Sadismus und Masochismus

Sadismus und Masochismus (Sadomasochismus (SM)) sind sexuelle Verhaltensweisen in Kombination mit sexueller Erregung (Synonym: Algolagnie). Dabei werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln, gepaart mit sexueller Erregung, bevorzugt:

  • Masochismus: wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet
  • Sadismus: wenn jemand einem anderen Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln zufügt

Oft empfinden die betroffenen Personen sowohl bei sadistischen als auch bei masochistischen Aktivitäten eine sexuelle Erregung. Zwischen beiden Formen gibt es naturgemäß fließende Übergänge.

Algolagnie war die ursprüngliche Bezeichnung sadomasochistischer Verhaltensweisen, wohl erstmals als medizinisch-klinische Wortschöpfung um 1900 entstanden aus den griechischen Wörtern algos: Schmerz und lagneia: Wollust.

Die aktive Form der Algolagnie wurde durch den Begriff Sadismus, die passive Form durch Masochismus abgelöst. Sie wurde auch als Algophilie (Philie = Liebe; Lustschmerz) bezeichnet.

Medizinisch wird SM als krankhaft definiert, wenn:

  • eine sexuelle Befriedigung nur durch diese Praktiken möglich ist
  • nicht einvernehmlich durchgeführt wird
  • die betroffene Person sie persönlich ablehnt
  • darunter leidet und sich in der Lebensqualität eingeschränkt fühlt [1, 2, 3].

Im ICD 10 wird SM unter dem Oberbegriff „Störungen der Sexualpräferenz (inkl. Paraphilie)“: F 65.-, in der Untergruppe F 65.5: Sadomasochismus/Masochismus, gruppiert [4]. Der ICD ist ein Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)).

Soziologisch wird SM als eine Form individueller Sexualität angesehen, wenn sie im Konsens, als sexuelle Spielart ausgelebt wird und wenn die betroffenen Personen nicht unter dieser Form der Sexualität leiden oder sie ablehnen [1, 2, 3]. Diese Formen der Sexualität werden unter BDSM zusammengefasst [5].

Die medizinische, als Krankheit definierte, Form von SM soll aus dem ICD entfernt werden und als eine besondere Art der Sexualität (Subkultur) gelten. In Dänemark (1995) Schweden (2009) Norwegen (2010) und Finnland (2011) ist dies bereits umgesetzt [5]. Seit Januar 2022 gibt es eine revidierte Form des ICD 10, den ICD 11, in dem auch Sadomasochismus neu definiert wird. In Deutschland wird die Neufassung des ICD 11 geprüft. Bis zur Einführung werden wohl mehrere Jahre vergehen.

BDSM steht für Bondage (Fesseln), Disziplin bzw. Dominanz (Domination), Unterwerfung (Submission) sowie für Sadismus (Sadism) und Masochismus (Masochism) [5]. BDSM wird als Sammelbegriff für eine breite Palette zwischenmenschlicher erotischer Beziehungen von Erwachsenen, die nicht normalen Sex – Vanillasex – leben, sondern ihre besonderen Neigungen ausleben, verstanden. Oberstes Prinzip ist die Einvernehmlichkeit der Aktivitäten, die häufig auch vertraglich festgelegt werden.

Diese Art der Sexualität beinhaltet verschiedene Rollenspiele und sexuelle Praktiken mit den Rollen:

  • Top/dominant (dom): Partner, der die Aktivität ausführt oder kontrolliert.
  • Unten/unterwürfig (submissiv, sub): Partner, der empfängt oder kontrolliert wird.
  • „Schalter“ sind Personen, die zwischen den Rollen sub und dom wechseln (Switches).

Je nach der Ausprägung der bevorzugten Aktivität kann die Bondage- oder die Dominanz-Neigung vorrangig sein, sodass eine BDSM-Aktivität durchaus auch nicht sexuelle Aktivitäten bzw. sexuelle Rollenspiele beinhalten kann.

Ein wichtiger Bestandteil ist neben Safer Sex auch die Verwendung eines Safewords, mit dem die vereinbarte Aktivität sofort unterbrochen wird, wenn trotz Zustimmung Probleme für einen Partner auftreten oder die Aktivität als zu intensiv empfunden wird. Eine Nichtbeachtung bedeutet ein schwerwiegendes Fehlverhalten. Ein universelles und häufig verwendetes Safeword-System ist das Ampelsystem mit dem Hinweis [5, 6]:

  • Rot: sofortiger Stopp
  • Gelb: langsam, vorsichtig werden
  • Grün: o. k., das Spiel kann begonnen werden

BDSM-Aktivität kann zwischen zwei oder mehreren Personen, in privatem Kreis, Partys, aber auch in Clubs, sogar als öffentliche Veranstaltung stattfinden. Sie wird als Szene oder Sitzung bezeichnet, der Ort als Spielraum oder Dungeon (Kerker) (speziell eingerichtete Räumlichkeit, die für BDSM-Spiele z. B. mit Ausrüstung (Spielgeräten) geeignet sind). Viele Personen gehören auch speziellen BDSM-Communities an. Im Internet sind für alle Spielarten entsprechende Portale zu finden. Wenn sich Partner nur ungenügend kennen, sind Pre-Play-Verhandlungen zur Sicherung der Spielregeln üblich.

Folgende zwei unterschiedliche Arten von Sicherheitscodes sind gebräuchlich [5, 7]:

  • SSC (Safe, Sane, Consensual = sicher, mit gesundem Menschenverstand vereinbar, gesund, einvernehmlich). Dies sichert nicht nur den Schutz vor Geschlechtskrankheiten, sondern auch vor körperlichen Schäden bei der Ausübung der Rollenspiele.
  • Rack (Risk-aware consensual kick): Risikobewusster gemeinsamer Kick (R = Risiko jeder BDSM-Aktivität, Aware = gute Information über potentielle Risiken jeder BDSM-Aktivität), Consensual = einvernehmlich)

Beide Sicherheitscodes sind gebräuchlich, wobei SSC der ältere Begriff ist und den Sicherheitsaspekt im Vordergrund sieht, während Rack bewusst eher riskante sexuelle Verhaltensweisen zulässt, wenn die Akteure sich über deren Risiken bewusst sind und zustimmen. Mit anderen Worten sind in der Rack-Philosophie riskante und auch unvernünftige Spiele im Konsens möglich, die unter SCC-Gesichtspunkten nicht konsensfähig sind.

In Absprache ist die Erlaubnis zu körperlichen Verletzungen möglich, um das Vergnügen zu steigern. Ernsthafte Verletzungen treten trotzdem selten auf [5, 6].

Ein großer Teil von BDSM-Praktizierenden gehört Gemeinschaften an, die neben ethischen Richtlinien auch Richtlinien vermitteln, um Gesundheitsrisiken, z. B. in Erste-Hilfe-Kursen, Sicherheitsschulungen bzw. Verhalten in Notfällen, zu minimieren [6]. Etwa 20-30 % der erwachsenen Bevölkerung praktiziert BDSM-Rollenspiele [5, 6]. BDSM-bezogene Fantasien sind mit 40-70 % sehr viel häufiger [6]. Die Vielfalt der BDSM-Rollenspiele ist groß [5, 6].

Geschichte

Sowohl Sadismus und Masochismus als auch Fesseln (Bondage), Dominanz (Dominanz) und Unterwerfung (Submission) sind allein oder in verschiedenen Kombinationen immer schon als sexuelle Spielarten üblich gewesen und sowohl im Altertum schriftlich als auch in der Kunst dargestellt worden. Nur die heute üblichen Begriffe wurden in der jüngeren Zeit eingeführt.

Sadismus

Der Begriff geht auf den Namen Marquis de Sade (1740-1814) zurück. Er praktizierte und publizierte sexuellen Sadismus.

Masochismus

Der Begriff geht auf den Namen Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) zurück. Er veröffentlichte Romane mit masochistischen Fantasien.

Medizinische Terminologie

Richard von Krafft Ebing, ein deutscher Psychiater, führte den Begriff Sadismus und Masochismus als medizinische Begriffe ein. Er veröffentlichte 1890 das Werk: Neue Forschungen auf dem Gebiet der Psychopathia sexualis.

Sigmund Freud bezeichnete 1905 den Sadismus als eine psychische Fehlentwicklung im Kindesalter und hat damit für viele Jahrzehnte die Grundlage für eine falsche medizinische Sichtweise gelegt.

Isidor Isdaak Sadger, ein Wiener Psychoanalytiker, hat als Erster das zusammengesetzte Wort Sadomasochismus in einer Veröffentlichung im Jahr 1913 geprägt.

Wann genau der Begriff BDSM entstand und wer ihn entwickelt hat, ist derzeit unklar. Als Abkürzung erscheint dieser Begriff wohl erstmals 1991 im Oxford Englisch Dictionary [5, 8]. Möglicherweise ist er darauf zurückzuführen, dass sich im späten 20. Jahrhundert die sexuelle Einstellung zu sadomasochistischen Bedürfnissen und Verhaltensweisen verändert hat, weg von medizinisch pathologischen Aspekten.

Literatur

  1. Algolagnie: https://dewiki.de/Lexikon/Algolagnie
  2. Sadismus-Wikepedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Sadismus
  3. Masochochismus-Wikepedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Masochismus
  4. ICD 10: https://www.icd-code.de/icd/code/F65.-.html
  5. BDSM. https://de.wikipedia.org/wiki/BDSM
  6. Schori A, Jackowski C, Schön CA: How safe is BDSM? A literature review on fatal outcome in BDSM play. Int J Legal Med. 2022 Jan; 136 (1): 287-295. doi: 10.1007/s00414-021-02674-0.
  7. SCC oder RACK?WTF? https://eisbaerbdsm.wordpress.com/2019/01/18/ssc-oder-rack-wtf/
  8. Oxford English Dictionary Online (draft ed.). Oxford University Press. June 2013. Archived from the original on 31 December 2015.
     
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