Unter Lichen sclerosus (LS) (et atrophicus) (λειχήν/leichen = Flechte an Bäumen oder Körpern; σκληρός/sklēros = trocken, hart, fest, spröde; Synonyme: Lichen albus; Lichen atrophicus; Lichen sclerosus; Lichen sclerosus et atrophicans; Lichen sclerosus et atrophicus LSA); Morphoeid scleroderma; Weißfleckenkrankheit; White spot disease; ICD-10-GM L90.0: Lichen sclerosus et atrophicus) versteht man eine selten vorkommende, chronisch-entzündlich verlaufende Erkrankung des Bindegewebes, die vermutlich zu den Autoimmunerkrankungen zu zählen ist.
Lichen beschreibt eine Verdickung der Oberhaut und Sklerose eine Bindegewebsvermehrung mit Verhärtung.
Der Lichen sclerosus (LS) zählt zu den atrophischen Dermatosen (Hautkrankheiten). Dieses sind Hautkrankheiten, die mit einem Gewebeschwund einhergehen.
Der Lichen sclerosus et atrophicus (LSA) befällt in über > 80 % der Fälle die Genitalregion.
Die Erkrankung ist nicht ansteckend.
Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1 : 6-10.
Häufigkeitsgipfel: Bei Kindern tritt die Erkrankung vorwiegend zwischen dem 5. und 11. Lebensjahr auf. Frauen und Männer sind im Regelfall im 5. und 6. Lebensjahrzehnt betroffen; betroffen sind meist unbeschnittene Männer. Frauen bevorzugt nach der Menopause (weibliche Wechseljahre).
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) wird in Querschnittsanalysen größerer nicht vorselektierter männlicher US-Kollektive mit 1,4-2,1/100.000 angegeben.
Die Prävalenz der LS bei präpubertären Mädchen wird mit 1 : 900 geschätzt [1].
Nach bisherigen Schätzungen bekommen Männer einen Lichen sclerosus in 1 : 1 000 Fällen.
Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt ca. 14 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
Verlauf und Prognose: Bei Lichen sclerosus handelt sich um eine chronisch entzündliche Bindegewebserkrankung mit evtl. jahrzehntelangem, schubweisen Verlauf. Durch Versuche der Selbsttherapie verzögert sich häufig die Diagnosestellung.
Bei Jungen/Männern wird im Regelfall der Penis (Glans und Präputium) befallen. Man spricht dabei von einer Balanitis xerotica obliterans (eine Form der Eichelentzündung), die zu einer operationsbedürftigen Phimose (Vorhautverengung) führt.
Bei weiblichen Kleinkindern kann die Krankheit das Hymen (Jungfernhäutchen) zerstören. Bei Frauen wird in ca. 90 % der Fälle der Genitoanalbereich befallen. Die Erkrankung zeigt im Spätstadium unterschiedliche Schweregrade einer Atrophie (Rückbildung) der Vulva (Gesamtheit der äußeren primären Geschlechtsorgane).
Beim kindlichen Lichen sclerosus besteht die Chance der Ausheilung.
Komorbiditäten (Begleiterkrankungen): Es besteht eine gehäufte Komorbidität (Begleiterkrankung) mit Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1, Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt) und Vitiligo (Weißfleckenkrankheit). Des Weiteren treten gehäuft auf entzündliche Darmerkrankungen, Alopecia areata (kreisrunde Haarausfall), perniziöse Anämie (Form der Blutarmut), rheumatoide Arthritis (chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert; sie befällt überwiegend die Gelenke, seltener auch andere Organe wie z. B. Augen und Haut) und Psoriasis (Schuppenflechte).
Die Prognose ist quoad vitam ("in Bezug auf das Leben/Überleben") gut, quoad sanationem ("in Bezug auf die Heilung") zweifelhaft.
Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring
Literatur
- Powell J, Wojnarowska F: Childhood vulvar lichen sclerosus: an increasingly common problem. J Am Acad Dermatol 2001; 44(5):803-6 doi: https://doi.org/10.1067/mjd.2001.113474