Spinale Muskelatrophie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Bei der 5q-spinalen Muskeldystrophie handelt es sich um eine autosomal-rezessive vererbbare Erkrankung, welches das "Survival Motor Neuron" (SMN1)-Gen auf Chromosom 5 betrifft. Das vom Gen exprimierte SMN-Protein (Survival of Motor Neuron) ist wesentlich für die Funktion von alpha-Motoneuronen (Grundlage aktiver Kontraktionen der Skelettmuskel).

Ursache sind zu mehr als 90 % Rasterschubmutationen, konkret Deletionen (Verlust von Nukleobasen), die zu einem in seiner Struktur erheblich veränderten Protein führen, wodurch es funktionsunfähig wird [1]. Die restlichen Prozent sind primär Missense-Mutationen (sinnverändernde Mutationen: Punktmutation, die den Einbau einer anderen Aminosäure in das Protein verursacht). Hierbei ist das Protein geringfügiger in seiner Struktur verändert, jedoch ebenfalls nicht funktionsfähig. Beides geht mit einer Degeneration der alpha-Motoneuronen einher.

1/40-1/60 der Bevölkerung sind Träger des für spinale Muskelatrophie kausalen Allels (eines von zwei einander entsprechenden Genen homologer Chromosomen).

Neben dem SMN1-Gen liegt zudem das sich nur in wenigen Nukleotiden davon unterscheidende SMN2-Gen vor. Es erfüllt die gleiche Funktion. Hier kommt es unabhängig von Mutationen im SMN1-Gen nach der Transkription (Synthese von RNA anhand einer DNA als Vorlage) im Zellkern zum sogenannten alternativen Splicing in 90 % der Fälle.

Das bedeutet, dass das für die Funktion des Proteins wesentliche Exon (kodierender DNA-Abschnitt, der somit über die in das Protein eingebaute Aminosäuren entscheidet) 7 durch das Spliceosom (beim Splicen essentieller RNA-Protein-Komplex) herausgeschnitten wird "Exon Skipping" und somit nicht mehr Teil der fertigen mRNA ist. Abermals entsteht ein funktionsloses Protein.

Individuen mit der spinalen Muskelatrophie haben daher kein funktionelles SMN1-Protein und eine Kompensation durch das lediglich nur zu 10 % funktionsfähige SMN2-Protein ist nicht möglich.

Die Anzahl der SMN2-Genkopien ist jedoch von Person zu Person unterschiedlich. Im Allgemeinen lässt sich feststellen: je geringer die Symptomatik und je milder der Verlauf, desto höher die Anzahl an SMN2-Genen – so gilt:

  • ca. 80 % derjenigen mit SMA Typ 1 tragen 1-2 Kopien des SMN2-Gens
  • ca. 82 % derjenigen mit SMA Typ 2 tragen 3 Kopien des SMN2-Gens
  • ca. 96 % derjenigen mit SMA Typ 3 tragen 3 - 4 Kopien des SMN2-Gens

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen: Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
      • Gene: SMN1 (s. o.)
      • SNPs: 26 mögliche SNPs im SMN1-Gen

Literatur

  1. Campbell L et al.: Genomic variation and gene conversion in spinal muscular atrophy: implications for disease process and clinical phenotype. Am J Hum Genet. 1997 Jul; 61 (1): 40-50. doi: 10.1086/513886