Harnleiter- und Nierenspiegelung (Ureterorenoskopie)

Bei der Ureterorenoskopie (URS) handelt es sich um ein endoskopisches Verfahren zur Spiegelung des Harnleiters (Ureter) und der Niere (lat.: ren). Falls nur eine endoskopische Untersuchung des Ureters (Harnleiters) vorgenommen wird, bezeichnet man die Untersuchung als Ureteroskopie. Beide Verfahren dienen der Diagnostik und Therapie gleichermaßen.

Beurteilbare Strukturen

  • Harnleiter (Ureter)
    • Gesamter Verlauf des Harnleiters vom Blasenausgang bis zu den Nierenbeckenkelchen.
    • Wandbeschaffenheit und -integrität.
    • Vorhandensein von Engstellen, Strikturen (hochgradige Verengungen des Durchmessers) oder anderen Anomalien.
  • Nierenbecken (Pelvis renalis)
    • Übergangsbereich zwischen dem Nierenparenchym und den Harnleitern.
    • Beurteilung auf Dilatation, Strikturen oder obstruktive Pathologien (krankhafte Veränderungen bedingt durch Verschlüsse).
  • Nierenbeckenkelchsystem (Calices renales)
    • Die Kelche der Nieren, in die der Urin aus dem Nierengewebe fließt, bevor er in das Nierenbecken gelangt.
    • Untersuchung auf Steine, Tumoren oder entzündliche Veränderungen.
  • Urothel
    • Das Epithelgewebe, das die Innenseite des Harntrakts auskleidet.
    • Überprüfung auf Urothelkarzinome (Harnblasenkrebs), entzündliche Veränderungen oder andere neoplastische Zustände.
  • Tumoren
    • Identifikation und Lokalisation von Tumoren innerhalb des Harnleiters oder des Nierenbeckens.
    • Beurteilung der Ausdehnung und mögliche Biopsie zur histologischen (feingewebliche) Untersuchung.
  • Harnsteine
    • Lokalisation, Größe und Beschaffenheit von Steinen innerhalb des Harnleiters oder Nierenbeckens.
    • Beurteilung der Möglichkeit einer Steinextraktion oder Lithotripsie (Verfahren zur Zertrümmerung von Konkrementen durch Stoßwellen).

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Ureterensteine (Steine im Harnleiter) (Steingröße: - 2 cm)
  • Nephrolithiasis (Nierensteine)
  • Ureteren- (Harnleiter-) und Nierenbeckenkelchtumoren
  • Symptomatische Steinstraße und erfolglose konservative Therapie
  • Abklärung unklarer Harntransportstörungen (z. B. Harnleiterengen)
  • Abklärung unklarer Hämaturien (Blutbeimengungen im Urin)
  • Verdacht auf einen Tumor des oberen Harntrakts (OHT) [URS als diagnostische Maßnahme ist allen bildgebenden Maßnahmen überlegen]
    • Abklärung und Einstufung von Karzinomen des oberen Harntrakts
  • Behandlung von Harnleiterstrikturen (hochgradige Harnleiterverengungen) oder subpelvinen ("unterhalb des Nierenbeckens") Stenoserezidiven (Wiederauftreten von Verengungen)

Absolute Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unbehandelter Harnwegsinfekt (HWI)
  • Antikoagulation bzw. Gerinnungsstörungen:
    • bei diagnostischer URS keine Kontraindikation
    • bei Steintherapie eine relative Kontraindikation
    • bei geplanter Biopsie (Gewebeentnahme) eine absolute Kontraindikation

Beachte! Harnröhrenstrikturen, große Prostataadenome (Prostatavergrößerung), Zustand nach Harnleiterstrikturen und Harnleiterimplantationen können die Ureteroskopie sehr erschweren.

Vor der Untersuchung

  • Die präoperativen Laboruntersuchungen betreffen folgende Parameter: Kreatinin und Harnstoff (Einschätzung der Nierenfunktion) und die Gerinnungsparameter. Des Weiteren ist eine Urinanalyse mit Keimzählung und Urinkultur unabdingbar.
  • Vor Durchführung einer Ureterorenoskopie ist die Kenntnis über die Anatomie des Harntraktes zur sorgfältigen Planung des Eingriffes unabdingbar [Leitlinien: S2k-Leitlinie].
  • Erhebung des Gerinnungs- und Urinstatus.
  • Antikoagulantien sowie Thrombozytenaggregationshemmer (Gerinnungshemmung) sollten vor einer Ureterorenoskopie (URS) möglich pausiert werden. Eine URS ist nach sorgfältiger Risikoabwägung auch unter fortgeführter Antikoagulation und bei Patienten mit Gerinnungsstörungen möglich [Leitlinien: S2k-Leitlinie].
  • Bei Vorliegen von Harnsteinen ist eine routinemäßige Harnleiterschienung vor geplanter Ureterorenoskopie nicht erforderlich [Leitlinien: S2k-Leitlinie].
  • In den meisten Publikationen wird eine Antibiotikumprophylaxe empfohlen, die vor der Narkoseeinleitung erfolgt.

Das Verfahren

Die Lagerung des Patienten erfolgt in Steinschnittlagerung, d. h. der Patient liegt auf dem Rücken, die Beine im Hüftgelenk um 90 Grad gebeugt. Die Knie sind angewinkelt und die Unterschenkel werden auf Stützen gelagert, sodass die Beine etwa 50 bis 60 Grad voneinander abgespreizt sind.

Um Harnleiter und Nierenbecken sehen und beurteilen zu können, werden spezielle Endoskope mit Licht-, Optik- und Arbeitskanälen verwendet. Die Instrumente sind mit einer Lichtquelle ausgestattet und werden über die Harnröhre in die Blase und dann weiter in den Harnleiter eingeführt. Die Geräte gibt es sowohl als starre als auch als semiflexible Geräte.

Über einen Arbeitskanal lassen sich unterschiedliche Instrumente zur Zertrümmerung (intrakorporale Lithotripsie; bei der felxiblen URS ist der Holmium:YAG Laser der Goldstandard und Extraktion (Entfernung mittels Faßzangen, Dormiakorb/Steinfangkörbchen) von Ureterensteinen sowie zur Biopsie (Gewebegewinnung mittels Biopsiezangen) einführen.
Kleine Steine können mittels Hilfsinstrumenten (Fasszange, Dormiakorb) im Ganzen extrahiert werden. Größere Konkremente werden mittels pneumatischer, elektromechanischer oder Laserenergie lithotripsiert (in Einzelfragmente zerkleinert).

Soweit ein Verdacht auf einen Tumor des oberen Harntrakts (OHT) besteht, erfolgt im Regelfall eine Photodynamische Diagnostik (PDD), d. h. fluoreszierendes Material wird dabei selektiv in malignem Gewebe aufgenommen und kann dann unter einer bestimmten Wellenlänge des Lichts erkannt werden.

Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose (Larynxmaske (Kehlkopfmaske) oder Intubationsnarkose; ggf. auch in Spinalanästhesie/rückenmarksnahe Regionalanästhesie).

Die Dauer des Eingriffes hängt von den unterschiedlichen Indikationen ab. Bei einer Steintherapie beträgt die durchschnittliche Eingriffszeit ca. eine halbe Stunde bis zu einer Stunde.

Ergebnisse [Leitlinien: S2k-Leitlinie]

  • Distaler Harnleiter: SFR 93 %
  • Mittlerer Harnleiter: SFR 87 %
  • Proximaler Harnleiter: SFR 82 %
  • Nierensteine: SFR 81 % (inkl. Zweiteingriff: 90 %)

SFR = Steinfreiheitsrate nach 3 Monaten

Mögliche Befunde

  • Urolithiasis (Harnsteine): Feststellung und Behandlung von Steinen im Ureter (Harnleiter) oder im Nierenbecken.
  • Tumoren: Erkennung und Biopsie von Tumoren im oberen Harntrakt, einschließlich des Nachweises von Urothelkarzinomen (Harnblasenkrebs).
  • Strikturen: Diagnose von Engstellen im Ureter, die den Urinfluss behindern können.
  • Ureterale Verletzungen (Harnleiterverletzungen) oder Abnormalitäten: Einschließlich Divertikel, kongenitaler (angeborene) Anomalien oder iatrogener Schäden (arztbedingte Schäden).
  • Hämaturie: Identifikation der Blutungsquelle bei unklarer Hämaturie (Blut im Urin).

Nach der Untersuchung

  • Überwachung für ein bis zwei Stunden nach der Operation im Aufwachraum.
  • Entfernung des Blasenkatheters am ersten Tag nach der Operation. Diese wird während der Operation eingelegt.
  • Entlassung erfolgt in der Regel am zweiten Tag nach der Operation.
  • Nach dem Eingriff ist eine vorübergehende Einlage einer Harnleiterschiene (Doppel-J-Katheter, Pigtail-Katheter) notwendig. Diese wird in der Regel nach 7 bis 14 Tagen durch den niedergelassenen Urologen entfernt. Dafür ist keine Narkose erforderlich.

Mögliche Komplikationen

  • Kurzfristige Hämaturie (Blutbeimengungen im Urin): 0,5-20 %; falls Blutung → forcierte Diurese (stark vermehrte Harnproduktion mithilfe von Diuretika (entwässernde Medikamente))
  • Fieber -15 % [1]) oder Sepsis (Blutvergiftung): 1,1-3,5 % → Antibiotikatherapie
  • Verletzungen des Ureters (Harnleiter)
    • Ureterabriss: 01-0,2 %; 0,04-0,9 %
    • Ureterperforation ("Durchbohrung des Harnleiters"): ca. 1,6 %
    • Ureterstriktur/Ausbildung einer narbigen Striktion des Ureters/Harnleiterenge): 0,1 %
    • Verletzungen der Uretermukosa/Harnleiterschleimhaut (-46 %) [1]
  • Nierenkolik/Flankenschmerzen: 1,2-2,2 %
  • Schwerwiegende Komplikationen (rekonstruktive Folgeeingriffe notwendig) bei der Ureterorenoskopie sind selten und treten in weniger als 1 % der Fälle auf [Leitlinien: S2k-Leitlinie].
  • Postureteroskopischer Todesfälle wg. Urosepsis (akute Infektion mit Bakterien aus dem Urogenitaltrakt): Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt 0,1-4,3 % [1]
  • Spätkomplikationen nach Ureteroskopie [1]
    • Ureterobstruktionen oder Steinstraßen (0,3-2,5 %)
    • Ureterstrikturen (3 %)
    • Hydronephrose ("Wassersackniere") – Erweiterung des Nierenbeckens und/oder der Nierenkelche oder auch des Harnleiters durch eine Abflussstörung im Bereich der ableitenden Harnwege, die mittel- und langfristig zu einer Zerstörung des Nierengewebes führt (15,1-32,1 %)

Weitere Hinweise

  • Ureterorenoskopische Manipulationen an Karzinomen der oberen Harnwege lassen das Risiko für oberflächliche, jedoch nicht für invasive intravesikale Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung in der Harnblase) steigen: 37,1 Prozent der Patienten entwickelten während der Nachbeobachtungszeit von median 28 Monaten (Spanne: 3-135 Monate) ein intravesikales Rezidiv [2].

Literatur

  1. De Coninck V et al.: Complications of ureteroscopy: a complete overview. World J Urol 2020; 38:2147–2166; https://doi.org/10.1007/s00345-019-03012-1
  2. Nakano J et al.: The clinical impact of ureteroscopy for upper tract urothelial carcinoma: A multicenter study Urology 27 December 2023 https://doi.org/10.1111/iju.15375

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis (043/025), Deutsche Gesellschaft für Urologie, 2015. AWMF-Nr. 043 - 025
     
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