Schädel-MRT
Die Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels (Synonyme: craniale MRT; cMRT; Hirn-MRT) – oder auch Kernspintomographie oder NMR (nuclear magnetic resonance imaging) des Schädels genannt – bezeichnet ein radiologisches Untersuchungsverfahren, bei dem mit Hilfe eines Magnetfeldes vor allem das Gehirn, aber auch knöcherne Anteile, Gefäße, Hirnventrikel mit Liquor cerebrospinalis (Hirnkammern mit Hirnflüssigkeit), sowie die übrigen Weichteile im Inneren des Schädels untersucht werden.
Beurteilbare Strukturen
- Gehirngewebe: Einschließlich der weißen und grauen Substanz zur Bewertung von (Entmarkungen), Degeneration oder Neoplasien (Neubildung).
- Hirnventrikel/mit Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) gefüllte Hohlräume und Liquorräume: Für die Diagnostik von Hydrozephalus ("Wasserkopf"), Atrophien oder Blockaden.
- Gefäßsystem: Darstellung von Aneurysmen, vaskulären Malformationen (Gefäßmissbildung) und Durchblutungsstörungen.
- Hirnhäute: Beurteilung von Entzündungen wie Meningitis oder raumfordernden Effekten durch Subduralhämatome (Einblutung zwischen zwei Hirnhäuten).
- Innere und mittlere Schädelbasis: Einschließlich der Darstellung der Hirnnerven und der Beurteilung von Tumoren oder entzündlichen Prozessen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Gefäßbezogene Pathologien
- Hirninfarkt (Schlaganfall durch Gefäßverschluss)
- Hirnblutungen (Blutung im Gehirn oder zwischen den Hirnhäuten)
- Veränderungen der Blutgefäße wie Atherosklerose (Arterienverkalkung)
- Gefäßanomalien (z. B. Angiome – Gefäßgeschwülste, kavernöse Hämangiome – Blutgefäßmissbildungen, arteriovenöse Malformationen – Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen)
- Aneurysmenbildungen (Gefäßaussackungen) und deren Verlaufskontrolle
- Venöse Sinusthrombosen (Blutgerinnsel in den Hirnvenen)
Entzündliche Erkrankungen
- Meningitis (Hirnhautentzündung)
- Enzephalitis (Gehirnentzündung)
- Zerebritis, Abszesse (eitrige Entzündung des Gehirns)
- Granulomatöse Erkrankungen (z. B. Neurosarkoidose – entzündliche Bindegewebserkrankung, Tuberkulose – bakterielle Infektion)
- Infektionen im Bereich des Gesichts- und Hirnschädels (z. B. Nasennebenhöhlenentzündungen mit Ausbreitung)
Traumatische Veränderungen
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT – Kopfverletzung mit Gehirnbeteiligung)
- Kontusionsblutungen, diffuse axonale Verletzungen (Schädigungen des Hirngewebes durch Erschütterung)
- Hirnnervenverletzungen (Schädigung der Hirnnerven z. B. durch Trauma oder Druck)
- Frakturen im Bereich der Schädelbasis, Orbitaboden oder Felsenbeinregion (Brüche der Schädelknochen)
- Verletzungen von Auge oder Ohr (z. B. nach Unfall)
Neoplastische Erkrankungen
- Primäre Hirntumoren (z. B. Gliome – bösartige Hirntumoren, Meningeome – Hirnhautgeschwülste, Medulloblastome – Tumoren des Kleinhirns)
- Metastasen (Absiedlungen bösartiger Tumoren) z. B. bei Mamma-, Bronchial- oder Melanomkarzinom (Brust-, Lungen- oder Hautkrebs)
- Tumoren der Hypophyse und parasellärer Raum (Geschwülste an der Hirnanhangsdrüse und Umgebung)
- ZNS-Lymphome (Lymphdrüsenkrebs im zentralen Nervensystem)
- Tumorassoziierte epileptische Anfälle (Anfälle infolge von Hirntumoren)
Neurodegenerative Erkrankungen
- Morbus Alzheimer (Alzheimer-Krankheit), frontotemporale Demenz (Form der Demenz mit Persönlichkeitsveränderung), Lewy-Körper-Demenz (Demenz mit Bewegungsstörung)
- Morbus Parkinson (Parkinson-Krankheit) und atypische Parkinson-Syndrome (z. B. MSA – Multisystematrophie, PSP – progressive supranukleäre Blickparese)
- Multisystematrophien, kortikale Atrophien unklarer Genese (Rückbildung von Hirngewebe)
Epileptologische Diagnostik
- Fokale kortikale Dysplasien (Fehlbildungen der Hirnrinde)
- Mesiale Temporallappenepilepsie (bestimmte Form der Schläfenlappenepilepsie) inkl. Hippocampussklerose (Vernarbung eines Hirnareals)
- Abklärung unklarer Anfallssymptomatik (z. B. bei erstmaligem Krampfanfall)
Demyelinisierende Erkrankungen
- Multiple Sklerose (MS – chronisch-entzündliche Erkrankung des Nervensystems) inkl. Verlaufsbeurteilung
- Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM – seltene Entzündung von Gehirn und Rückenmark nach Infekten)
- Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD – seltene Autoimmunerkrankung mit Sehnerven- und Rückenmarksbeteiligung)
Liquor- und Hirndruckstörungen
- Hydrozephalus (Wasserkopf) insbesondere Normaldruckhydrozephalus (Form mit Gangstörung, Inkontinenz und Gedächtnisproblemen)
- Obstruktive Liquorzirkulationsstörungen (gestörter Abfluss der Gehirnflüssigkeit)
- Nachweis von Liquorfisteln (ungewollter Austritt von Nervenwasser)
Fehlbildungen und entwicklungsbedingte Anomalien
- Chiari-Malformation (Verlagerung von Kleinhirnanteilen in Richtung Rückenmark)
- Syringomyelie (Flüssigkeitsgefüllter Hohlraum im Rückenmark)
- Schädel- und Gesichtsfehlbildungen (angeborene knöcherne Veränderungen)
- Atlantoaxiale Instabilität (Instabilität im oberen Halswirbelsäulenbereich)
Strukturelle Veränderungen im Gesichts- und Schädelbereich
- Darstellung der Orbita (Augenhöhle)
- Darstellung des Innenohres und der Gehörknöchelchen (z. B. bei Schwerhörigkeit oder Schwindel)
- Darstellung der inneren Gehörgänge (z. B. zur Tumorsuche am Hörnerv)
- Diagnostik von tumorösen, zystischen und entzündlichen Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen (z. B. Zysten, Abszesse, Tumoren)
Funktionelle und strukturbezogene Kiefergelenksdiagnostik
-
Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD – Fehlregulation des Kiefergelenks) mit Gelenkbeschwerden, Bewegungseinschränkungen oder Kiefergeräuschen
Endokrinologische Indikationen
- Hypophysenadenome (gutartige Tumoren der Hirnanhangsdrüse), andere Läsionen des Hypophysenstiels (Veränderungen im Bereich des Hormonsystems)
- Hormonell aktive Tumoren (z. B. Prolaktinome – Tumoren mit erhöhter Milchhormonproduktion, Cushing-Adenome – Tumoren mit Cortisolüberproduktion)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Für eine Schädel-MRT gelten die üblichen Kontraindikationen wie für jede MRT-Untersuchung:
- Herzschrittmacher (mit Ausnahmen)
- Mechanische künstliche Herzklappen (mit Ausnahmen)
- ICD (implantierter Defibrillator)
- Metallische Fremdkörper in gefährlicher Lokalisation (z. B. in direkter Nähe zu Gefäßen oder Augapfel)
- Andere Implantate wie: Cochlear-/Okularimplantat, implantierte Infusionspumpen, Gefäßclips, Swan-Ganz-Katheter, epikardiale Drähte, Neurostimulatoren etc.
Bei hochgradiger Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und bestehender Schwangerschaft sollte auf eine Kontrastmittelgabe verzichtet werden.
Vor der Untersuchung
Patientenvorbereitung
- Entfernung aller metallischen Gegenstände
- Bequeme Kleidung ohne Metallteile tragen
- Überprüfung der MRT-Tauglichkeit von medizinischen Implantaten
Medizinische und gesundheitliche Vorbereitung
- Fortführung der regulären Medikation, es sei denn, es gibt spezifische Anweisungen
- Überprüfung der Nierenfunktion bei geplanter Verwendung von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel
- Berücksichtigung einer möglichen Schwangerschaft
Aufklärungsgespräch und Einwilligung
- Erläuterung des Verfahrens, inklusive Dauer und Kontrastmittelgebrauch
- Besprechung möglicher Risiken und Nebenwirkungen
- Einholung der schriftlichen Einwilligung
Das Verfahren
Technik
- Hochfeld-MRT (1,5 oder 3 Tesla – besonders leistungsstarke Magnetresonanztomographen) mit Verwendung einer Kopfspule (dedizierte Cranialspule – Spezialantenne für den Kopf – zur Signalverstärkung)
- T1-gewichtete Sequenzen (fettsensitive Bildgebung) zur Darstellung der Anatomie, Blutungen oder Fettstrukturen
- T2-gewichtete Sequenzen (flüssigkeitssensitive Bildgebung) zur Beurteilung von Ödemen (Flüssigkeitseinlagerungen), zystischen Läsionen (Flüssigkeitsansammlungen) und Liquorräumen (mit Gehirnflüssigkeit gefüllte Hohlräume)
- FLAIR-Sequenzen (Spezialtechnik zur Unterdrückung des Flüssigkeitssignals) zur Unterdrückung des freien Liquorsignals und Detektion periventrikulärer oder kortikaler Läsionen (Gewebeveränderungen nahe den Hirnkammern oder der Hirnrinde)
- Diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI – empfindliche Bildgebung bei Durchblutungsstörungen) zur Ischämiediagnostik (z. B. bei Schlaganfall)
- Suszeptibilitätsgewichtete Sequenzen (SWI – Technik zur Darstellung magnetischer Unterschiede) zur Darstellung von Mikroblutungen, Verkalkungen oder Gefäßmalformationen (Gefäßfehlbildungen)
- Gadoliniumhaltiges Kontrastmittel (Mittel zur besseren Gewebedarstellung) optional bei Fragestellungen zu Tumoren (Geschwülsten), Entzündungen, Metastasen oder vaskulären Läsionen (Gefäßveränderungen)
- 3D-Sequenzen (z. B. MPRAGE, CISS – hochauflösende dreidimensionale Aufnahmen) für multiplanare Rekonstruktionen (Bildberechnung in mehreren Ebenen) und hochauflösende Hirnstrukturdarstellung
Ablauf der Untersuchung
- Lagerung in Rückenlage mit Kopfpositionierung in der Kopfspule
- Geräuschschutz durch Ohrstöpsel oder Kopfhörer; ggf. Fixierung zur Minimierung von Bewegungsartefakten (Störungen durch Bewegung)
- Dauer ca. 20-30 Minuten (ggf. länger bei Kontrastmittelgabe oder Zusatzsequenzen)
- Bei Kontrastmittelgabe: intravenöse Injektion von Gadolinium-basiertem Kontrastmittel (Kontrastmittel zur besseren Darstellung von Gewebeveränderungen) während der Untersuchung
Mögliche Befunde
Neurodegenerative Erkrankungen
- Morbus Alzheimer: Typische Muster der kortikalen Atrophie, insbesondere im medialen Temporallappen (Schädellappen) und Parietallappen (Scheitellappen).
- Parkinson-Syndrome: Atrophie der Substantia nigra und Veränderungen im Striatum auf T2-gewichteten Bildern.
Demyelinisierende Erkrankungen/Entmarkungserkrankungen
- Multiple Sklerose (MS): Multiple hyperintense Läsionen in T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen, bevorzugt periventrikulär, im Corpus callosum und in der Medulla oblongata. Kontrastmittelaufnehmende aktive Läsionen in T1 nach Gadolinium-Gabe.
Vaskuläre Erkrankungen/Gefäßerkrankungen
- Akuter ischämischer Schlaganfall: Frühe Diffusionsrestriktionen im betroffenen Areal. Veränderungen in der Perfusionsbildgebung.
- Intrazerebrale Blutungen (Hirnblutung): Hyperintense oder gemischte Intensitätssignale in T1- und T2-Sequenzen je nach Alter des Hämatoms.
- Aneurysmen und vaskuläre Malformationen: Direkte Visualisierung von Aneurysmen (Gefäßaussackungen) und Gefäßfehlbildungen mittels MRT-Angiographie (Angio-MRT).
Infektionen und Entzündungen
- Meningitis (Gehirnhautentzündung): Leptomeningeale Verdickung und Enhancement.
- Hirnabszess: Ringförmiges Kontrastmittel-Enhancement mit zentraler Nekrose.
- Enzephalitis (Gehirnentzündung): Diffuse oder fokale Signalanhebungen im betroffenen Hirnparenchym (Gehirngewebe).
Tumoren
- Gliome: Variierende Intensitäten abhängig vom Grad der Malignität (Bösartigkeit), häufig mit perifokalem Ödem und möglicher Kontrastmittelaufnahme.
- Metastasen (Tochtergeschwülste): Runde oder ovale Läsionen mit deutlichem Rand-Enhancement und perifokalem Ödem.
- Meningeome: Homogene Kontrastmittelaufnahme, oft mit einem "dural tail"-Zeichen.
Traumatische Hirnverletzungen
- Diffuse axonale Verletzung: Multiple kleine hyperintense Läsionen in T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen, oft im Corpus callosum und in den tiefen weißen Substanzen.
- Subdural- und Epiduralhämatome: Bikonvexe oder konkav-konvexe hyperintense oder hypointense Massen in Bezug auf die Hirnoberfläche.
Kongenitale und Entwicklungsanomalien
- Arnold-Chiari-Malformation: Herniation der Kleinhirntonsillen durch das Foramen magnum.
- Agenesie des Corpus callosum: Fehlende oder partielle Entwicklung des Corpus callosum, erkennbar durch typische radiologische Zeichen.
Funktionsstörungen und Erkrankungen der Hirnnerven
- Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom): Typischerweise im Kleinhirnbrückenwinkel lokalisiert, mit intensiver Kontrastmittelaufnahme.
Nach der Untersuchung
- Sorgfältige Auswertung der MRT-Bilder durch einen erfahrenen Neuroradiologen.
- Erstellung eines detaillierten Berichts, der die Befunde im Kontext der klinischen Fragestellung interpretiert.
- Besprechung der Ergebnisse mit dem Patienten und/oder dem zuweisenden Arzt, um das weitere diagnostische oder therapeutische Vorgehen zu planen.
Mögliche Komplikationen
Ferromagnetische Metallkörper (auch metallisches Make-up oder Tätowierungen) können zur lokalen Wärmeentwicklung führen und möglicherweise Parästhesie-ähnliche Empfindungen (Kribbeln) auslösen.
Zufallsbefunde bei MRT-Untersuchungen des Gehirns
- Bei einer prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie in den Niederlanden traten bei MRT-Untersuchungen des Gehirns bei 9,5 % der Patienten Zufallsbefunde auf. Am häufigsten waren Meningeome (Hirnhauttumoren; meist gutartig) und zerebrale Aneurysmen (Arterienerweiterung). Seltener waren Arachnoidalzysten (angeborene, gutartige Hohlräume im Gehirn) und Veränderungen der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) [1].
Literatur
- Bos D et al.: Prevalence, Clinical Management, and Natural Course of Incidental Findings on Brain MR Images: The Population-based Rotterdam Scan Study. Radiology 2016; online 23. Juni. doi: 10.1148/radiol.2016160218