Bronchiektasen – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Wiederholte schwere bronchiale Infekte im Kindesalter wie Pneumonien (Lungenentzündungen) führen zu einem Umbau der Struktur der Bronchien. Häufig beginnen Bronchiektasen auch mit einer Verengung (Obstruktion) des Bronchialbaums, z. B. durch Fremdkörper oder Bronchialtumore. Es kommt zu einer dauerhaften Reizung der Atemwege.
Letztlich münden die meisten Auslöser in einer Zerstörung des respiratorischen Flimmerepithels und damit in einer Störung der mukoziliären Clearance der Bronchien (Selbstreinigung der Bronchien).

Das Flimmerepithel besteht aus beweglichen Kinozilien, die sich koordiniert in Richtung Pharynx (Rachen) bewegen. Sie befördern Bronchialschleim und die in die Atemwege eingedrungenen Fremdkörperchen sowie Mikroorganismen aus den Atemwegen. Im Rahmen inflammatorischer Prozesse (Entzündungsvorgänge) infiltrieren (eindringen) Inflammationszellen das umliegende Parenchym ("Gewebe") des bronchialen Epithels. Das Gewebe wird zerstört und es kommt zu Aussackungen in Form von sackförmigen, spindelförmigen oder zylindrischen Ausweitungen. Dadurch wird die "mukoziliäre Clearance" (Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien) gestört, mit der Folge der Sekretretention (Verbleiben von Sekret in den Bronchien), die ein idealer Nährboden für infektiöse Erreger darstellt. Zudem kann durch die Ausweitungen der Bronchialschleim noch schlechter abfließen. Es entsteht ein Circulus vitiosus (Teufelskreis).

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Kongenitale (angeborene) Defekte
    • Anatomisch:
      • Marfan-Syndrom – genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs, Spinnengliedrigkeit und Überstreckbarkeit der Gelenke auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma (pathologische (krankhafte) Ausbuchtung der Arterienwand)
      • Skoliose (S-förmige Wirbelsäule)
      • Tracheobronchomegalie – Erweiterung der Luftröhre und der großen Bronchien
    • Andere angeborene Erkrankungen, die mit einer eingeschränkten mukoziliären Clearance einhergehen:
      • Agammaglobulinämie  X-gebundene Immundefizienz, bei der aufgrund eines Gendefekts die B-Lymphozyten nicht vollständig ausgebildet werden können; dieses bedingt eine erhöhte Infektanfälligkeit im HNO-Bereich sowie der Lungen
      • Alpha-1-Antitrypsinmangel – Leberzellen bilden das Enzym fehlerhaft oder in zu geringer Menge; ein Alpha-1-Antitrypsinmangel geht bei Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) einher.
      • Defektes ENaC-Protein – Mutation im ENaC-Gen, die zu einem defekten epithelialen Natriumkanal führt; es kommt zu einem hyperaktiven Natriumkanal, der zu einer Störung der Salz-Wasserhomöostase (Homöostase = Gleichgewicht) an der respiratorischen Mukosa (Bronchialschleimhaut) führt
      • Hyper-IgE-Syndrom (HIES)  primärer Immundefekt, der klinisch gekennzeichnet ist durch die Trias hohes Serum-IGE (> 2.000 IU/ml), rezidivierende Staphylokokken-Hautabszesse und rezidivierende Pneumonien (Lungenentzündung) mit Bildung von Pneumatozelen (krankhafte Luftansammlung im Gewebe)
      • Kartagener-Syndrom – angeborene Erkrankung; Trias aus Situs inversus viscerum (spiegelbildliche Anlage der Organe), Bronchiektasen (Synonyme: Bronchiektasie; Erweiterungen der Bronchien) und Aplasie (Nichtausbildung) der Nasennebenhöhlen Erkrankungen ohne Situs inversus nennt man primäre ziliäre Dyskinesie (engl. Primary Ciliary Dyskinesia, PCD)
      • Primär ziliäre Dyskinesie (PCD) (häufigste Ursache für Non-CF-Bronchiektasen (nicht durch eine zystische Fibrose verursacht)) – die Bewegung der Zilien (Flimmerhärchen) ist gestört, wodurch es zu einer verminderten Sekretclearance kommt → erhöhte Infektanfälligkeit
      • Selektiver IgA-Mangel – häufigste genetisch bedingte Immundefizienz; führt vor allem zu chronisch rezidivierenden (wiederkehrenden) Infekten des Respirationstraktes
      • Variables Immundefektsyndrom („Common variable immunodeficiency“ (CVID)) – angeborener Immundefekt bei welchem die Immunglobulinsynthese, besonders des Immunglobulin G, unverhältnismäßig niedrig ist, wodurch es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit vor allem für bakterielle Infekte der Luftwege und des Gastrointestinaltraktes (Magen-Darm-Trakt) kommt
      • Zystische Fibrose (CF) (Synonym: Mukoviszidose)

Krankheitsbedingte Ursachen – erworbene Bronchiektasen

  • Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) – durch Schimmelpilze der Schlauchpilz-Gattung Aspergillus ausgelöste gemischtförmige allergische Erkrankung der Lunge (Typ-I- und Typ-III-Allergie)
  • Asthma bronchiale
  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – chronische Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht
  • Diffuse Panbronchiolitis – chronisch progrediente (fortschreitende) Entzündung der Bronchiolen
  • Gelbe-Fingernägel-Syndrom ("Yellow-nail-Syndrom") – gelblich verfärbte Nägel; z. B. bei chronische Bronchitis, Bronchiektasen (Synonym: Bronchiektasie), Pleuraerguss, Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung)
  • Fibrose (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) – Bestrahlungsfibrose, Lungenfibrose, posttuberkulöse Fibrose
  • Immunologische Defekte (sekundäre)
    • Chemotherapie
    • Immunsuppressive Therapie
    • Tumor
  • Obstruktion (Verengung) der Atemwege durch:
    • benigne (gutartige) Tumoren
    • vergrößerte Lymphknoten
  • Postinfektiös – spielt vor allem in den Entwicklungsländern eine Rolle (häufigste Ursache); in den Industrienationen ist die Erkrankungsrate aufgrund des Einsatzes von Antibiotika und Impfprogrammen rückläufig
    • Viral (Adenovirus, Influenza, Paramyxovirus): z. B. HIV, Influenza (Grippe), Masern
    • Bakteriell (gramnegative Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa, Haemophilus influenzae): z. B. Pertussis (Keuchhusten)
    • Fungizid
    • Atypische Mykobakterien: z. B. Tuberkulose
    • Die häufigsten Erreger sind: Haemophilus influenzae, Pseudomonas spp., Streptococcus pneumoniae
  • Rheumatoide Arthritis – entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert
  • Skoliose (S-förmige Wirbelsäule) – Seitwärtsverbiegung der Wirbelsäule, bei gleichzeitiger Rotation der Wirbel, welche nicht mehr vollständig aufgerichtet werden kann
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – Systemerkrankung, die die Haut und das Bindegewebe der Gefäße betrifft und so zu Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) zahlreicher Organe wie Herz, Nieren oder Gehirn führt
  • Tracheobronchiale Amyloidose (häufigste Form der pulmonalen Amyloidose/Ablagerungen von Amyloiden (abbauresistente Proteine))
  • Young-Syndrom – charakterisiert durch eine chronische Bronchitis, Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung) und Azoospermie (Fehlen von Samenzellen im Samen); vermutlich autosomal-rezessiv vererbt

Weitere Ursachen

  • Fremdkörperaspiration (Einatmen von Fremdkörpern)