Bandscheibenschaden (Diskopathie) – Einleitung

Bei einer Diskopathie – umgangssprachlich Bandscheibenschaden genannt – (Synonyme: Bandscheibenerkrankung; Discopathie; Discushernie; Diskushernie; Nukleus pulposus-Protrusion; Bandscheibenprolaps; ICD-10-GM M51.9: Bandscheibenschaden, nicht näher bezeichnet) handelt es sich in der Regel um einen Diskusprolaps/Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall; Nukleus pulposus-Prolaps). Dieser tritt meist im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf, kann aber auch im Bereich der zervikalen Wirbelsäule (HWS, Halswirbelsäule) vorkommen.
Die Vorstufe des Bandscheibenvorfalles wird Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) genannt.

Pathophysiologie

  • Diskusprolaps/Bandscheibenprolaps (BSP): Der innere Teil der Bandscheibe (Nukleus pulposus) wird durch den Anulus fibrosus (bindegewebiger Ring der Bandscheibe) nach hinten in Richtung Spinalkanal (Rückenmarkskanal) aus dem Bett der Bandscheibe zwischen den Wirbelkörpern gepresst. Meistens tritt der Nukleus dabei seitlich in den Kanal ein, sodass einzelne abgehende Nervenwurzeln komprimiert werden und zu den beschriebenen Symptomen führen.
  • Bandscheibenprotrusion: Der Anulus fibrosus bleibt intakt.

Schweregrad der Diskopathie

  • Protrusion: Vorwölbung des Anulus fibrosus.
  • Prolaps: Eintritt des Nukleus pulposus in die Foramina vertebralia (Zwischenwirbellöcher) oder seltener in den Spinalkanal (Wirbelkanal) nach Perforation des Ligamentum longitudinale posterius (hinteres Längsband).
  • Sequestration: Die prolabierten Anteile (Sequester) haben keine Verbindung mehr mit der Bandscheibe.

Ursachen der Diskopathie

  • Degeneration der Bandscheibe: Bildung von kleinen Einrissen im Anulus fibrosus aufgrund altersbedingter Verschleißerscheinungen oder Überlastung.

Einteilung der diskogenen Rückenschmerzen

  1. Lokale Rückenschmerzen diskogen bedingt: Meist ausgelöst durch median liegenden Bandscheibenprolaps (BSP; Bandscheibenvorfall; Durchbrechung des Anulus fibrosus), seltener durch reine Protrusion (Bandscheibenvorwölbung; partiell oder ganz erhaltener Anulus).
  2. Radikulopathie: Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln als Folge eines Bandscheibenvorfalls mit mediolateraler ("von der Mitte zur Seite hin") oder lateraler ("zur Seite") Lage; dadurch Komprimierung der absteigenden Fasern oder die Radices (Wurzeln) von Spinalnerven.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Wg. lumbalen Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall): Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend ab dem mittleren Lebensalter auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter eines Bandscheibenprolaps liegt zwischen 46 und 55 Jahren.

Die jährliche Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) des lumbalen Bandscheibenprolaps beträgt 1-2,5 %.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt ca. 150 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Eine Diskopathie, umgangssprachlich als Bandscheibenschaden bekannt, betrifft häufig die Lendenwirbelsäule (LWS) und kann auch die Halswirbelsäule (HWS) betreffen. Der Verlauf einer Diskopathie kann stark variieren, abhängig von der Schwere des Bandscheibenschadens und der betroffenen Region.

Akute Phase

  • Symptome: Akute Schmerzen im Rücken oder Nacken, die bis in die Extremitäten ausstrahlen können. Es können Taubheitsgefühle (Hypästhesien) oder Kribbeln (Parästhesien) auftreten.
  • Diagnose: Häufig durch klinische Untersuchung und Bildgebung (z. B. Magnetresonanztomographie, MRT) bestätigt.

Subakute Phase

  • Behandlung: In den meisten Fällen können die Schmerzen durch konservative Maßnahmen wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), physiotherapeutische Übungen und spezielle Lagerungstechniken (z. B. Stufenlagerung) gelindert werden.
  • Prognose: Viele Patienten erfahren in dieser Phase eine deutliche Besserung der Symptome.

Chronische Phase

  • Symptome: Anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen und mögliche neurologische Ausfälle, abhängig vom Grad der Nervenkompression.
  • Behandlung: Bei anhaltenden Beschwerden oder schweren neurologischen Ausfällen kann eine Operation erforderlich sein. Dazu gehören Verfahren wie die partielle Hemilaminektomie mit Nukleotomie (Entfernung der betroffenen Bandscheibe).

Prognose

Die Prognose bei Bandscheibenschäden ist in der Regel gut, insbesondere wenn rechtzeitig behandelt wird und keine schweren neurologischen Ausfälle vorliegen.

Konservative Therapie

  • Ergebnisse: Bei vielen Patienten führt eine konservative Therapie zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome. Besonders bei Leistungssportlern hat sich gezeigt, dass eine konservative Therapie ähnliche Ergebnisse wie operative Maßnahmen erzielt, wobei die Rückkehr zum Sport oft schneller gelingt [1].
  • Langzeitprognose: Die meisten Patienten können ihre normalen Aktivitäten wieder aufnehmen, wenn die konservative Behandlung erfolgreich ist.

Operative Therapie

  • Indikationen: Eine Operation wird in der Regel bei schweren neurologischen Störungen (z. B. Harnblasen- oder Mastdarmstörungen) oder bei anhaltenden, belastenden Symptomen, die auf konservative Maßnahmen nicht ansprechen, empfohlen.
  • Ergebnisse: Operative Eingriffe können die Symptome effektiv lindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern. Die Prognose nach der Operation ist in der Regel gut, obwohl die Genesungszeit variieren kann.

Komplikationen und Rezidive

  • Komplikationen: Selten können Komplikationen wie Infektionen oder erneute Bandscheibenvorfälle auftreten.
  • Rezidive: Bei einigen Patienten können die Symptome nach einiger Zeit wieder auftreten, was eine erneute Behandlung erforderlich machen kann.

Zusammenfassung

Bandscheibenschäden verursachen oft keine Beschwerden und können häufig konservativ behandelt werden. In Fällen, in denen schwere neurologische Störungen auftreten, ist eine operative Behandlung erforderlich. Mit adäquater Therapie ist die Prognose bei Bandscheibenschäden in der Regel gut, und die meisten Patienten können ihre normalen Aktivitäten wieder aufnehmen.

Literatur

  1. Sedrak P et al.: Return to Play After Symptomatic Lumbar Disc Herniation in Elite Athletes: A Systematic Review and Meta-analysis of Operative Versus Nonoperative Treatment Sports Health. 2021;13(5):446-453. doi:10.1177/1941738121991782

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Konservative, operative und rehabilitative Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik. (AWMF-Registernummer: 033 - 048), Juli 2020 Langfassung