Lichen sclerosus – Einleitung

Lichen sclerosus (LS) (λειχήν/leichen = Flechte an Bäumen oder Körpern; σκληρός/sklēros = trocken, hart, fest, spröde) ist eine chronisch, entzündliche, vernarbende Hauterkrankung, die durch eine lymphatische Reaktion gekennzeichnet ist und beide Geschlechter bevorzugt im Genitalbereich betrifft.

ICD-Codes

Derzeit sind in Deutschland noch verschiedene Krankheitsbegriffe üblich, je nachdem ob der „alte“ ICD-10 oder der „neue“ ICD-11 Anwendung findet. Der ICD-11 ist seit Januar 2022 in Kraft und wird in Deutschland derzeit bearbeitet. In dieser Fassung sind die genitalen Dermatosen gründlich überarbeitet und auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht worden.

  • ICD-11 Code EB60.0: Lichen sclerosus der Vulva
  • ICD-11 Code EB60.1: Lichen sclerosus des Penis [1]

Historische Begriffe

Einige veraltete Begriffe, die nicht mehr verwendet werden sollten, sind:

  • Lichen sclerosus et atrophicus
  • Lichen albus
  • Hypoplastische Dystrophie
  • Kraurosis vulvae
  • Balanitis xerotica obliterans bei Männern

Formen des Lichen sclerosus

  • Genitaler Lichen sclerosus: Befällt in > 80 % der Fälle die Genitalregion.
  • Extragenitaler Lichen sclerosus: Betrifft andere Hautbereiche außerhalb des Genitalbereichs

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1 : 6-10 3-10 [3, 4].

Häufigkeitsgipfel: Bei Kindern tritt die Erkrankung vorwiegend zwischen dem 5. und 11. Lebensjahr auf. Frauen und Männer sind im Regelfall im 5. und 6. Lebensjahrzehnt betroffen; betroffen sind meist unbeschnittene Männer. Frauen bevorzugt nach der Menopause [2,3].

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ist nicht genau bekannt. Sie wird wahrscheinlich unterschätzt, da ein Drittel der Fälle asymptomatisch sind [3]. Sie wird bei Kindern und Frauen auf 0,1 %-3 %, bei Männern auf 0,07 % geschätzt [2,3].

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Lichen sclerosus (LS) ist eine chronisch entzündliche Bindegewebserkrankung, die häufig schubweise verläuft. Die Diagnose wird oft durch Versuche der Selbsttherapie verzögert.
  • Bei Männern ist typischerweise der Penis (Glans und Präputium/Eichel und Vorhaut) betroffen, was zu einer Balanitis xerotica obliterans und oft zu einer operationsbedürftigen Phimose führt.
  • Bei weiblichen Kleinkindern kann die Erkrankung das Hymen (Jungfernhäutchen) zerstören, während bei Frauen in ca. 90 % der Fälle der Genitoanalbereich befallen ist.
  • Die Erkrankung zeigt im Spätstadium verschiedene Schweregrade einer Atrophie (Rückbildung) der Vulva (äußerlich sichtbare weibliches Genitale). Beim kindlichen Lichen sclerosus besteht jedoch die Chance der Ausheilung.

Prognose

  • Die Prognose von Lichen sclerosus ist quoad vitam ("in Bezug auf das Leben/Überleben") gut, aber quoad sanationem ("in Bezug auf die Heilung") zweifelhaft.
  • Obwohl die Erkrankung chronisch ist und eine vollständige Heilung selten ist, kann sie mit geeigneten Behandlungsstrategien und regelmäßiger medizinischer Betreuung gut kontrolliert werden.
  • Wichtig ist die frühzeitige Diagnose und konsequente Behandlung, um die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Patienten müssen regelmäßig überwacht werden, um die Therapie anzupassen und das Risiko von Komplikationen zu minimieren.

Wichtiger Hinweis

  • Ansteckung: Die Erkrankung ist nicht ansteckend.

Komorbiditäten

Es besteht eine erhöhte Prävalenz von Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) bei Patienten mit Lichen sclerosus. Häufig assoziierte Autoimmunerkrankungen umfassen:

  • Diabetes mellitus Typ 1
  • Hashimoto-Thyreoiditis (chronische Entzündung der Schilddrüse)
  • Vitiligo (Weißfleckenkrankheit)
  • Entzündliche Darmerkrankungen
  • Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall)
  • Perniziöse Anämie (Form der Blutarmut)
  • Rheumatoide Arthritis (chronisch entzündliche Multisystemerkrankung)
  • Psoriasis (Schuppenflechte)

Diese Begleiterkrankungen erfordern eine umfassende medizinische Betreuung und eine interdisziplinäre Herangehensweise an die Behandlung des Lichen sclerosus und seiner assoziierten Erkrankungen.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. ICD-11 in Deutsch-Entwurfsfassung. BfArM. http://www.bfarm.de › ICD-11 › uebersetzung › _node 2.
  2. Lewis FM, Tatnall FM, Velangi SS et al.: British Association of Dermatologists guidelines for the management of lichen sclerosus, 2018. J Dermatol. 2018 Apr;178(4):839-853. doi: 10.1111/bjd.16241.
  3. Kirtschig G, Becker K, Günthert A: Evidence-based (S3) Guideline on (anogenital) Lichen sclerosus. .J Eur Acad Dermatol Venereol. 2015 Oct;29(10):e1-43. doi: 10.1111/jdv.13136
  4. Kirtschig G: Lichen sclerosus—presentation, diagnosis and management. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 337-43. doi: 10.3238/arztebl.2016.0337

Leitlinien

  1. Kirtschig G, Becker K, Günthert A: Evidence-based (S3) Guideline on (anogenital) Lichen sclerosus. .J Eur Acad Dermatol Venereol. 2015 Oct;29(10):e1-43. doi: 10.1111/jdv.13136
  2. Lewis FM, Tatnall FM, Velangi SS et al.: British Association of Dermatologists guidelines for the management of lichen sclerosus, 2018. J Dermatol. 2018 Apr;178(4):839-853. doi: 10.1111/bjd.16241.