Hodengeschwülste (Hodenmalignome) – Folgeerkrankungen

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Hodenmalignome (Hodengeschwülste) – unter Berücksichtigung einer Chemotherapie – mit bedingt sein können:

Atmungssystem (J00-J99)

  • Lungenfibrose (wg. Chemotherapie mit Bleomycin)
  • Pneumonitis (Lungengerüstentzündung) (wg. Chemotherapie mit Bleomycin)

Blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Anämie (Blutarmut) und Eisenmangel (wg. Chemotherapie)
  • Febrile Neutropenie (FN): orale Temperatur einmalig über 38,3 °C oder eine Stunde lang über 38 °C und die Neutrophilen unter 500/µl liegen (wg. Chemotherapie)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion) (s. u. "Weiteres")
    Beachte: Der Testosteronwerte sollte mindestens einmal jährlich kontrolliert werden.
  • Raynaud-Syndrom – Durchblutungsstörungen an den Händen oder Füßen, die durch Vasospasmen (Gefäßspasmen) bedingt sind (wg. Bleomycin oder Cisplatin-basierte Chemotherapie)

Kreislaufsystem (I00-I99)

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen wg. Akut- und Langzeittoxizitäten
  • Thrombosen und Embolien (wg. Chemotherapie mit Cisplatin)
    Beachte: Prophylaktische Antikoagulation mit niedermolekularen Heparinen

Neubildungen und Tumorerkrankungen (N00-N99)

  • Metastasierung (Bildung von Tochtergeschwülsten), vor allem in folgende Organe:
    • Knochen
    • Leber
    • Lunge
    • Lymphknoten
  • Rezidiv (Wiederauftreten) der Erkrankung (Häufigkeitsgipfel: -2 Jahren; Spätrezidive: ≥ 10-35 Jahre)
  • Hodentumoren im kontralateralen ("auf der entgegengesetzten Körperseite") Hoden (Fünfjahresinzidenz: 2 %; dabei handelte es sich meistens um metachrone Tumoren; metachron heißt in diesem Zusammenhang, dass die Tumoren mehr als 6 Monate nach dem Primärtumor (ursprünglicher Tumor) entdeckt wurden. Davon waren besonders häufig jüngere Männer betroffen [3])
  • Sekundärmalignome/Zweittumoren (solide Tumoren; ≥ 10 Jahre nach der Therapie): das Risiko ist im Vergleich zur Normalbevölkerung um das 1,4- bis 1,8-Fache erhöht; am häufigsten sind hierbei Mesotheliome, Ösophagus‑, Harnblasen-, Lungen‑, Kolon‑, Pankreas und Magenkarzinome.
    Des Weiteren Auftreten der akuten myeloischen Leukämie (AML)

Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95)

  • Ototoxischer Hörverlust (wg. Chemotherapie mit Cisplatin)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Paraneoplastische Enzephalitis (bei Männern mit Seminomen kommt es zu einer Antikörper-vermittelten Paraneoplasie;/Begleitsymptome einer Krebserkrankung, die nicht primär durch die Neoplasie (Neubildung) entstehen; Autoantigen ist das "kelch-like protein 11“ (KLHL11)) [2]
  • Polyneuropathie – Oberbegriff für Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mit chronischen Störungen der peripheren Nerven oder Anteilen von Nerven einhergehen (wg. Chemotherapie mit Cisplatin)

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Chemotherapieinduzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV) 
  • Diarrhoe (Durchfall) (wg. Chemotherapie)

Urogenitalsystem (N00-N99)

  • Schädigung des proximalen Tubulusepithels mit langfristiger Abnahme der Nierenfunktion (wg. Nephrotoxizität; wg. Chemotherapie mit Cisplatin)
  • Subfertilität (Einschränkung der Fruchtbarkeit): Oligospermie (verminderte Anzahl von Spermien im Ejakulat/Samenflüssigkeit) und Azoospermie/vollständige Fehlen von Samenzellen im Ejakulat (wg. Chemotherapie mit Cisplatin oder alkylierenden Substanzen wie Ifosfamid)

Verdauungssystem (K00-K93)

  • Mukositis (Mundschleimhautentzündung) (wg. Chemotherapie)

Weiteres

  • Erhöhtes Risiko für metabolische Störungen und kardiovaskuläre Erkrankungen (direkte Behandlungsfolge oder indirekt durch Hypogonadismus?): Patienten mit Hypogonadismus wiesen in 36,0 % der Fälle ein metabolisches Syndrom auf [1].
    Fazit: Bei Patienten, die in der Zeit nach einer Behandlung Zeichen eines Hypogonadismus aufweisen, sollten die Laborparameter des metabolischen Syndroms bestimmt werden (z. B. HbA1c; s. u. "Metabolisches Syndrom/Labordiagnostik").

Literatur

  1. Bogefors C et al.: Hypogonadism in testicular cancer patients is associated with risk factors of cardiovascular disease and the metabolic syndrome. Andrology 2017, online 23. Mai; doi: 10.1111/andr.12354
  2. Mandel-Brehm C et al.: Kelch-like Protein 11 Antibodies in Seminoma-Associated Paraneoplastic Encephalitis. N Engl J Med 2019; 381:47-54 doi: 10.1056/NEJMoa1816721
  3. Maroto P et al.: Incidence and Clinical Pattern of Contralateral Synchronous and Metachronous Germ Cell Testicular Cancer. Urologic Oncology, 11 Nov 2020, doi: 10.1016/j.urolonc.2020.11.004