Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Polyneuropathie hinweisen:
Sensibilitätsstörungen/Sensible Missempfindungen
- Negativsymptome
- Hypästhesie (reduzierte Empfindung nicht schmerzhafter Reize)
- Hyperalgesie (reduziertes Schmerzempfinden)
- Pallhypästhesie (reduziertes Vibrationsempfinden)
- Fehlendes Wärme- oder Kälteempfinden
- Positivsymptome
- Allodynie (Schmerzauslösung die beim Gesunden auch bei langer Anwendung niemals Schmerz verursacht)
- Dysästhesien (Brennen, Stechen
- Parästhesien (Ameisenlaufen, Kribbeln, Taubheits- und Pelzigkeitsgefühl
- Schwellungsgefühl
Motorische Symptome
- Muskelatrophie
- Muskelkrämpfe
- Muskelschwäche
- Muskelzucken/Faszikulationen
- Paresen (Lähmungen)
- Schmerzen*
- Gangunsicherheit → Sturzgefahr bzw. Stürze
*Ca. 50 % aller Polyneuropathien gehen mit Schmerzen einher.
Autonome Symptome
- Blendungsgefühl
- Haut und Haare
- Hautveränderungen (z. B. trophische Störungen wie chronische Wunde)
- Xerodermie (trockene Haut)/Hypo- oder Anhidrosis – verminderte Fähigkeit zu schwitzen bis zur Unfähigkeit zu schwitzen
- Verlust der Körperbehaarung
- Gastrointestinale Symptome: Diarrhoe (Durchfall), Gastroparese (Lähmung der Magenperistaltik), Obstipation (Verstopfung)
- Herzrasen (z. B. Ruhetachykardie: > 100 Schläge/Min.)
- Urogenitale Symptome
- Miktionsstörungen (Blasenentleerungsstörungen):
- Miktionsfrequenz, Restharn, Harnwegsinfekte, Harnstrahlabschwächung, Notwendigkeit der Bauchpresse, Harninkontinenz
- Erektile Dysfunktion (ED; Erektionsstörungen)
- Miktionsstörungen (Blasenentleerungsstörungen):
Weitere Hinweise
- Eine Polyneuropathie tritt am häufigsten als distal symmetrisches sensomotorisches Syndrom auf. DD: Polyradikuloneuropathien mit proximalem und distalem Befall mit Rumpf- sowie Hirnnervenbeteiligung
- Distal symmetrische Polyneuropathie:
- Anamnese: Patienten klagen zu Beginn in der Regel über eine Taubheit, die in den Zehen beginnt und langsam – meist über Jahre – aufsteigt (socken- oder strumpfförmig)
- Beschwerden – Symptome: Parästhesien (Missempfindungen; Gehen wie auf Watte oder auf Kieselsteinen); Gangunsicherheit → Sturzgefahr bzw. Stürze
- Klinische Befunde: ausgefallene Achillessehnenreflexe, herabgesetztes Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfinden; distal herabgesetzte Vibrationsempfinden
- Diabetische Polyneuropathie
- Ein frühes Auftreten neuropathischer Schmerzen spricht für eine diabetische Genese.
- Frühe Gangstörungen, Befall der Arme oder eine ausgeprägte Asymmetrie sprechen eher gegen eine diabetische Genese.
- Sensible und motorische Störungen (= sensomotorische diabetische Polyneuropathie) treten meist gleichförmig an beiden Beinen und/oder Händen auf, sie sind also symmetrisch.
- Beachte: Bei einem Viertel der Patienten mit einer peripheren sensomotorischen diabetischen Polyneuropathie (Synonym: diabetische sensomotorische Polyneuropathie, DSPN) ist diese vollkommen schmerzlos.
Warnzeichen (red flags)
- Anamnese
- akute oder subakuter Beginn → denken an:
- chronisch inflammatorische demyelinisierende PNP (CIDP)
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
- Kollagenose (Bindegewebserkrankung, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind)
- schnelle Verschlechterung → denken an:
- CIDP
- distal sensiblen demyelinisierenden PNP (distal acquired demyelinating sensory neuropathy, DADS)
- GBS
- toxische Polyneuropathie
- Frühzeitiges Betroffensein der Hände/Arme → denken an: Vitamin-B12-Mangel; toxische PNP (s. u. Medikamente und "Umweltbelastungen – Intoxikationen"),
- akute oder subakuter Beginn → denken an:
- Asymmetrische Verteilung → denken an: proximale diabetische Neuropathie, Kollagenose
- Motorische Symptome im Vordergrund → denken an: CIDP, GBS, Charcot-Marie-Tooth-Erkrankungen, CMT, Typ 1 und 3, manche toxische Formen)
- Multifokales Muster → denken an: multifokalen motorischen Neuropathie (MMN), Kollagenose
- Schwere autonome Störungen → denken an: Amyloidose, Morbus Fabry (X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die auf einem Defekt im Gen für das Enzym Alpha-Galaktosidase A beruht), Small-fiber-Neuropathie (SFN; Untergruppe der Neuropathien, in der in erster Linie die sogenannten "Small Fiber", also die kleinkalibrigen Nervenfasern, betroffen sind)
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Diagnose und Therapie des Guillain-Barré Syndroms im Kindes- und Jugendalter (ICD-10: G61.0). (AWMF-Registernummer: 022 - 008), März 2019 Kurzfassung Langfassung