Blutschwamm (Hämangiome)

Nachfolgend jeweils eine Kurzdarstellung des Säuglings- und Erwachsenenhämangioms.

Säuglingshämangiom

Ein Säuglingshämangiom (SH) – umgangssprachlich Blutschwamm genannt – (Synonym: infantiles Hämangiom; ICD-10-GM D18,0-: Hämangiom) ist eine angeborener Gefäßtumor, der in den ersten Tagen oder Wochen/Monaten nach der Geburt auftritt. Die kleinen Gefäße der Haut, die Kapillaren, bilden dabei knäuelartige Wucherungen und Aussackungen.

Das infantile Hämangiom gilt als der häufigste benigne (gutartige) Tumor im frühen Kindesalter.

Geschlechterverhältnis: Jungen zu Mädchen beträgt 1 : 3.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 2-10 % aller Reifgeborenen. Unter den Frühgeborenen, die mit weniger als 1 kg Geburtsgewicht zur Welt kommen, tritt ein infantiles Hämangiom bei bis zu 22 % auf.

Verlauf und Prognose: Phasenhafter Verlauf (Proliferation/Wachstum, Wachstumsstillstand und Regression/Rückbildung über Jahre, in circa 80-90 % der Fälle bis zum zehnten Lebensjahr). Eine komplette Abheilung ist möglich. 

Symptome – Beschwerden

Die Haut weist einen hell- bis dunkelroten Hautknoten auf, der von unterschiedlicher Größe sein kann.

Bei der Geburt sind diese Hautveränderungen meistens noch nicht vorhanden; ca. 90 % der Hämangiome werden bis zum Ende des zweiten Lebensmonats sichtbar.

Die Proliferation des Hämangioms wird in zwei Phasen unterschieden: in der ersten Phase wachsen die Hämangiome innerhalb weniger Wochen rasch; in der zweiten Phase wird das Wachstum langsamer. Zwischen dem neunten bis 15. Lebensmonat wird meistens eine Plateauphase erreicht. Der Plateauphase schließt sich in ca. 70 % der Fälle eine Rückbildungsphase (Involution) an. Die Involutionsphase zeigt sich an einer netzartigen gräulichen Verfärbung der Hämangiome.

Lokalisation: Meist sitzt das Hämangiom (Blutschwamm) im Gesicht oder am Hals, kann aber auch an allen anderen Regionen des Körpers auftreten.

Differentialdiagnosen

  • Eruptives Angiom (Granuloma pyogenicum) – erworbener gutartiger vaskulärer Hauttumor aus der Gruppe der Hämangiome; klinisch zeigen sich dunkelrote Papeln; Auftreten jenseits des Säuglingsalters, meistens im Kleinkindesalter
  • Juveniles Xanthogranulom – im Säuglings- und Kleinkindesalter auftretende gutartige Form einer Histiozytose
  • Naevus flammeus (Feuermal)
  • Neonatale Hämangiomatose – multiple Hämangiome der Haut mit Organbefall 
  • Lymphangiom – Lymphgeschwulst 
  • Arteriovenöse Malformation (AVM) – angeborene Fehlbildung der Blutgefäße, bei der Arterien direkt mit Venen verbunden sind

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

Der Blutschwamm kann wachsen und sich ausbreiten, besonders in den ersten Lebensmonaten. Gelegentlich zeigen sich Ulzerationen (Geschwürbildungen) an der Oberfläche.

Meist kommt es zu spontanen Remissionen (Rückbildungen), zum Teil bleiben Narben zurück.

Folgeerkrankungen

Bei ca. 40 bis 50 % der Betroffenen hinterlassen Hämangiome narbenähnliche Residuen, Hautatrophien (Gewebeschwund), Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße) und Pigmentstörungen (Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen). Diese Veränderungen sind umso ausgeprägter, je größer die Ausdehnung eines Hämangiom ist.

Diagnose

Es handelt sich um eine Blickdiagnose.

Bei Verdacht auf tief liegende Anteile des Hämangioms ist eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) ggf. auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) erforderlich.

Bei einem Hämangiom im Augenbereich und drohender Amblyopie (Schwachsichtigkeit) ist eine augenärztliche Mitbeurteilung erforderlich.

Bei einer kutanen Hämangiomatose (Vorliegen von zahlreichen Blutschwämmchen (Hämangiomen) gleichzeitig) muss eine viszerale Beteiligung (Beteiligung von Bauchorganen) ausgeschlossen werden. Dieses geschieht primär mittels Abdomen- (Bauchorgane) (insb Leber-) und Schädelsonographie/Ultraschall.

Bei Auftreten des Hämangioms im Sakralbereich (Kreuzbeinbereich) sollte eine Wirbelsäulensonographie zum Ausschluss eines "tethered cord" durchgeführt werden. Als Tethered Cord bezeichnet man eine krankhafte Anheftung im unteren Bereich des Rückenmarks, wodurch ein zu starker Zug auf die Nervenfasern entsteht.

Bei segmentalem Auftreten von Hämangiomen und Verdacht auf syndromale Erkrankungen sollten Begleitanomalien ausgeschlossen werden.

Therapie

Oftmals wird vor Beginn einer Therapie abgewartet, ob das Hämangiom sich spontan zurückbildet.

Ist dies nicht der Fall, gibt es folgende Therapiemöglichkeiten
[S2k-Leitlinie]:

  • Hämangiom-Typ: lokalisiert, plan
    • Kryotherapie/Kontaktkryotherapie (geeignet für oberflächliche Hämangiome mit einer Oberflächenausdehnung, die nicht wesentlich größer als 2 cm ist)
    • Laser (FPDL ("flashlamp pulse-dye laser")/IPL ("Intense-pulsed-light"-Therapie)beachte: Eindringtiefe ist mit 2 mm sehr gering
    • topische (örtliche) Therapie mit Propranolol ("Off-Label-Use")
  • Hämangiom-Typ: subkutan oder gemischt bzw. drohende Funktionsverlust oder relevante kosmetische Beeinträchtigung oder Ulzeration (Geschwürbildung), kein Ansprechen auf lokale Wundpflege
    • Behandlung mit einem oralen Propranolol (2-3 mg/kg KG Propranolol täglich in 2 Einzeldosen) (Therapie der ersten Wahl)
      • In einer Studie mit knapp 1.000 Patienten mit Hämangiomen (Durchschnittsalter 17,1 Monate) kam es nach Propranololtherapie (1,5-2,5 mg/kg KG) bei 25,3 % der Patienten zu einem Rebound. Risikofaktoren waren [2]:
        • Kinder bei Therapieende < 9 Lebensmonate versus Kinder zwischen 12 und 15 Lebensmonaten
        • tiefe Hämangiome
        • weibliches Geschlecht
    • Sequenzielle Therapie aus oralem Propranolol gefolgt von topischem Timolol konnte die Zeit der Propranolol-Therapie um 2,2 Monate verkürzen und ein erneutes Wachstum von Hämangiom verhindern [S2k-Leitlinie].
    • Eine Alternative zu Propranolol könnte Nadolol sein. Mit Nadolol wurde eine stärkere und schnellere Rückbildung von infantilen Hämangiomen erreicht [2].
  • Hämangiom-Typ: Residualzustand (Vorliegen eines zurückgebliebenen Restes)
    • Operation/Laser

Systemische Propranololtherapie

Indikationen 

  • Tiefliegende Hämangiome im Augenbereich mit drohender Verdrängung
  • Segmentale Hämangiome im Gesichtsbereich
  • Ausgedehnte segmentale Hämangiome am Stamm und/oder den Extremitäten
  • Lokalisierter Hämangiome im Anal- oder Genitalbereich
  • Ulzerierte Hämangiome
  • Hämangiome mit drohender dauerhafter kosmetische Beeinträchtigung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Herzrhythmusstörungen (AV-Block II. oder III. Grades, Sick-Sinus-Syndrome, sinuatrialer Block; Bradykardie)
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Myasthenia gravis – selten vorkommende Störung der neuromuskulären (von Nerv zu Muskel) Reizübertragung, die sich in einer schweren belastungsabhängigen Muskelschwäche und schnell einsetzender Ermüdbarkeit äußert.
  • Phäochromozytom – meist gutartiger Tumor, der überwiegend von der Nebenniere ausgeht und zu krisenhaften Blutdruckanstiegen führen kann
  • Raynaud-Syndrom – Durchblutungsstörungen an den Händen oder Füßen, die durch Vasospasmen (krampfartige Engstellung von Blutgefäßen) bedingt sind.
  • Hypoglykämien (Unterzuckerung)
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck)
  • Überempfindlichkeit gegenüber Propranolol

Nebenwirkungen

  • Schlafstörungen (1-10 % der Fälle)
  • Bronchospasmen  (1-10 % der Fälle)
  • Bradykardien, Hypotonie (< 1 % der Fälle)
  • Hypoglykämien (< 1 % der Fälle)

Falls durch die genannten Therapien keine ausreichenden Erfolge erzielt worden sind, können folgende Methoden eingesetzt werden:

  • Nd: YAG-Laser – seit der Etablierung der systemischen Propranololtherapie ist die Lasertherapie nur noch in Ausnahmefällen indiziert (gleiches gilt für die FPDL-Lasertherpaie)
  • Röntgentherapie
  • Behandlung mit Corticoiden (intraläsionale Steroide)
  • Gefäßchirurgie
  • Embolisation (künstlicher Verschluss der Blutgefäße)

Erwachsenenhämangiom

Des Weiteren gibt es auch Hämangiome, die im Erwachsenenalter auftreten. Diese bilden sich plötzlich, oftmals nach Traumata oder Wundinfektionen. Sie ähneln in der Form einem Pilz und sind, wie bei den Säuglingen auch, von roter Farbe, da sie ebenfalls aus Blutgefäßen bestehen.

Hämangiome können mit verschiedenen Lasern entfernt werden:
Diese Laser, wie der KTP-Laser, der Argonlaser oder der Kryptonionenlaser, reagieren mit Hämoglobin und wirken so gezielt im Hämangiom, ohne das umliegende Gewebe zu destruieren.

Auch der Rubinlaser und der Farbstofflaser werden zur Entfernung von Hämangiomen eingesetzt.

Literatur

  1. Shah SD et al.: Rebound growth of infantile hemangiomas after propranolol therapy. Pediatrics 2016 Apr;137(4). pii: e20151754. doi: 10.1542/peds.2015-1754. Epub 2016 Mar 7.
  2. Wu HW, Wang X, Zhang L, Zheng JW, Liu C, Wang YA: Topical Timolol Vs. Oral Propranolol for the Treatment of Superficial Infantile Hemangiomas. Front Oncol. 2018 Dec 18;8:605.Mannschreck DB, Huang AH, Lie E, Psoter K, Puttgen K: Topical timolol as adjunct therapy to shorten oral propranolol therapy for infantile hemangiomas. Pediatr Dermatol. 2019 Apr 9. doi: 10.1111/pde.13816.
  3. Pope E et al.: Noninferiority and Safety of Nadolol vs Propranolol in Infants With Infantile Hemangioma: A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2021; https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2021.4565

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Hämangiome, infantil im Säuglings- und Kleinkindesalter. (AWMF-Registernummer: 006 - 100), Oktober 2020 Langfassung

     
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