Medizingerätediagnostik
Synkope und Kollaps

Obligate Medizingerätediagnostik

  • Vitalparameter inkl. Temperatur, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz
  • Wiederholte Blutdruckmessung* an beiden Armen mit dem Armumfang angepasster Manschette.
  • Elektrokardiogramm* (EKG; Aufzeichnung der elektrischen Aktivitäten des Herzmuskels; hier: 12-Kanal-EKG)zur Basisdiagnostik bzw. bei Verdacht auf eine arrhythmogene Synkope (bedingt durch eine Herzrhythmusstörung) und/oder strukturelle kardiale Synkope (wegen struktureller Herzerkrankung)
    [Eine Arrhythmie während der Synkope ist beweisend für die Ursache; ein normales EKG während der Synkope schließt keine rhythmogene Ursache aus.]
    Hinweis: Durchführung genetische Tischr Tests auf mit Bradykardien assoziierte Mutationen, falls im EKG progrediente Leitungsstörungen vor dem 50. Lebensjahr auffallen (verlängerte P-Wellen, verlängerte PR-Intervalle und QRS-Verbreiterungen aller Art mit Achsendeviation) [Leitlinien: ESC Guidelines]..

Fakultative Medizingerätediagnostik ‒ in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern ‒ zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Orthostasetest (Schellong-Test) – zum Nachweis einer orthostatischen Hypotonie (OH) 
    • 1. Teil (Messungen in liegender Position): In minütlichem Abstand werden Blutdruck und Puls gemessen. Dauer: 3-10 Minuten.
    • 2. Teil (Messungen in stehender Position): Sofort im Anschluss an die letzte liegende Messung werden der Blutdruck und der Puls im Stehen gemessen (Sofortwert). Während der Standzeit wird in minütlichem Abstand, die Messung wiederholt. Dauer: 5-10 Minuten
    Beurteilung: Der Schellong-Test ist positiv, wenn der systolische Blutdruck anhaltend um mindestens 20 mmHg und/oder der diastolische um mindestens 10 mmHg im Stehen innerhalb von 3 Minuten nach dem Aufstehen abfällt (im Vergleich zu den Ruhewerten nach 4 Minuten Liegen) oder bei 60° Elevation auf dem Kipptisch.
    Alternativ spricht man von einer orthostatischen Hypotonie bei einem Abfall um mehr als 30 mmHg bei hypertensiven Patienten mit Blutdruck über 160 mmHg in Rückenlage.
    In diesen Fällen ist eine sogenannte orthostatische Fehlregulation sehr wahrscheinlich.
    Indikation: V. a. 
    Reflex oder orthostatische Dysregulation
    Hinweis: Die Klapptischuntersuchung hat den Empfehlungsgrad IIb [Leitlinien: ESC-Leitlinie]
    Die S1-Leitlinie empfiehlt einen aktiven Stehtest mit Blutdruck-/Pulsmessungen im Liegen und mindestens 3 Minuten im Stehen(sog. verkürzter Schellong-Test).
    Vorliegen einer orthostatischen Hypotension:
    • (Blutdruckabfall ≥ 20 mmHg systolisch und/oder ≥ 10 mmHg diastolisch oder systolischer Blutdruckwert < 90 mmHg nach 3 Minuten) und
    • POTS (Pulsanstieg ≥ 30 bpm (bei Jugendlichen unter 19 Jahren ≥ 40 bpm) oder absolute Pulsrate ≥ 120 bpm nach 10 Minuten
  • Ergometrie-Untersuchung (Messwerte der Herz-Kreislauf-Funktion ( z. B. Blutdruck, Herzschläge pro Minute, Rhythmus und Veränderungen im EKG) – bei Patienten, die Symptome haben, die auf eine belastungsinduzierte Bradykardie hindeuten können (Empfehlungsgrad Ic) [Leitlinien: ESC-Leitlinie]
  • Langzeit-EKG (Holter-EKG) (über 24 Stunden angelegtes EKG; zur genaueren Beurteilung der Herzfunktion innerhalb des Tages) – Indikationen [ESC-Leitlinie: Empfehlungsgrad IIa]:
    • die Klinik oder der EKG-Befund auf eine arrhythmogene Synkope hindeutet; und
    • wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es bald wieder zu einer Synkope kommt; und
    • wenn der Patient von einer spezifischen Therapie profitieren könnte, falls die Ursache gefunden wird.
  • Event-Recorder (Langzeit-EKG über einen längeren Zeitraum von meist 24 Stunden; kardiale Arrhythmien?) – bei rezidivierenden (wiederkehrenden) Synkopen und Verdacht auf kardiale (herzbedingte) Ursache [Empfehlungsgrad 1a]
  • Im­plan­tierbarer Ereignisrekorder (ILR) – bei rezidivierenden Synkopen ohne Prodromi (Vorboten; Frühwarnzeichen) und mit Verletzungsgefahr, um ggf. die Indikation für einen Schrittmacher festzustellen [S1-Leitlinie]
  • Elektrophysiologische Untersuchung (EPU) [ESC-Leitlinie] – bei Patienten mit unerklärbarer Synkope und bifaszikulärem Block (drohenden hochgradigen AV-Block) oder wenn eine Tachykardie vermutet wird.; daraus lassen sich u. a. folgende Indikationen für eine Schrittmacherimplantation (Schrittmacher-Empfehlungen) ableiten:
    • bisfaszikulärer Block (IIb-Empfehlung)
    • verlängerte Sinusknotenerholungszeit (IIa-Empfehlung)
    • HV-Intervall (Zeit zwischen der Erregung des His-Bündels (His-Spike) und der ersten Kammererregung in der Ableitung) von > 70 msec 
  • Langzeit-Blutdruckmessung (24-Stunden-Blutdruckmessungbei Verdacht auf Störungen der Blutdruckregulation
  • Echokardiographie (Echo; Herzultraschall) ‒ Verdacht auf eine kardiale Ursache der Synkope bzw. Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankungen  (z. B. Aortenklappenstenose, Mitralklappenstenose; Perikardtamponade; Aortendissektion)
  • Dopplersonographie (Ultraschalluntersuchung, die Flüssigkeitsströme (vor allem den Blutfluss) dynamisch darstellen kann) der Carotiden (Halsschlagadern) bei Verdacht auf Plaques (krankhafte Ablagerungen an den Gefäßwänden) bzw. Stenosen (Gefäßverengungen) in den Carotiden; keine Carotiden-Bildgebung bei Ohnmacht bzw. Synkopen solange keine anderen neurologischen Beschwerden auftreten 
  • Koronarangiographie (radiologisches Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) sichtbar macht) – bei Verdacht auf koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Enzephalogramm (EEG; Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns) – bei neurologischen Auffälligkeiten wie Parkinson-Symptome, Ataxie oder kognitiven Störungen; bei Verdacht auf Epilepsie
  • Computertomographie/Magnetresonanztomographie des Schädels (craniales CT bzw.cCT/craniales MRT bzw. cMRT) – bei Verdacht auf neurologische Ursache wie zerebrale Ischämie
    Beachte: 
    In einer Metaanalyse wurde bei Erwachsenen mit Synkopen bei mehr als jedem zweiten Patienten ein Schädel-CT durchgeführt. Dabei wurden in 1-4 % der Fälle intrakranielle ("innerhalb des Schädels") Ursachen entdeckt [3]. 
    Fazit: Bei Niedrigrisikopatienten mit Synkopen sollte die Indikation für ein Schädel-CT restriktiv gestellt werden.
  • Computertomographie (CT) mit Angiographie (Darstellung von Blutgefäßen) der Pulmonalarterien (CTPA) – als Basisdiagnostikum bei Verdacht auf Lungenembolie [Goldstandard]
    Alternativ: Lungenszintigraphie: V/P-Szintigraphie (Ventilations-/Perfusionsszintigraphie) (Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt): ca. 78 %; Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch das Verfahren auch als gesund erkannt werden): 98 %)
    Hinweis: Abklärung bei Patienten mit Symptomen wie Dyspnoe (Atemnot), klinische Zeichen einer tiefen Venenthrombose (TVT) oder EKG-Zeichen wie ein Rechtsschenkelblock
  • Polysomnographie (Schlaflabor; Messung verschiedener Körperfunktionen im Schlaf, die Auskunft über die Schlafqualität geben) – bei Verdacht auf Schlafapnoe

*Siehe dazu auch unter "Symptome – Beschwerden/Kanadischer Synkopen-Risiko-Score"

Weitere Hinweise

  • Gemäß der aktuellen Leitlinie der europäischen Gesellschaft für Kardiologie "ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope" von 2018 zufolge wird eine routinemäßige Durchführung ohne spezifische Verdachtsmomente von Thoraxröntgenaufnahme (Röntgen-Thorax) und Schädel-CT nicht empfohlen.
  • Bei Patienten mit Synkope und intermediärem Risiko betrug die Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) für die Identifikation eines schwerwiegenden Ereignisses innerhalb von einer Woche mittels EKG nach der Untersuchung bei mindesten 12-stündiger Dauer 89 %; die Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch das Verfahren auch als gesund erkannt werden) betrug dabei lediglich 78 % [3].
  • Orthostasetest: Zur Frage, ob der Test auf orthostatische Hypotonie (OH) aus dem Sitzen oder dem Liegen (Schellong-Test) erfolgen sollte, ergab eine Studie, dass beim Wechsel von Rückenlage zu Stand häufiger eine OH entdeckt wird; das Ergebnis korreliert auch mit dem Auftreten orthostatischer Beschwerden [4].

Literatur

  1. Bhangu J et al.: Long-term cardiac monitoring in older adults with unexplained falls and syncope. Heart 2016;102:681-686
  2. Viau JA et al.: The Yield of Computed Tomography of the Head Among Patients Presenting With Syncope: A Systematic Review. Acad Emerg Med 2019;26:479-490. https://doi.org/10.1111/acem.13568
  3. Solbiati M et al.: Predictive Accuracy of Electrocardiographic Monitoring of Patients With Syncope in the Emergency Department: The SyMoNE Multicenter Study. Academic Emergency Medicine 2019; https://doi.org/10.1111/acem.13842
  4. Juraschek SP et al.: Comparison of supine and seated orthostatic hypotension assessments and their association with falls and orthostatic symptoms. Journal of the American Geriatrics Society 2022; https://doi.org/10.1111/jgs.17804

Leitlinien

  1. von Scheidt W et al.: Manual zur Diagnostik und Therapie von Synkopen. Kardiologe (2019) 13: 198. https://doi.org/10.1007/s12181-019-0319-0
  2. S1-Leitlinie: Synkopen. (AWMF-Registernummer: 030-072), Januar 2020 Langfassung
  3. Glikson M. et al.: 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy: Developed by the Task Force on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy of the European Society of Cardiology (ESC) With the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA). European Heart Journal August 2021. doi.org/10.1093/eurheartj/ehab364
     
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