Einleitung
Blut im Urin (Hämaturie)

Die Hämaturie (Synonyme: Erythrozyturie; Essentielle Hämaturie; Hematuria; Hämaturie (Blut im Urin); Makrohämaturie; Massenhämaturie; Mikrohämaturie; Cystitische Hämaturie; hematuresis; ICD-10-GM R31: Nicht näher bezeichnete Hämaturie) bezeichnet das Vorhandensein von Blut im Urin.

Folgende Formen der Hämaturie werden unterschieden:

  • Ausscheidung von Erythrozyten (roten Blutkörperchen, mehr als 130.000 pro 24 Stunden); entspricht der  klassischen Hämaturie
  • Ausscheidung von Hämoglobin (rotem Blutfarbstoff); wird auch Hämoglobinurie genannt (z. B. paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), Marchiafava-Micheli; ICD-10-GM D59.5: Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie [Marchiafava-Micheli])

Die Hämaturie wird noch weiter aufgeteilt in:

  • Mikrohämaturie (Synonyme: asymptomatische Hämaturie; nicht-sichtbare Hämaturie) – mehr als 3.000 Erythrozyten werden pro Minute mit dem Primärharn ausgeschieden; bei dieser Form sieht man mit dem bloßen Auge keine Verfärbung des Urins; nur mittels Harnstreifen-Test oder im mikroskopischen Bild fallen Erythrozyten auf (> 5 Erythrozyten/μl Urin)
  • Makrohämaturie – bei dieser Form der Hämaturie sieht man eine Rotfärbung des Urins mit bloßem Auge

Die Mikrohämaturie ist meist ein Zufallsbefund bei einer Routineuntersuchung (= asymptomatische Mikrohämaturie, AMH), die Makrohämaturie führt den Patienten in der Regel direkt zum Arzt.

Eine Hämaturie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").  

Häufigkeitsgipfel:  In einer großen Studie wurde das Durchschnittsalter für Patienten mit asymptomatischer Hämaturie mit 48,2 Jahre angegeben [1].

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der asymptomatischen Mikrohämaturie liegt bei Erwachsenen zwischen 2,5 und 20 %. Diese fallen oft nach Kontrolluntersuchung negativ aus.

Verlauf und Prognose: Eine Hämaturie sollte als Warnsignal verstanden werden. Eine diagnostische Abklärung ist erforderlich. Bei jeder Hämaturie muss so lange von einer malignen (bösartigen) Erkrankung ausgegangen werden, bis das Gegenteil bewiesen ist. Dieses gilt insbesondere ab dem 40. Lebensjahr und dem Vorliegen mindestens eines Risikofaktors (z. B. Tabakrauchen, wiederholt nachgewiesene Mikrohämaturie) und ab dem 50. Lebensjahr ohne Vorliegen eines Risikofaktors. 

Eine asymptomatische Hämaturie kann Hinweis auf Malignome (Krebserkrankungen) im Harntrakt sein (Harnblasenkarzinome/Urothelkarzinome der oberen Harnwege (upper tract urothelial carcinoma, UTUC)/Nierenzellkarzinome). Bei Patienten, die älter als 40 Jahre sind, sind zudem Krankheiten wie Niereninsuffizienz (Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt) sowie Hypertonie (Bluthochdruck) und/oder Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) auszuschließen [2].
Meist ist jedoch keine Ursache nachweisbar. Dies ist besonders bei jungen Menschen der Fall. Die Hämaturie ist dann vorübergehend und harmlos. 
Risikofaktoren, bei deren Vorliegen maligne (bösartige) Tumoren signifikant häufiger auftraten, sind: Alter, männliches Geschlecht, irritative Beschwerden beim Wasserlassen und Rauchen [4].

Jeder dritte Patient mit einer Makrohämaturie hat eine Krebserkrankung. Meist sind die Patienten älter als 70 Jahre. In der Mehrzahl der Fälle liegt ein Urothelkarzinom vor. Die zweithäufigste Diagnose ist ein Prostatakarzinom [3].
Bei Patienten mit Makrohämaturie wurde in einer Studie 8-mal häufiger ein Malignom (bösartiger Tumor) der Harnwege festgestellt als bei Patienten mit Mikrohämaturie [8].
Bei einer persistierenden Mikrohämaturie und initial unauffälliger Zystoskopie (Blasenspiegelung) ist der Nutzen einer erneuten Abklärung fraglich [[7]. Eine weitere Zystoskopie förderte bei zwei Patienten (1,2 %) jeweils einen einzelnen Ta-Tumor (der Harnblase) zutage, entsprechend einer Quote von 1,2 %. Die Autoren empfehlen die Diagnostik, frühestens 3 Jahre nach der negativen Erstuntersuchung vorzunehmen. Bei Patienten, auf die das zutraf, hatten 2,0 % Tumoren der Blase und 2,1 % der Nieren.

Beachte:

  • Makrohämaturie und Krebsdiagnose
    • In einer prospektiven Beobachtungsstudie waren 3,5 Prozent der Patienten mit Makrohämaturie und Krebsdiagnose jünger als 45 Jahre
      1 Prozent der Krebspatienten mit Mikrohämaturie war unter 60 Jahre [5].
    • Bei einer makroskopischen Hämaturie ist auf Grundlage einer Metaanalyse mit einer Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von 5,9 % für ein Prostatakarzinom zu rechnen; bei einer mikroskopischen Hämaturie sank der Anteil auf 1,4 %; bezogen auf das Gesamtkollektiv der 18.752 beteiligten Männer hatten 3,0 % eine Prostatakrebsdiagnose erhalten [10].
  • Mikrohämaturie und Krebsdiagnose: 
    • Bei Patienten mit Mikrohämaturie zeigte sich in einer Studie eine Blasenkarzinominzidenz ( Häufigkeit von Neuerkrankungen eines Blasenkrebsvon 1-3 %, die Inzidenz für das Nierenzellkarzinom lag bei 1-2 % und für Urothelkarzinom des oberen Harntrakts (UTUC) bei 0-1 % [8].
    • Das Erkrankungsrisiko für Urothel- und Nierenzellkarzinome (Krebs der ableitenden Harnwege und Nierenkrebs) bei jungen Menschen mit persistierender Mikrohämaturie auf Grundlage von Musterungsdaten betrug weniger als 0,1 % im Laufe von 23 Jahren [9].
  • Patienten im Alter bis 70 Jahre mit Antikoagulation wg. Vorhofflimmern, bei denen eine Makrohämaturie aufgetreten ist, haben ein 36,3-fach erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung des Harntraktes wie gleichaltrige Patienten ohne Blutung [6].

Einen Notfall liegt vor, wenn eine massive, anämisierende Makrohämaturie mit Koagelbildung (Blutpfropfbildung) und Harnblasentamponade (Ausfüllen der Harnblase mit Blutkoageln) vorliegt. Ein solcher Patient sollte nach Legen eines großlumigen Katheters (optimal: doppellumiger Spülkatheter) und eines intravenösen Zugangs sofort in die Klinik eingewiesen werden.

Literatur

  1. Kang M et al.: Characteristics and significant predictors of detecting underlying diseases in adults with asymptomatic microscopic hematuria: A large case series of a Korean population. Int J urol 2015, online 12. Januar; doi: 10.1111/iju.12697
  2. S1-Leitlinie: Hämaturie, Nicht-sichtbare. (AWMF-Registernummer: 053-028), Januar 2019 Kurzfassung Langfassung
  3. Gan JH et al.: Quantifying the risk of malignancy in patients with visible haematuria presenting to the emergency department. J Clin Urol 2014, online 3. Oktober; doi: 10.1177/2051415814548913
  4. Samson P et al.: Predictors of genitourinary malignancy in patients with asymptomatic microscopic hematuria. Urol Oncol 2017, online 6. Oktober 2017 doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.urolonc.2017.09.011
  5. Tan WS et al.: Who Should Be Investigated for Haematuria? Results of a Contemporary Prospective Observational Study of 3556 Patients. Eur Urol (2018), doi: https://doi.org/10.1016/j.eururo.2018.03.008
  6. Rasmussen PV et al.: Hematuria and urinary tract cancers in patients with atrial fibrillation treated with oral anticoagulants. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2020; https://doi.org/10.1093/ehjcvp/pvaa045
  7. Pak JS et al.: Diagnostic yield of repeat evaluation for asymptomatic microscopic hematuria after negative initial workup. Urol Oncol 2020; https://doi.org/10.1016/j.urolonc.2020.11.032
  8. Fankhauser CD et al.: Diagnostic accuracy of ultrasonography, computed tomography, cystoscopy and cytology to detect urinary tract malignancies in patients with asymptomatic hematuria. World J Urol 2021;39:97-103 doi: 10.1007/s00345-020-03171-6.
  9. Leiba A et al.: Persistent asymptomatic isolated microscopic hematuria in adolescents is not associated with an increased risk for early onset urinary tract cancer. Urology 2022; https://doi.org/10.1016/j.urology.2022.06.048

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Hämaturie, Nicht-sichtbare. (AWMF-Registernummer: 053-028), Januar 2019 Kurzfassung Langfassung

     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage für Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

 
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
ArztOnline.jpg
 
DocMedicus                          
Gesundheitsportal

Unsere Partner DocMedicus Verlag