer, je jünger der Patient (Skelettalter) und je höher die Hauptkrümmung ist
  • Degenerative Skoliose: abnutzungsbedingte Veränderungen der Bewegungssegmente der Wirbelsäule („De-novo“-Skoliosen)
  • Fibropathische Skoliose: Marfan-Syndrom; Pleuraschwarten (Verdickung des Rippenfells (Pleura)), Narbenkontrakturen; posttraumatisch; Zust. n. Thorakoplastik (Neuformung des Thorax/Brustkorb durch operative Entfernung einer oder mehrerer Rippen) 
  • Myopathische Skoliose als Ursache einer primären Muskelerkrankung (spinale Muskeldystrophie); kongenitale Msukeldefekte
  • Neuropathische Skoliose (neurogene Skoliose): z. B. spinale Muskelatrophie (Muskelschwund, der durch einen fortschreitenden Untergang von motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmark verursacht wird; führt meistens zu einer thorakalen Skoliose), Poliomyelitis (Kinderlähmung), Spastik, Zerebralparese (Bewegungsstörungen, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegt)
  • Osteochondropathische Skoliose; Auftreten bei:
    • kongenitalen (angeborenen) Fehlbildungen (kongenitale Skoliose, Fehlbildungsskoliose): z. B. Klippel-Feil-Syndrom
    • Ossifkationsstörungen/Dysostose (Knochenbildungsstörung)
    • Wirbelverformungen durch Entzündungen, Osteoporose (Knochenschwund), Trauma (Verletzung, Unfall), Tumor 
  • Osteopathische oder osteogene Skoliosen; Auftreten bei:
    • kongenitale (angeborene) oder erworbene Wirbelsäulendeformitäten inkl. Diastomatomyelie (s. u.) und Myelodysplasie (Fehlbildung des Knochen- bzw. Rückenmarks)
    • Erkrankungen mit systemischen Skeletterkrankungen
    • Wirbel- und Rippenabnormitäten
  • Posttraumatische Skoliose: nach einem Trauma (Unfall mit Gewalteinwirkung), Amputation oder Tumoroperation im Bereich der Wirbelsäule.
  • Schmerzskoliose: z. B. Bandscheibenprolaps (BSP, Bandscheibenvorfall)
  • Syndromale Skoliosen: Skoliosen im Rahmen von Syndromen und Systemerkrankungen
  • Systemerkrankungsbedingte Skoliosen: z. B. Achondroplasie, Marfan-Syndrom, Neurofibromatose, Osteogenesis imperfecta
  • Statische Skoliose: z. B. Beinlängendifferenz (meistens wg. Beinverkürzung)

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (siehe unten); Adoleszentenskoliose: ca. 30 % aller Patienten weisen in der Familienanamnese Skoliosen auf; bei der idiopathischen Skoliose wurde eine familiäre Häufung nachgewiesen: Es zeigte sich eine 1,5-fach erhöhte OR bei daran erkrankten Müttern. 
    • Genetische Erkrankungen
      • Arnold-Chiari-Syndrom, Typ I – Gruppe von Entwicklungsstörungen mit Verschiebung von Kleinhirnanteilen durch das Foramen magnum (Hinterhauptsloch) bei gleichzeitig bestehender verkleinerter hinterer Schädelgrube in den Spinalkanal (Wirbelkanal); Typ 1: Hier liegt eine Verlagerung der Kleinhirntonsillen (Teil des Kleinhirns; gehören zum Neocerebellum, welches den größten Teil des Kleinhirns ausmacht) vor. Als Komplikation kann es zu einer Syringomyelie (Höhlenbildung in der Grauen Substanz des Rückenmarkes) kommen. Ursachen: heterogen, meist unbekannt, autosomal-rezessiv?; polygene Ursachen mit Beteiligung endogen-teratogener Faktoren werden diskutiert.
      • Arthrogryposis multiplex congenita (AMC) – angeborene Gelenksteife (Dysmorphie); unter diesem Begriff werden mehrere genetisch bedingte Erkrankungen zusammengefasst, die durch Gelenkluxationen und -Versteifungen gekennzeichnet sind; Erbgang autosomal-rezessiv
      • Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ‒ genetische Erkrankungen, die sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv sind; heterogene Gruppe, die durch eine Störung der Kollagensynthese bedingt sind; gekennzeichnet durch eine erhöhte Elastizität der Haut und ungewöhnliche Zerreißbarkeit derselbigen (Habitus des "Kautschukmenschen")
      • Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP; Synonyme: Fibrodysplasia ossificans multiplex progressiva, Myositis ossificans progressiva, Münchmeyer-Syndrom) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; beschreibt die pathologische, progressive Ossifikation (Verknöcherung) des Binde- und Stützgewebes des menschlichen Körpers, die zu einer Ossifikation der Muskulatur führt; bereits bei Geburt liegen als unspezifisches Symptom verkürzte und verdrehte Großzehen vor
      • Friedreich-Ataxie (FA; Morbus Friedreich) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, die unter anderem zur Störung der Bewegungsabläufe führt; häufigste erbliche Ataxieform (Bewegungsstörung); Erkrankung setzt im Allgemeinen im Kindesalter oder im frühen Erwachsenenalter ein.
      • Homozystinurie – Sammelbezeichnung für eine Gruppe autosomal-rezessiv-erblicher Stoffwechselkrankheiten, die zu einer erhöhten Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut und Homocystin im Urin führen und zu Marfan-Syndrom ähnlichen Symptomen führt
      • Infantile Spinalparalyse Werdnig-Hoffmann (SMA Typ I) – genetisch bedingte Erkrankung, die zu Muskelschwund führt; freie Sitzen wird per definitionem nie erlernt; Erkrankung beginnt bereits in utero oder während der ersten 3 Lebensmonate; Tod tritt meist in den ersten beiden Lebensjahren durch Ateminsuffizienz oder Infektion ein
      • Klinefelter-Syndrom – genetische Erkrankung mit meist sporadischem Erbgang: numerische Chromosomenaberration (Aneuploidie) der Geschlechtschromosomen (Gonosomen-Anomalie), die nur bei Jungen bzw. Männern auftritt; in der Mehrzahl der Fälle durch ein überzähliges X-Chromosom (47, XXY) gekennzeichnet; klinisches Bild: Großwuchs und Hodenhypoplasie (kleiner Hoden), bedingt durch einen hypogonadotropen Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion); meist spontaner Pubertätsbeginn, jedoch schlechter Pubertätsfortschritt 
      • Marfan-Syndrom – genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs, Spinnengliedrigkeit und Überstreckbarkeit der Gelenke auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma (pathologische (krankhafte) Ausbuchtung der Arterienwand)
      • Neurofibromatose – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; zählt zu den Phakomatosen (Erkrankungen der Haut und des Nervensystems); es werden drei genetisch unterschiedliche Formen unterschieden: 
        • Neurofibromatose Typ 1 (Morbus von Recklinghausen) – Patienten bilden während der Pubertät multiple Neurofibrome (Nerventumoren), die häufig in der Haut auftreten jedoch auch im Nervensystem, Orbita (Augenhöhle), Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) und Retroperitoneum (Raum, der hinter dem Bauchfell am Rücken in Richtung der Wirbelsäule liegt) auftreten
        • [Neurofibromatose Typ 2 – charakteristisch sind ein bilateral (beidseitig) vorliegendes Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom) und multiple Meningeome (Hirnhauttumoren)
        • Schwannomatose – hereditäres Tumorsyndrom]
      • Osteogenesis imperfecta (OI) – genetische Erkrankungen mit autosomal-dominantem Erbgang, seltener auch autosomal-rezessivem Erbgang; es werden 7 Typen der Osteogenesis imperfecta differenziert; Hauptmerkmal der OI Typ I ist ein verändertes Kollagen, was zu einer abnorm hohen Knochenbrüchigkeit führt (Glasknochenkrankheit)
      • Trisomie 21 (Down-Syndrom) – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt; gonosomale Genommutation bzw. gonosomale Monosomie, die nur bei Frauen und Mädchen auftritt und bei denen diese nur ein X-Chromosom anstatt zwei besitzen; neben für dieses Syndrom als typisch geltenden körperlichen Merkmalen sind in der Regel die kognitiven Fähigkeiten des betroffenen Menschen beeinträchtigt
      • Turner-Syndrom (Synonyme: Ullrich-Turner-Syndrom, UTS) – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt; Mädchen/Frauen mit dieser Besonderheit haben lediglich ein funktionsfähiges X-Chromosom statt der üblichen zwei (Monosomie X); u. a. mit Anlagestörung der Aortenklappe (33 % dieser Patienten haben ein Aneurysma/krankhafte Aussackung einer Arterie); sie ist die einzige lebensfähige Monosomie beim Menschen und kommt ungefähr einmal bei 2.500 weiblichen Neugeborenen vor.
  • Lebensalter – zunehmendes Alter (Erwachsenenskoliose)
  • Körpergröße – positiv mit dem Schweregrad von Wirbelsäulendeformitäten assoziiert [1]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Unterdurchschnittlicher BMI (Body-Mass-Index; auch Körpermasseindex (KMI) ist mit schweren Wirbelsäulendeformitäten assoziiert [1]

Krankheitsbedingte Erkrankungen

  • Adoleszentenskoliose – bei Erwachsenen auftretende Skoliose
  • Diastematomyelie – Gruppe von kongenitalen (angeborenen) Fehlbildungen des Schädels, der Wirbelsäule und des Rückenmarks, bei welchen sich die Neuralplatte des Embryos nicht wie sonst zu einem Rohr schließt, sondern bis zur Geburt mehr oder weniger offen bleibt; sporadisches Auftreten
  • Embryopathien aller Art
  • Fetopathien aller Art
  • Infantile Skoliose – bei Kindern auftretende Skoliose
  • Infantile Spinalparalyse Werdnig-Hoffmann – genetisch bedingte Erkrankung, die zu Muskelschwund führt
  • Juvenile Skoliose – bei Jugendlichen auftretende Skoliose
  • Klippel-Feil-Syndrom (Synonym: kongenitale Halswirbelsynostose ) – seltenes, angeborenes Syndrom aus einer Fehlbildung der Halswirbelsäule und möglichen weiteren Fehlbildungen.
  • Myelomeningozele – Vorwölbung eines Abschnittes des Rückenmarks durch einen Defekt in der Wirbelsäule
  • Paresebedingte (lähmungsbedingte) Skoliose
  • Poliomyelitis (Kinderlähmung)
  • Posttraumatisch bedingte Skoliose
  • Säuglingsskoliose (Achtung: Bei kongenitaler Skoliose werden in circa 25 % der Fälle urogenitale (z. B. Hufeisenniere) und in 10 % kardiologische Befunde diagnostiziert)
  • Spastik
  • Syringomyelie – seltene Erkrankung des Rückenmarks; die Erkrankung kann auf einer Entwicklungsstörung beruhen oder sich nach einer Verletzung, einem Tumor oder einer Entzündung entwickeln. Es findet sich dabei eine Höhlenbildung in der grauen Substanz des Rückenmarks, insbesondere von Hals- und Brustmark.
  • Systemerkrankungen: z. B. Achondroplasie, Marfan-Syndrom, Neurofibromatose, Osteogenesis imperfecta

Operationen

  • Zust. n. Thorakoplastik (Neuformung des Thorax/Brustkorb durch operative Entfernung einer oder mehrerer Rippen) 

Weitere Ursachen

  • Trauma

Literatur

  1. Hershkovich 0 et al. Association between body mass index, body height, and the prevalence of spinal deformities The Spine Journal Volume 14, Issue 8, Pages 1581-1587, August 1, 2014 DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.spinee.2013.09.034
     
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