Ursachen
Rückenschmerzen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

In der Mehrzahl der Fälle (ca. 85 %) liegen unspezifische Rückenschmerzen/Kreuzschmerzen vor, d. h. funktionelle Zustände, myofasziale (Muskel und Faszie betreffend) und ligamentäre (Bänder betreffend) Schmerzen etc..

In ca. 15 % der Fälle liegen spezifische Rückenschmerzen/Kreuzschmerzen vor, d. h. es bestehen klare Ursachen (z. B. Frakturen/Knochenbrüche, Tumoren etc.) und Korrelationen mit bildgebenden Verfahren.

Die Pathogenese ist sehr vielgestaltig und kann von
einfachen Rückenschmerzen, die durch Fehlhaltungen bedingt sind, bis zu komplizierten Rückenschmerzen durch Tumoren oder Traumata reichen.
Häufig sind Bandscheibenvorfälle (Prolapsus nuclei pulposi, Diskusprolaps) und degenerative Veränderungen (Spondylarthrose), die zu Schmerzen führen.

Das Kreuzdarmbeingelenk (Iliosakralgelenk, ISG) kann Ursache von 10 % bis zu 38 % aller tiefen Rückenschmerzen sein.

Ätiologie (Ursachen)

Folgende ursächliche Faktoren sind bei Rückenschmerzen bzw. Kreuzschmerzen bekannt:

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • wenn beide Elternteile unter Rückenbeschwerden litten, hatten die erwachsenen Kinder überdurchschnittlich häufig ebenfalls dieses Problem [1]
    • Genetische Erkrankungen
      • Marfan-Syndrom – genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs, Spinnengliedrigkeit und Überstreckbarkeit der Gelenke auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma (pathologische (krankhafte) Ausbuchtung der Arterienwand)
      • Spina bifida occulta
  • Berufe: Berufe mit
    • Schwerarbeit (z. B. Baugewerbe)
    • Tragen und Heben schwerer Lasten (z. B. Baugewerbe, Paketdienste)
    • Einwirkungen von Vibrationen auf den Körper (z. B. Stampfer, Bohrer)
    • Arbeiten im Sitzen (z. B. Büroangestellte)
    • Arbeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder Krafteinwirkung
    • Arbeiten in ungünstiger Körperhaltung (Zwangshaltung) (z. B. Bodenleger, Estrichleger, Friseure, Uhrmacher, Zahnärzte)
    • sich ständig wiederholenden Arbeiten (z. B. Fließbandarbeiter)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol [2]
    • Tabak (Rauchen) – kann Ursache degenerativer Bandscheibenprozesse sein
  • Körperliche Aktivität 
    • Bewegungsmangel
    • Geringe körperliche Kondition
    • Übermäßige oder falsch ausgeführte sportliche Tätigkeit – u. a. auch Leistungssport (insb. in jüngerem Lebensalter)
    • Schwere körperliche Arbeit, die den Rücken beansprucht (z. B. Tragen, Heben schwerer Lasten)
    • Einseitige Belastungen wie langes Sitzen am Arbeitsplatz
    • Haltungsschäden, Fehlbelastung, Überbeanspruchung
  • Psycho-soziale Situation [psychosoziale Risikofaktoren haben eine hohe Bedeutung für die Chronifizierung der Rückenschmerzen (Evidenzgrad (EG), Level A)]
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Entzündungen wie Pneumonie (Lungenentzündung)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Übergewicht)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Aortenaneurysma – Aussackung (Aneurysma) der Hauptschlagader (Aorta)
  • Herz- und Gefäßerkrankungen wie Myokarditis (Herzmuskelentzündung) oder Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend)/Koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung)
  • Vertebralisarteriendissektion

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Herpes zoster (Gürtelrose)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse)  (K70-K77; K80-K87)

  • Übertragungsschmerz bei Organerkrankungen wie beispielsweise bei Erkrankungen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) – z. B. Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  •  Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Akuter Bänder- oder Muskelschmerz im Bereich der Wirbelsäule
  • Akuter Reizzustand der Wirbelsäule
  • Akute reversible Gelenkfunktionsstörungen – Blockierung eines Gelenks, die spontan zurückgeht
  • Arthritis (Gelenkentzündung) im Bereich der Wirbelsäule
  • Arthrose (Gelenkverschleiß)
  • Autoimmunerkrankungen wie Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans; latinisiertes Griechisch: Spondylitis „Wirbelentzündung“ und ankylosans „versteifend“) – chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken
  • Axiale Spondyloathritis (SpA) – bekannteste Unterform ist der Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis); erste Symptome sind tiefsitzende, häufig nächtlich auftretende Rückenschmerzen und eine Steifigkeit der Wirbelsäule; Auftreten der Erkrankung meist erstmals im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt
  • Costotransversalgelenksarthrose (Arthrose der Wirbel-Rippen-Gelenke)
  • Diskusprolaps (Bandscheibenprolaps/Bandscheibenvorfall) – bei jüngerem Lebensalter als Ursache einer Wurzelkompression
  • Diskusprotrusion (Bandscheibenprotrusion/Vorwölbung der Bandscheibe)
  • Diszitis – Entzündung einer Zwischenwirbelscheibe
  • Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule wie bei einer Osteomyelitis (Knochenentzündung)
  • Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans; latinisiertes Griechisch: Spondylitis „Wirbelentzündung“ und ankylosans „versteifend“) – chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken
  • Morbus Scheuermann (Osteochondrose der Wirbelsäule) – degenerative Veränderungen des Knochens/Knorpels im Bereich der Gelenke und der Epiphysen (Gelenkende mit Knochenkern), die durch eine Sklerosierung und unregelmäßige Konturierung gekennzeichnet sind
  • Osteomalazie (Knochenerweichung) mit oder ohne Fraktur (Knochenbruch)
  • Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung)
  • Osteoporose – Erkrankung mit Verminderung der Knochenmasse (Knochenschwund) (im höheren Lebensalter)
  • Osteophytenbildung – degenerative Knochenanbauten
  • Osteosklerose – Erkrankung mit Zunahme der Knochenmasse, aber verminderter Belastbarkeit
  • Paget-Syndrom (Synonyme: Osteodystrophia deformans, Paget-Krankheit, Morbus Paget) – Erkrankung des Skelettsystems, bei der es allmählich zu einer Verdickung mehrerer Knochen, meist Wirbelsäule, Becken, Extremitäten oder Schädel kommt
  • Polymyalgia rheumatica (Synonym: Polymyalgie) – ist eine zu den Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) gehörende Erkrankung mit akuten Schmerzen der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur
  • Skoliose – schiefer Rücken durch eine verbogene Wirbelsäule
  • Spina bifida – "offener Rücken" durch einen Defekt in der Embryonalentwicklung
  • Spinalkanalstenose (Spinalstenose; Wirbelkanalverengung)
  • Spondylodiszitis (Entzündung der Bandscheibe und der beiden angrenzenden Wirbelkörper), infektiöse
  • Spondylolisthese (Wirbelgleiten)
  • Spondylosis Sammelbegriff für degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern (und Intervertebralräumen)

Neubildungen – Tumorerkrankungen* (C00-D48)

  • Cervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs)
  • Hodenkarzinom (Hodenkrebs)
  • Plasmozytom (multiples Myelom)
  • Skelettmetastasen (Tochtergeschwülste) – Mammakarzinom (Brustkrebs), Prostatakarzinom, Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), Nierenzellkarzinom, Schilddrüsenkarzinom, Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs), kolorektale Karzinome (Darmkrebs), Magenkarzinom, Leberzellkarzinom, Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) [Auflistung in fallender Häufigkeit]

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Epiduralabszess – Eiteransammlung im Bereich der Rückenmarkshäute
  • Intercostalneuralgie – Nervenschmerz (Neuralgie) der Brustwand entlang eines Zwischenrippennerven
  • Ischialgie – Schmerzen im Bereich des Ischias-Nerven
  • Neuritis (Nervenentzündung) bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Psychische Erkrankungen – insb. Depression
  • Psychische Faktoren wie Stress

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Fraktur (Knochenbruch) im Bereich der Wirbelsäule
  • Kleinere Traumata (Verletzungen) wie Kontusion (Prellung) oder Distorsion (Verstauchung) der Wirbelsäule
  • Wirbelfraktur (Wirbelbruch) – Laut der Studie Osteoporotic Fractures in Men (MrOS) werden bei Männern weniger als 15 % aller neu aufgetretenen Wirbelkörperfrakturen diagnostiziert. Obwohl sie verspätet radiologisch nachgewiesen werden, machen sie sich häufig schon vorher durch Rückenschmerzen und Aktivitätseinschränkungen bemerkbar [3].

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  •  Haltungsschäden, Fehlbelastung, Überbeanspruchung muskuläre Rückenschmerzen

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Adnexitis (Entzündung der sogenannten Adnexe (dt.: Anhangsgebilde), d. h. der Eileiter und Eierstöcke
  • Nephrolithiasis (Nierensteine)
  • Ovarialtorsion (Eierstockstieldrehung) → Verschluss des venösen Abflusses was zu einer hämorrhagischen Infarzierung (Gewebeinfarkt) führt und damit zur Bildung von Nekrosen (Tod einer Zelle durch Schädigung der Zellstruktur)
  • Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
  • Urolithiasis (Harnsteinleiden)

Medikamente

  • α4β7-Integrin-Antagonist (Vedolizumab)
  • Glucocorticoide, systemische – osteoporotische Frakturen (Knochenbrüche durch Knochenschwund)
  • Opiate – beim Entzug von Opiaten
  • Analgetika (Schmerzmittel) – beim Entzug von Analgetika

Operationen

  • Nach chirurgischen Eingriffen an der Wirbelsäule: z. B. Diskusoperation (Bandscheibenoperation) → ca. 10 % Postdiskektomie-Syndrom (engl. failed back surgery syndrome (FBSS): anhaltende Schmerzen nach wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen oder Schmerzen, die als Operationsfolge postoperativ neu aufgetreten sind.

Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Vergiftungen – Alkoholentzug, Opiatentzug, Schmerzmittelentzug

Weitere Ursachen

  • Stimulation (Simulant)
  • Wirbelsäulenfehlhaltung: LWS-Hyperlordosierung ("Hohlkreuz"); Ursache der Hyperlordose ist die Verkürzung des Musculus quadriceps femoris (Synonyme: vierköpfiger Schenkelstrecker, vierköpfiger Oberschenkelmuskel) und der damit einhergehenden muskulären Dysbalance zwischen Agonisten und Antagonisten

*Bei chronischen Rückenschmerzen muss bei Vorliegen der nachfolgend genannten Tumorerkrankungen daran gedacht werden, dass diese tumorbedingt sind.

Literatur

  1. Neck/upper back and low back pain in parents and their adult offspring: Family linkage data from the Norwegian HUNT Study. Eur J Pain 2014; online 29. September; doi: 10.1002/ejp.599
  2. Ferreira PH, Pinheiro MB, Machado GC, et al.: Is alcohol intake associated with low back pain? A systematic review of observational studies. Man Ther 2013;18(3):183-90. doi: 10.1016/j.math.2012.10.007.
  3. Fink HA et al.: Association of Incident, Clinically Undiagnosed Radiographic Vertebral Fractures With Follow-Up Back Pain Symptoms in Older Men: the Osteoporotic Fractures in Men (MrOS) Study. Journal of Bone and Mineral Research 2017, online 7. September 2017 doi: 10.1002/jbmr.3215
     
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