Medikamentöse Therapie
Hepatitis C

Therapieziele

  • Möglichst vollständige Hemmung der Virusvermehrung (Entgegenwirken der Entstehung von Resistenzen)
  • Verhinderung der Entstehung eines klinisch relevanten Immundefektes
  • Vermeidung von Komplikationen
  • Heilung
  • Partnermanagement, d. h. ggf. infizierte Partner müssen ausfindig gemacht und behandelt werden (Kontakte müssen bis zum geschätzten Zeitpunkt der Infektion rückverfolgt werden) [1]

Therapieempfehlungen

  • Die Therapie soll direkt nach der Diagnose starten: Jeder Patient mit nachgewiesener RNA des Hepatitis-C-Virus (HCV) soll sofort antiviral behandelt werden.
    • Akute HCV-Infektion bei HIV-Patienten: Fällt der HCV-RNA-Spiegel zu Woche vier nicht um mindestens zwei Logarithmusstufen, sei eine spontane Viruselimination unwahrscheinlich, d. h. der Patient sollte unverzüglich behandelt werden [Analog den Leitlinien der europäischen AIDS-Gesellschaft EACS zum Management akuter HCV-Infektionen bei HIV-Patienten].
    • Vornehmlich sollen pangenotypische DAA (direkt antivirale Agenzien) verwendet werden, und zwar bei DAA-naiven Patienten ohne dekompensierte Zirrhose und ohne fortgeschrittene Niereninsuffizienz.
    • Eine Resistenzanalyse vor Ersttherapie soll nicht generell erfolgen.
  • Es gibt keine Postexpositionsprophylaxe nach einer Infektion mit Hepatitis C. Wird Hepatitis C jedoch im ersten halben Jahr nach der Infektion entdeckt und therapiert, kann eine 24-wöchige Interferon-Therapie (s. u.) in mehr als 90 % der Fälle zur Heilung führen, bevor die Erkrankung einen chronischen Verlauf nimmt.
  • Die chronische Hepatitis C stellt grundsätzlich eine Indikation zur antiviralen Therapie (s. u.) dar!
  • Eine Interferon-basierte Therapie kann bei einer chronischen Hepatitis C Virusinfektion nicht mehr als Standardtherapie empfohlen werden, da direkt antiviral wirksame Medikamente gegen verschiedene Proteine des Hepatitis C Virus (HCV) vorliegen.
  • Die direkt wirkenden antiviralen Arzneimittel (DAAV; engl. direct-acting antivirals, DAA), die keine Zugabe von Interferon benötigen, sind indiziert für:
    • alle Patienten mit höhergradiger Fibrose/Zirrhose
    • extrahepatische Manifestationen (außerhalb der Leber) der HCV-Infektion:
      • Insulinresistenz (verminderte oder aufgehobene Wirkung des Hormons Insulin)
      • Fatigue-Syndrom (Erschöpfungssyndrom)
      • Kryoglobulinämie – chronisch rezidivierende Immunkomplexvaskulitiden (Immunerkrankung der Gefäße), die durch den Nachweis abnormaler, kältepräzipitierender Serumproteine (Kälte-Antikörper) gekennzeichnet sind.
      • Lymphome – Sammelbegriff für Lymphknotenvergrößerungen bzw. Lymphknotenschwellungen und Tumoren des Lymphgewebes
      • membranoproliferative Glomerulonephritis (MPGN)
  • Als Surrogatmarker einer Heilung gilt das dauerhafte virologische Ansprechen (sustained virologic response, SVR). Dieses wird definiert als fehlender Nachweis von HCV-RNA im Blut sechs Monate nach Therapieende. 
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Beachte: Die FDA empfiehlt bei allen Patienten mit Hepatitis C vor dem Einsatz direkt wirkender antiviraler Medikamente (DAA) eine HBV-Serologie durchzuführen.

Übersicht der empfohlenen Tagesregime und Effektivität bei den verschiedenen HCV-Genotypen (GT)  (S3-Leitlinie vom Februar 2015)

Therapie
GT1 GT2
GT3
GT4
GT5
GT6
Ledipasvir + Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 8, 12 oder 24 Wochen [Evidenzgrad: Ib]  x          
Paritaprevir/r + Ombitasvir plus Dasabuvir +/ - Ribavirin für 12 oder 24 Wochen [Evidenzgrad: Ib]  x          
Simeprevir + Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 12 Wochen [Evidenzgrad: IIb]  x          
Daclatasvir plus Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 12 bzw. 24 Wochen [Evidenzgrad: IIb bzw. V]  x          
Sofosbuvir + Ribavirin für 12 Wochen (Evidenzgrad Ib)
   x        
Sofosbuvir + Ribavirin für 24 Wochen (Evidenzgrad Ib)
     x      
Daclatasvir + Sofosbuvir für 12 Wochen bei Patienten ohne Leberzirrhose (Evidenzgrad Ib)      x      
Daclatasvir + Sofosbuvir + Ribavirin für 24 Wochen bei Patienten mit Leberzirrhose (Evidenzgrad V)     x      
Ledipasvir + Sofosbuvir + Ribavirin für 24 Wochen bei Patienten mit Leberzirrhose (Evidenzgrad V )      x      
Ledipasvir + Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 12 Wochen (Evidenzgrad IIb) 
       x    
Paritaprevir + Ombitasvir und Ribavirin für 1 2 Wochen bei Patienten ohne Leberzirrhose (Evidenzgrad I Ib)        x    
Simeprevir + Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 12 Wochen (Evidenzgrad V)        x    
Daclatasvir + Sofosbuvir +/ - Ribavirin für 12 Wochen (Evidenzgrad V)        x    
Ledipasvir + Sofosbuvir + Ribavirin für 12 Wochen (Evidenzgrad IIb)          x  x

Achtung!
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA fordert Ärzte auf, die Verschreibung des Antiarrhythmikums Amiodaron zusammen mit Sofosbuvir + Ledipasvir sowie die freie Kombination von Sofosbuvir und Daclatasvir zu vermeiden. Durch die Einnahme dieser Präparate könnten Patienten, die auch Amiodaron einnehmen, schwere Herzprobleme bekommen.

Beachte 

  • Im Zusammenhang mit bestimmten direkt wirkenden antiviralen Arzneimittel (DAAV; engl. direct-acting antivirals, DAA) wie Daklinza® (Daclatasvir), Exviera® (Dasabuvir), Harvoni® (Sofosbuvir/Ledipasvir), Olysio® (Simeprivir), Sovaldi® (Sofosbuvir) und Viekirax® (Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir) ohne InterferonHepatitis-B-Reaktivierung der aktuellen oder früheren HBV-Infektion innerhalb von vier bis acht Wochen nach Behandlungsbeginn möglich [5, 6].
  • Direkt wirkende antivirale Arzneimittel (DAAV) zur Behandlung der Hepatitis C: Hypoglykämierisiko bei Patienten mit Diabetes mellitus; betroffen sind folgende Wirkstoffe/Wirkstoffkombinationen: Daclatasvir, Dasabuvir, Elbasvir/ Grazoprevir, Glecaprevir/Pibrentasvir, Ledipasvir/Sofosbuvir, Ombitasvir/Pariteprevir/Ritonavir, Sofosbuvir, Sofosbuvir/Velpatasvir, Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir [9]

Neuzulassungen ab 2016

  • 2016: Fixkombination Elbasvir 50 mg/Grazoprevir 100 mg für die Therapie Erwachsener mit chronischer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) der Genotypen 1 oder 4 in Kombination mit oder ohne Ribavirin; Wirkweise:  NS5A-Inhibitor Elbasvir und den NS3/4A-Protease-Inhibitor Grazoprevir; Dosierung: 1 x 1 Tabl./d
  • 2017: Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir, SOF/VEL/VOX bei chronischer Hepatitis C für alle Genotypen oder unabhängig vom Genotyp mit chronischer Hepatitis C ohne Zirrhose und mit kompensierter Zirrhose zugelassen, inklu. Patienten, die auf vorherige DAA-haltige Regimen nicht angesprochen haben. Therapiedauer: 8 Wochen für DAA-naive Patienten ohne Leberzirrhose (Lebergewebe ist irreparabel in Narben- und Bindegewebe umgebaut); 12 Wochen für DAA-naive Patienten mit kompensierter Leberzirrhose, wobei sie bei Genotyp 3-Infektion auf acht Wochen verkürzt werden kann. 
  • 2020: Bulevirtid ist neue Therapieoption der chronischen HDV-Infektion (für die HDV-Koinfektion)

EASL (European Association for the Study of the Liver) Empfehlungen zur Behandlung der Hepatitis C 2016 [s. u. EASL Recommendations]

Therapie
GT1 GT2
GT3
GT4
GT5
GT6
Sofosbuvir/Ledipasvir  x      x  x  x
Sofosbuvir/Velpatasvir  x  x  x  x  x  x
Ombitasvir/Ritonavir-boosted Paritaprevir + Dasabuvir  x          
Grazoprevir/Elbasvir  x      x    
Sofosbuvir + Daclatasvir  x  x  x  x  x  x
Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir    x    x    
Sofosbuvir + Simeprevir        x    

Hinweise zur Therapiedauer:

  • Genotyp 1:
    • therapienaive, nicht zirrhotische Patienten: achtwöchige Therapie ohne Ribavirin
    • Vorbehandelte: Minimum bei zwölf Wochen
    • therapieerfahrene Patienten mit dem Genotyp 1a: zwölfwöchige Therapie + Ribavirin;
  • Genotyp 2: Sofosbuvir plus Velpatasvir (ohne Ribavirin).
  • Genotyp 3: Sofosbuvir/Velpatasvir
    • therapienaive Patienten: zwölfwöchige Therapiedauer ohne  Ribavirin
    • therapieerfahrene Patienten wird das Nukleosid-Analogon bei zwölfwöchiger Dauer dazugegeben, bei 24-wöchiger Therapie kann es entfallen.
  • Genotyp 4:
    • Unterscheidung zwischen therapienaiven und -erfahrenen Patienten: Kombinationen: Sofosbuvir/Ledipasvir, Sofosbuvir/Velpatasvir und die sogenannte 2D-Kombination (Ombitasvir/Paritaprevir plus Ritonavir). Therapiedauer: 12 Wochen; nur in Einzelfällen (Vorbehandlung, 2D-Kombi) ist die zusätzliche Gabe von Ribavirin erforderlich.

Übersicht über die in Deutschland gängigsten direkt wirkenden antiviralen Arzneimittel (DAAV) zur Therapie der chronischen Hepatitis

Präparate Wirkstoffgruppen  Indikationen  Ausschlüsse  Therapiedauer 
Sofosbuvir/Velpatasvir Polymerase‑/NS5A-Inhibitor  Pangenotypisch
Dekompensierte Leberzirrhose
Genotyp 3 mit Zirrhose

GFR < 30 ml/min
 12 Wochen
Glecaprevir/Pibrentasvir NS5A- und Proteaseinhibitor Pangenotypisch Genotyp 3 nach Vortherapie

Dekompensierte Leberzirrhose
8 Wochen

Bei Leberzirrhose mit Vortherapie
12 Wochen
Elbasvir/Grazoprevir
(seit 2016)
NS5A- und Proteaseinhibitor
Genotyp 1b
Genotyp 1a und 4 mit Viruslast < 800.000 U/l
Andere Genotypen
Dekompensierte Leberzirrhose
 
12 Wochen
Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir
(seit 2017)
Polymerase‑/NS5A-/Proteaseinhibitor
Zweitlinientherapie bei DAA-Therapie-Versagern
Pangenotypisch
Dekompensierte Leberzirrhose

GFR < 30 ml/min
 

8 Wochen

Bei 
Leberzirrhose 12 Wochen


Interferon alpha

Interferon sind Stoffe, die verschiedene Wirkungen innerhalb der Zelle auslösen, die einen antiviralen Effekt haben. Sie werden bei Hepatitis B und Hepatitis C eingesetzt. Als Nebenwirkungen werden häufiger grippeähnliche Symptome beobachtet. Auch können die Leberparameter erhöht werden.

Bei der akuten Hepatitis C wird Interferon alpha über 24 Wochen verabreicht.

Antiretrovirale Medikamente

Antiretrovirale Medikamente wirken gegen Retroviren, das ist eine bestimmt Untergruppe der Viren, zu denen auch die Viren zählen, die für die Hepatitis C verantwortlich sind.

Man unterscheidet die folgenden Gruppen der antiretroviralen Medikamente:

  • Protease-Inhibitoren
  • NS5A-Inhibitoren
  • Nicht-nukleosidische Polymerase (NS5B)-Inhibitoren
  • Nukleos(t)idische Polymerase (NS5B)-Inhibitoren

Bei der chronischen Hepatitis C wird Ribavirin – in Kombination mit den oben genannten antiviralen Medikamenten – eingesetzt. Es ist ein Nukleosidanalogon und ist relativ gut verträglich.

Therapieempfehlungen für chronische Nierenerkrankungen Grad 4-5 (CKD4-5) siehe unter AASLD/IDSA HCV Guidance Panel (2015) [7, 8] 

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Lebergesundheit sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (D3, E)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Mariendistelfrucht-Extrakt (Silymarin))
  • Weitere Vitalstoffe (Cholin, Probiotika)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Hofmann WP, Sarrazin C, Zeuzem S: Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C (Übersichtsarbeit; aktueller HCV-Therapiestandard). Dtsch Arztebl Int 2012; 109(19): 352-8. doi: 10.3238/arztebl.2012.0352
  2. S3-Leitlinie: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. (AWMF-Registernummer: 021-012), Dezember 2017 Langfassung
  3. Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
  4. Roth D et al.: C-SURFER: GRAZOPREVIR PLUS ELBASVIR IN TREATMENT-NAIVE AND TREATMENT-EXPERIENCED PATIENTS WITH HEPATITIS C VIRUS GENOTYPE 1 INFECTION AND CHRONIC KIDNEY DISEASE. 50th Annual Meeting of the European Association for the Study of the Liver; April 22-26, 2014; Vienna, Austria.
  5. U.S. Food and Drug Administration (FDA): FDA Drug Safety Communication: FDA warns about the risk of hepatitis B reactivating in some patients treated with direct-acting antivirals for hepatitis C. April 2016. AkdÄ Drug Safety Mail | 33–2016 
  6. European Medicines Agency (EMA): Direct-acting antivirals indicated for treatment of hepatitis C (interferon-free). Dezember 2016. Risikobewertungsverfahren der EMA 
  7. AASLD/IDSA HCV Guidance Panel (2015) Hepatitis C guidance: AASLD-IDSA recommendations for testing, managing, and treating adults infected with hepatitis C virus. Hepatology 62(3):932-954
  8. American Association for the Study of Liver Diseases and the Infectious Diseases Society of America: Patients with Renal Impairment. 2017. http://www.hcvguidelines.org/full-report/unique-patient-populations-patients-renal-impairment
  9. PRAC-SITZUNG VOM 01. BIS 04. OKTOBER 2018 Empfehlungen verabschiedet im Rahmen der PRAC-Sitzung vom 01. bis 04. Oktober 2018 Für die Behandlung der Hepatitis C angezeigte direkt wirkende antivirale Arzneimittel (direct-acting antivirals, DAAV) – Dysglykämie (EPITT-Nr. 19234)

Leitlinien

  1. Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
  2. Guidelines: EASL Recommendations on Treatment of Hepatitis C 2016. J Hepatol. 2017 Jan;66(1):153-194. doi: 10.1016/j.jhep.2016.09.001.
  3. S3-Leitlinie: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. (AWMF-Registernummer: 021-012), Dezember 2017 Langfassung
  4. EACS-Leitlinien Version 10.0 November 2019

     
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