Symptome – Beschwerden
Synkope und Kollaps

Folgende Symptome und Beschwerden können auf Synkopen hinweisen:

Leitsymptom

  • Kurzfristige Bewusstlosigkeit mit/ohne Hinstürzen

Beachte: typische Auslöser, Prodromi (uncharakteristische Vorzeichen oder auch Frühsymptome einer Erkrankung), kurze Reorientierung

Bei Synkopen im jüngeren Alter handelt es sich in 75 % der Fälle um "harmlose" Reflexsynkopen (vasovagale neurokardiogene Synkope) oder um eine orthostatische Dysregulation (Auslöser: langes, ruhiges Stehen; häufig auch enge oder stickige Räume). Davon abzugrenzen sind potentiell tödliche kardiale (" herzbedingte") Synkopen (6-15 %) sowie anderweitige Bewusstseinsverluste (10 %), die metabolischen ("stoffwechselbedingte"), neurogen oder psychogenen Ursprungs sind [ESc-Guidelines].

Sheldon-Score [1]

Fragebogen zur Abgrenzung vasovagaler von kardial bedingten (herzbedingten) Synkopen

Fragen  Punkte (falls "ja")
Gibt es eine Anamnese mit bifaszikulärem Block, Asystolie, supraventrikulärer Tachykardie oder Diabetes mellitus?  -5
Haben Zeugen manchmal eine Zyanose während einer Ohnmacht beobachtet?  -4
Haben die Ohnmachten nach dem 35. Lebensjahr begonnen?  -3
Besteht Erinnerung an Ereignisse während der Ohnmacht?  -2
Gibt es Ohnmachten oder ein flaues Gefühl im Kopf nach langem Sitzen oder Stehen?  1
Kommt es vor der Ohnmacht zu Schwitzen oder einem Wärmegefühl?  2
Gibt es Ohnmachten oder ein flaues Gefühl im Kopf bei Schmerz oder bei einer medizinischen Behandlung?  3

Interpretation: Bei einem Summenscore ≥ -2 liegen vasovagale Synkopen vor, sonst kardiale Synkopen.

Kanadischer Synkopen-Risiko-Score [2]

Faktoren Punkte
Prädisposition für vasovagale Symptome* -1
Bekannte Herzerkrankung** 1
Jeder systolische Wert < 90 oder > 180 mmHg 2
Erhöhte Troponinwerte (> 99. Perzentile der Allgemeinbevölkerung) 2
Abnorme QRS-Achse (< –30° oder > 100°) 1
QRS-Zeit > 130 ms 1
Korrigiertes QT-Intervall > 480 ms 2
Diagnose einer vasovagalen Synkope -2
Diagnose einer kardialen Synkope 2
Gesamtscore (–3 bis 11)  

* Trigger sind warme, enge Räumlichkeiten, langes Stehen, Angst, starke Emotionen oder Schmerz

** Dazu zählen Herzinsuffizienz, KHK, Herzklappenerkrankungen, Non-Sinus-Rhythmus

Risikobewertung

Gesamtscore 30-Tagesrisiko für gravierende Ereignisse (%) Risikokategorie
-3 0,4 sehr niedrig
-2 0,7 sehr niedrig
-1 1,2 niedrig
0 1,9 niedrig
1 3,1 moderat
2 5,1 moderat
3 8,1 moderat
4 12,9 hoch
5 19,7 hoch
6 28,9 sehr hoch
7 40,3 sehr hoch
8 52,8 sehr hoch
9 65,0 sehr hoch
10 75,5 sehr hoch
11 86,3 sehr hoch

Klinische Zeichen und Symptome, die für die Diagnose einer kardialen Synkope richtungsweisend sind [3]:

  • Anamnese
    • Alter ≥ 35 Jahre [Spezifität 91 %] [Sensitivität 91 %]
    • Vorhofflimmern/-flattern
    • Strukturelle Herzerkrankung
    • Koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung)
    • Herzinsuffizienz (Herzschwäche) 
  • Symptome
    • Dyspnoe (Atemnot) – der Synkope vorausgehend
    • Angina pectoris (Herzbeklemmung) – der Synkope vorausgehend
    • Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut oder Schleimhäute) – während der Ohnmacht (von Zeugen beobachtet) 

Weitere Hinweise

  • Familienanamnese: plötzlicher Herztod (PHT) in jungen Jahren oder bei nahen Verwandten
  • Thoraxschmerz (Brustschmerzen) vor der Synkope
  • Synkope während körperlicher Anstrengung oder im Liegen
  • Palpitationen* unmittelbar vor der Synkope

*Herzaktionen, die vom Betroffenen selbst als ungewöhnlich schnell, kräftig oder unregelmäßig wahrgenommen werden.

Warnzeichen (red flags)

  • Eine sofortige Hospitalisierung mit EKG-Überwachung und zügiger kardiologischer Abklärung ist bei folgenden Hochrisikokonstellation erforderlich [Leitlinie: Brignole M et al.: 2018 ESC Guidelines]:

    • Neu einsetzender Thorax-, Abdominal- oder Kopfschmerz oder Dyspnoe (Atemnot)
    • Plötzliche Palpitationen unmittelbar vor der Ohnmacht
    • Bekannte Herzinsuffizienz, niedriger Auswurffraktion oder früherer Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
    • Synkope während körperlicher Belastung oder im Liegen, wenn keine vasovagalen Trigger erkennbar sind.
    • Unerklärter systolischer Blutdruck < 90 mmHg
    • persistierende Bradykardie < 40 bpm im Wachzustand (Nichtsportler)
    • bislang unbekanntes systolisches Geräusch
    • EKG-Befunde, die eine rhythmogene Ursache vermuten lassen
    • ausgeprägte Anämie (Blutarmut) oder Elektrolytstörung (Störung der Blutsalze)
    • Hinweise auf eine kardiogene Synkope/herzbedingte Synkope (potentiell tödlich) 
      • keine Prodromi (uncharakteristische Vorzeichen oder auch Frühsymptome einer Erkrankung), ohne Ankündigung
      • vorweg massive emotionale Belastung oder Sprung ins kalte Wasser/Tauchen oder Schmerzen
      • gemeinsames Auftreten mit körperlicher Belastung
      • Einnahme QTC-verlängernder Medikamente
      • strukturelle und funktionelle Herzerkrankungen oder Herzrhythmusstörungen (HRS)
      • Familienanamnese (Herztod < 40 Jahre; familiäre Herzrhythmusstörungen oder Kardiomyopathie/Herzmuskelerkrankung)
  • Es kann nicht von einer harmlosen Kreislaufreaktion ausgegangen werden, wenn in der Anamnese (Krankengeschichte) folgende Hinweise bzw. Krankheiten vorliegen:
    • Todesfall eines Familienmitglieds im Alter unter 30 Jahren
    • Herzerkrankungen
    • Synkope:
      • während oder nach dem Sport
        • Synkope während der körperlichen Belastung – insbesondere wenn Thoraxschmerz (Brustschmerzen) oder Palpitationen (Herzklopfen) vorangegangen sind → denken an: strukturelle Herzerkrankung und arrhythmogene Erkrankung (Krankheiten, die Herzrhythmusstörungen begünstigen bzw. hervorrufen)
        • Synkope in Ruhephasen spielt die neurokardiogene – also die Reflexsynkope ein große Rolle
      • beim Schwimmen
      • nach Palpitationen (Herzstolpern) oder thorakalen Schmerzen (Thoraxschmerz/Brustschmerzen)
      • nach lauten Geräuschen, nach starker emotionaler Belastung (Hinweis auf Long QT-Syndrom)
      • während körperlicher Belastung (Hinweis auf Herzrhythmusstörungen, Koronararterienanomalie/Anomalie der Herzkranzgefäße)
  • Bei jungen Patienten handelt es sich eher um eine vasovagale Reaktion (Kreislaufkollaps).
  • Bei Patienten mittleren Alters handelt es sich eher um eine Herzrhythmusstörung oder transitorische ischämische Attacke (TIA; plötzlich auftretende Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu neurologische Störungen führt, die sich innerhalb von 24 Stunden zurückbilden).
  • Bei einer Synkope + Thoraxschmerz (Brustschmerzen) → denken an: Myokardinfarkt
  • Bei einer Synkope stets auch an eine schwere innere Blutung (z. B. gastrointestinale Blutung/Magen-Darm-Blutung) denken. 
  • Sieht der Patient wie tot aus und hat bei Erholung eine auffällige Gesichtsrötung, so ist dieses ein Hinweis auf einen Adams-Stokes-Anfall (über einen Beobachter/dabei Anwesenden sollten Informationen zum Ablauf eingeholt werden).
  • Die Feststellung eines Aortengeräusches sollte Anlass zur sofortigen Einweisung in ein Krankenhaus sein. Eine Aortenstenose (Herzklappenfehler, bei dem der Ausflusstrakt der linken Herzkammer verengt ist) kann zu einem plötzlichen Herztod führen.
  • Zuckungen bis hin zu bilateralen symmetrischem Myoklonien (rasche unwillkürliche Muskelzuckungen; Zeichen eines Grand-Mai-Anfalls) → denken an:
    • Hyperventilationssyndrom (gesteigerte Atmung, die über den Bedarf hinaus geht); Symptome: z. B. Muskelkrämpfe, Parästhesien (Fehlempfindungen), Pfötchenstellung der Hände
    • Synkope (s. o.): blasser Patient, nach wenigen Sekunden wieder reorientiert; berichtet häufiger von einem Auslöser; gibt Schwarzwerden vor den Augen an; ggf. bilateraler Tinnitus (beidseitige Ohrgeräusche); tonische Phase ist gering; Myoklonien sind kurz, arrhythmisch und multifokal
    • Epilepsie (Krampfanfall); zyanotischer Patient, der nach einem Grand-Mal-Anfall oft 5-45 Minuten zur Reorientierung benötigt; postiktal: Zungenbiss (ca. 30 %), Einnässen (ca. 20 %), Kopfschmerzen (ca. 40 %); Auslöser selten; tonische Phase ist ausgeprägt; Myoklonien sind heftig, rhythmisch und symmetrisch

Literatur

  1. Sheldon R, Rose S, Connolly S et al.: Diagnostic criteria for vasovagal syncope based on a quantitative history. Eur Heart J 2006;27:344-350 doi: 10.1093/eurheartj/ehi584. Epub 2005 Oct 13.
  2. Thiruganasambandamoorthy V et al.: Development of the Canadian Syncope Risk Score to predict serious adverse events after emergency department assessment of syncope. CMAJ 2016, online 4. Juli doi:10.1503/cmaj.151469
  3. Bridwell RE, April MD, Long B: Which Elements of the History and Examination Suggest a Cardiac Cause of Syncope? Ann Emerg Med. 2019 Nov 20. pii: S0196-0644(19)31175-8. doi: 10.1016/j.annemergmed.2019.08.460

Leitlinien

  1. Brignole M, Moya A, de Lange F et al.: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. European Heart Journal, ehy037, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy037 Published: 19 March 2018
     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage für Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

 
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
ArztOnline.jpg
 
DocMedicus                          
Gesundheitsportal

Unsere Partner DocMedicus Verlag