Synkope und Kollaps – Einleitung

Bei einer Synkope handelt es sich um eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit („transient loss of consciousness“, TLoC), die durch eine Minderperfusion (Minderdurchblutung) des Gehirns bedingt ist und meist mit einem Verlust des Muskeltonus einhergeht. 

Synonyme und ICD-10: allgemeiner Kollaps; Blackout; Gowers-Syndrom; Herzsynkope; kardiale Synkope; Kollaps; kurzfristiger Bewusstseinsverlust; Ohnmacht; Ohnmachtsanfall; Ohnmachtssyndrom; Sympathikovasaler Anfall; synkopaler Anfall; Synkope; Synkope mit Vasokonstriktion; vagusbedingte Ohnmacht; vagusbedingter Ohnmachtsanfall; vasomotorische Instabilität; vasomotorisches Phänomen; vasovagale Synkope; vasovagaler Anfall; vasovagaler Reflex; vasovagales Phänomen; Vasovagalsyndrom; ICD-10-GM R55: Synkope und Kollaps

Bereits eine ca. 6-8 Sekunden anhaltende Erniedrigung der systemischen Blutdruckwerte < 60 mm Hg reicht aus, dass es zu einer Synkope, d. h. einem attackenartigen Bewusstseinsverlust kommt.

Definitionen

Eine Präsynkope wird gemäß der S1-Leitlinie wie folgt definiert: "Prodromalstadium (Vorläufersymptome) einer Synkope mit Schwinden der Sinne (Schwarzsehen, Leisehören), ggf. mit Schwitzen und ausgeprägter Hyperventilation (gesteigerte Atmung, die über den Bedarf hinaus geht). Muss nicht in eine Synkope einmünden".

Die kurzzeitige Bewusstlosigkeit („transient loss of consciousness“, TLoC) wird gemäß der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) [Leitlinien: 4] wie folgt definiert:

  • kurze Dauer (< 5 min)
  • abnormale motorische Kontrolle
  • passager fehlende Reaktion auf Ansprache oder Stimuli
  • Amnesie (Ausfall des Erinnerungsvermögens) für die Dauer der Bewusstlosigkeit

Formen der Synkope

  • Orthostatische Synkope (ca. 20 % aller Synkopen) – Synkope im Rahmen des Wechsels von einer liegenden, sitzenden oder knienden in eine aufrechte Position
  • Kardiogene Synkope/kardiale Synkopen (ca. 20 %) – das Herz betreffende Synkope
    • rhythmogene Synkope (Synkopen durch Herzrhythmusstörungen)
    • vasovagale Synkope (VVS; Synonym: Reflexsynkope; ca. 45 %): z. B
      • orthostatische vasovagale Synkope (orthostatische VVS); Auslöser: langes, ruhiges Stehen; häufig auch enge oder stickige Räume
      • Synkope bei hypersensitivem Karotissinus; Auslöser: Druck auf Karotissinus
      • Blut-/Verletzung assoziierte vagale Synkope; Auslöser: Verletzungen, Blut sehen, plötzlicher Schmerz
      • Synkopen bei bestimmten Reizungen; Auslöser: z. B. Schlucken, Miktion (Wasserlassen)
  • Synkope durch ein Valsalva-Manöver (ca. 10 %; forcierte Exspiration (Ausatmung) gegen die verschlossene Mund- und Nasenöffnung bei gleichzeitigem Einsatz der Bauchpresse)
  • Neurogene Synkope (ca. 5 %) – das Nervensystem betreffende Synkope
  • Metabolische Synkope (ca. 3 %) – Synkope aufgrund einer Stoffwechselstörung
  • Psychovegetative Synkope (ca. 1 %)
  • Systemisch/medikamentös induzierte Synkopen (14,5 %)
  • Unklare Synkope 

Die ESC-Leitlinie kennen drei Kategorien von Synkopen [5, Leitlinien: 2]:

  • Reflexsynkopen (vasovale Synkopen) – kurz andauernde Bewusstlosigkeit infolge eines überschießenden Vagotonus; die Ursachen dafür sind vielfältig:
    • emotional induzierte Synkope (Schreck- oder Schmerzerlebnisse: vor allem durch Blut-/Verletzungsassoziationen)
    • neurokardiogene Synkope (körperliche Belastungssituationen: z. B. nach längerem Stehen)
    • Karotissinussynkope (durch Massage auf dem Karotissinus)
    • viszerale Reflexe (viszerale Synkope) im Rahmen der Defäkation (Stuhlentleerung), der Miktion (Blasenentleerung; Miktionssynkope) oder des Schluckvorganges (viszerale Reflexsynkope)
    • Synkopen ohne erkennbare Trigger
  • Synkopen durch orthostatische Hypotension (krankhafter Blutdruckabfall beim Aufrichten) (Synonyme: orthostatische Dysregulation; orthostatische Hypotonie, orthostatische Kreislaufregulationsstörung)
  • Kardiale Synkopen – herzbedingte Synkope
    • rhythmogene Synkopen – kurz andauernde Bewusstlosigkeit infolge einer Herzrhythmusstörung
      • bradykarde Herzrhythmusstörungen: Sick-Sinus-Syndrom, AV-Blockierungen 2. und 3. Grades
      • tachykarde Herzrhythmusstörungen: supraventrikuläre Tachykardien, Kammertachykardien/Kammerflimmern (z. B. nach Myokardinfarkt, Ionenkanalerkrankungen wie das Brugada-Syndrom oder das lange QT-Syndrom [Romano-Ward-Syndrom])
    • Mechanische Ursachen (kardiovaskuläre Synkopen): z. B. eine symptomatische Aortenklappenstenose

Inzwischen wurde als eine weitere Ursache ein Gen auf dem Chromosom 2q32.1 nachgewiesen: Träger dieses Gens haben ein erhöhtes Risiko plötzlich und unerwartet in Ohnmacht zu fallen, aus der sie meistens kurze Zeit später erwachen. Homozygote Träger dieser Variante hatten ein um 30 erhöhtes Risiko, im Verlauf ihres Lebens eine Synkope zu erleiden [8].

Eine Synkope kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen")

Kollaps

Der Kollaps wird oft synonym mit Synkope verwendet, beschreibt jedoch im medizinischen Kontext eher einen allgemeinen Zustand des plötzlichen Zusammenbruchs, der nicht unbedingt mit Bewusstlosigkeit einhergeht. Es kann sich um einen Zustand handeln, bei dem der Betroffene stark geschwächt ist und möglicherweise das Bewusstsein verliert, jedoch nicht zwangsläufig durch eine reduzierte Hirndurchblutung, wie es bei einer Synkope der Fall ist. Kollaps kann durch verschiedene Ursachen wie Dehydratation, Hypoglykämie, Hitzschlag oder Überanstrengung ausgelöst werden.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis

  • Im Kindesalter: Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.

Häufigkeitsgipfel

  • Kinder und Jugendliche: Besonders Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren (Alterspeak: Pubertät) können von einer Synkope betroffen sein. Etwa 15 % aller Kinder erleiden bis zum Erwachsenenalter mindestens einmal eine Synkope.
  • Ältere Menschen: Das Symptom tritt besonders bei älteren Menschen häufig auf. Die Prävalenz liegt bei 6 % aller älteren Menschen in Deutschland.

Altersverteilung

  • Kinder und Jugendliche: Jugendliche haben nur in Ausnahmefällen kardiale Synkopen.
  • Erwachsene über 65 Jahre: Der Anteil der kardialen Synkopen steigt deutlich ab einem Alter von über 65 Jahren an.

Prävalenz und Inzidenz

  • Notfallaufnahmen: Ca. 3-5 % der Patienten in einer Notfallaufnahme weisen das Leitsymptom "Synkope" auf.

Häufigkeit der Synkopentypen

  • Ältere Menschen: Am häufigsten sind neurogene Synkopen, gefolgt von kreislaufbedingten und durch Herzrhythmusstörungen verursachten Synkopen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das Auftreten einer Synkope ist typischerweise plötzlich und wird häufig durch eine spontane und vollständige Erholung charakterisiert. Wichtig ist die sofortige Unterscheidung zwischen einer Synkope und anderen schwerwiegenden Störungen, die eine kurzfristige Bewusstlosigkeit verursachen können.

  • Initiale Abklärung: Diese sollte in einer Notaufnahme beginnen, um festzustellen, ob ein niedriges oder hohes Risiko für eine kardiogene Synkope besteht, die potentiell lebensbedrohlich sein kann. Eine detaillierte Anamnese und körperliche Untersuchung sind entscheidend.
  • Erholungsphase: Patienten erholen sich in der Regel schnell und vollständig nach einer Synkope. Es ist jedoch wichtig, die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren, um wiederkehrende Episoden zu verhindern.
  • Differenzierung der Synkopenformen: Zu den häufigen Formen gehören orthostatische, kardiogene und vasovagale Synkopen. Jede Form hat spezifische Auslöser und Charakteristika, die bei der Diagnose und Behandlung berücksichtigt werden müssen.
  • Symptomatische Behandlung: Bei festgestellter Ursache der Synkope erfolgt eine spezifische Behandlung. Bei reflexvermittelten Synkopen können Maßnahmen wie Flüssigkeitszufuhr und das Vermeiden von Auslösern helfen, während kardiogene Synkopen eine weiterführende kardiologische Abklärung und Therapie erfordern.
  • Langzeitüberwachung: Patienten mit wiederkehrenden Synkopen oder hohem Risiko sollten langfristig überwacht werden, um das Risiko schwerer Komplikationen zu minimieren.

Prognose

  • Arrhythmien: Herzrhythmusstörungen treten häufig kurz nach der Ohnmacht auf. Bei Patienten mit geringem Risiko (CSRS, Canadian Syncope Risk Score) traten die meisten schwerwiegenden Arrhythmien innerhalb der ersten 2 Stunden nach Einlieferung in die Notaufnahme auf, bei Patienten mit mittlerem und hohem Risiko innerhalb von 6 Stunden. Etwa 3,7 % der Patienten mit einer Synkope entwickeln innerhalb eines Monats nach der Synkope Arrhythmien [7].
  • Komplikationen während des Fluges: Synkopen stellen den häufigsten Notfall an Bord von Linienflugzeugen dar (35 %), gefolgt von Angina pectoris (11,9 %) und anderen kardialen Beschwerden (23 %) [1].
  • Verkehrsunfälle: Die Inzidenzrate für Verkehrsunfälle nach einer Synkope liegt bei 20,6 pro 1.000 Personenjahre (PJ) und ist damit fast doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung mit 12,1/1.000 PJ [2].
  • Langzeitrisiken: Patienten mit Synkopen und unbekannter Ursache haben ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern (84 %), zukünftige Koronarereignisse/Erkrankung der Herzkranzgefäße (85 %), Aortenklappenstenose (106 %) und Herzinsuffizienz/Herzschwäche (124 %). Ihre Mortalität ist um 22 % und die kardiovaskuläre Mortalität um 72 % höher [6]. Bei orthostatischen Synkopen steigt die Inzidenz von Herzinsuffizienz um 78 %, Vorhofflimmern (VHF) um 89 % und die Gesamtmortalität (Gesamtsterberate) um 14 %. Das Schlaganfallrisiko erhöht sich um 66 % [6].
  • Mortalität und Morbidität: Die Sterblichkeit bei Synkopen ist stark abhängig von der zugrunde liegenden Ursache und den Begleiterkrankungen. Besonders bei älteren Menschen und bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen ist die Prognose schlechter. Hochrisikopatienten benötigen eine sofortige weiterführende Diagnostik und gegebenenfalls eine stationäre Behandlung, während Patienten mit niedrigem Risiko ambulant weiterbetreut werden können.

Symptomatische Hochrisikopatienten bedürfen umgehend der weiterführenden Diagnostik und sollten anschließend stationär behandelt werden.
Asymptomatische Hochrisikopatienten können bei unklarer Synkope mit niedrigem Risiko zeitnah entlassen und ambulant weitergeführt werden. Zur Definition asymptomatischer Hochrisikopatienten siehe unter "Weitere Therapie".

Literatur

  1. Donaldson E, Pearn J: First aid in the air. Aust N Z J Surg 1996; 66:431-434
  2. Numé AK et al.: Syncope and Motor Vehicle Crash Risk. A Danish Nationwide Study. JAMA Intern Med 2016, online 29. Februar; doi: 10.1001/jamainternmed.2015.8606
  3. Colman N, Nahm K, Ganzeboom KS et al.: Epidemiology of reflex syncope. Clinical autonomic research: official journal of the Clinical Autonomic Research Society 2004; 14 Suppl 1: 9-17
  4. Wieling W, Ganzeboom KS and Saul JP: Reflex syncope in children and adolescents. Heart 2004; 90: 1094-1100
  5. Moya A, Sutton R, Ammirati F, Blanc et al.: for the Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope; European Society of Cardiology (ESC); European Heart Rhythm Association (EHRA); Heart Failure Association (HFA); Heart Rhythm Society (HRS): Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). Eur Heart J 2009; 30: 2631-71. Epub 2009 Aug 27.
  6. Yasa E et al.: Cardiovascular risk after hospitalisation for unexplained syncope and orthostatic hypotension. Heart 2017 Aug 3. pii: heartjnl-2017-311857. doi: 10.1136/heartjnl-2017-311857
  7. Thiruganasambandamoorthy V et al.: Duration of Electrocardiographic Monitoring of Emergency Department Patients with Syncope. Circulation 2019:0 Originally published 21 Jan 2019 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.118.036088
  8. Hadji-Turdeghal K et al.: Genome-wide association study identifies locus at chromosome 2q32.1 associated with syncope and collapse Cardiovascular Research, cvz106, https://doi.org/10.1093/cvr/cvz106 Published: 03 May 2019

Leitlinien

  1. Moya A, Sutton R, Ammirati F, Blanc et al.: for the Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope; European Society of Cardiology (ESC); European Heart Rhythm Association (EHRA); Heart Failure Association (HFA); Heart Rhythm Society (HRS): Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). Eur Heart J 2009; 30: 2631-71. Epub 2009 Aug 27.
  2. Brignole M, Moya A, de Lange F et al.: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. European Heart Journal, ehy037, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy037 Published: 19 March 2018
  3. S1-Leitlinie: Synkopen. (AWMF-Registernummer: 030-072), Januar 2020 Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Synkopen im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023-004), Februar 2020 Langfassung