Leichte kognitive Beeinträchtigung – Einleitung

Die leichte kognitive Beeinträchtigung (LKB) (Synonyme: Altersvergesslichkeit; age-associated memory impairment (AAMI); altersassoziierte Gedächtnisstörung; engl. mild cognitive impairment, MCI; ICD-10-GM F06.7: Leichte kognitive Störung) bezeichnet eine Beeinträchtigung der Denkleistung, die über das nach Alter und Bildung des Betroffenen Normale hinausgeht, jedoch im Alltag keine wesentliche Behinderung darstellt.

Die leichte kognitive Beeinträchtigung (LKB) steht für einen klinischen Zustand zwischen kognitiv normalen Älteren und Demenz.

Formen der leichten kognitiven Beeinträchtigung

  • Amnestische LKB
    • Beschreibung: Hauptsächlich Gedächtnisprobleme.
    • Charakteristik: Schwierigkeiten beim Erinnern von Informationen oder Ereignissen.
  • Nicht-amnestische LKB
    • Beschreibung: Beeinträchtigungen in anderen kognitiven Bereichen wie Sprache, Aufmerksamkeit oder räumliche Wahrnehmung.
    • Charakteristik: Betroffene haben Probleme in kognitiven Bereichen außerhalb des Gedächtnisses.
  • Einzeldomänen-LKB
    • Beschreibung: Beeinträchtigung in nur einem kognitiven Bereich.
    • Charakteristik: Beispielsweise nur Gedächtnisprobleme oder nur Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit.
  • Multidomänen-LKB
    • Beschreibung: Beeinträchtigungen in mehreren kognitiven Bereichen.
    • Charakteristik: Kombination von Gedächtnisproblemen und anderen kognitiven Defiziten

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Die leichte kognitive Beeinträchtigung tritt vorwiegend ab dem 60. Lebensjahr auf (kann auch früher auftreten!).

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt zwischen 8 und 25 %. In der Gruppe der 60- bis 64-jährigen Patienten liegt diese bei 8-14 %; im Alter größer 85. Lebensjahr bei ca. 17-25 %.
Die Leitlinienautoren Petersen et al. konnten auf Grundlage hochwertig befundener Studien zur MCI-Prävalenz (mild cognitive impairment, MCI) in Abhängigkeit vom Alter folgende Prävalenzen für leichte kognitive Einschränkungen angeben:  6,7 % bei 60- bis 64-Jährigen, 8,4 %  bei 65 bis 69-Jährigen sowie 10,1 % im Alter von 70 bis 74 Jahren. Von den 75- bis 79-Jährigen sind nach diesen Daten knapp 15 % und von den 80- bis 84-Jährigen bereits mehr als ein Viertel von leichte kognitive Einschränkungen betroffen.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt 200 bis 1.500 pro 100.000 Einwohner pro Jahr für Menschen, die 65 Jahre oder älter sind.
Für 75-Jährige und Ältere beträgt die Inzidenz 5.400 pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Frühes Stadium
    • Gedächtnisprobleme: Erste Anzeichen zeigen sich oft in Form von Gedächtnisverlust, insbesondere Schwierigkeiten beim Abrufen neuer Informationen.
    • Orientierungsprobleme: Schwierigkeiten, sich in bekannten Umgebungen zurechtzufinden.
    • Sprachliche Beeinträchtigungen: Probleme, die richtigen Worte zu finden.
    • Alltagsaktivitäten: Allmähliche Beeinträchtigung der Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu erledigen.
  • Mittleres Stadium
    • Verschlechterung des Gedächtnisses: Verstärkter Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Betroffene können sich an jüngste Ereignisse oder Namen nicht erinnern.
    • Verhaltensänderungen: Zunehmende Reizbarkeit, Depression, Angstzustände und Schlafstörungen.
    • Alltagsleben: Schwierigkeiten bei täglichen Aktivitäten wie Anziehen, Kochen und Körperpflege.
    • Räumliche und zeitliche Desorientierung: Betroffene können sich verlaufen und wissen oft nicht, welcher Tag es ist.
    • Sprachliche Probleme: Verständnis- und Ausdrucksschwierigkeiten nehmen zu.
  • Spätes Stadium
    • Schwerer Gedächtnisverlust: Betroffene erkennen oft nahe Verwandte nicht mehr.
    • Körperliche Beeinträchtigungen: Bewegungsprobleme und zunehmende Bettlägerigkeit.
    • Verlust der Sprachfähigkeit: Fähigkeit zu kommunizieren, geht weitgehend verloren.
    • Verhaltensprobleme: Aggressivität, Wahnvorstellungen und Halluzinationen können auftreten.
    • Pflegeabhängigkeit: Betroffene sind vollständig auf Pflege angewiesen.

Prognose

  • Lebenserwartung
    • Die durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung beträgt etwa 8 bis 10 Jahre, kann aber stark variieren (2 bis 20 Jahre).
    • Prognose hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich Alter bei Diagnosestellung, allgemeiner Gesundheitszustand und Begleiterkrankungen.
  • Krankheitsprogression
    • Morbus Alzheimer ist eine progressive und unheilbare Erkrankung. Die Geschwindigkeit der Krankheitsprogression kann variieren, ist jedoch in der Regel kontinuierlich und führt zu einer stetigen Verschlechterung der kognitiven und körperlichen Funktionen.
    • Frühe Diagnosestellung und Therapie können den Krankheitsverlauf verzögern, aber nicht aufhalten.
  • Komplikationen
    • Aufgrund der zunehmenden Immobilität und Schluckstörungen im späten Stadium besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen (z. B. Pneumonie) und Aspirationspneumonie.
    • Bettlägerigkeit kann zu Druckgeschwüren (Dekubitus) führen.
    • Erhöhtes Risiko für Stürze und Frakturen durch motorische Beeinträchtigungen.
  • Pflegebedarf
    • Der Pflegeaufwand nimmt mit dem Fortschreiten der Krankheit zu. Im mittleren und späten Stadium ist oft eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erforderlich.
    • Pflegende Angehörige sind häufig stark belastet und benötigen Unterstützung durch Pflegeeinrichtungen oder professionelle Pflegedienste.

Beachte: Die Alzheimer-Erkrankung beginnt meist schleichend und entwickelt sich sehr langsam. Bereits im Stadium der leichten kognitiven Störung bei typischer Symptomausprägung und eindeutigem Biomarkerhinweis (Tau & β-Amyloid: s. u. Labordiagnostik) für das Vorliegen einer Alzheimer-Pathologie die Diagnose einer Alzheimer-Krankheit gestellt werden [S3-Leitlinie: Demenzen].

Komorbiditäten

Gemäß einer Studie ist eine leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI, mild congitve impairment) mit schwereren depressiven Symptomen, einer verringerten Lebensqualität und einer schlechteren allgemeinen kognitiven Verfassung assoziiert [1].

Literatur

  1. Reinlieb M, Ercoli LM, Siddarth P, St Cyr N, Lavretsky H The Patterns of Cognitive and Functional Impairment in Amnestic and Non-amnestic Mild Cognitive Impairment in Geriatric Depression. Am J Geriatr Psychiatry. 2013 Nov 5. pii: S1064-7481(13)00398-9. doi: 10.1016/j.jagp.2013.10.010. 

Leitlinien

  1. Petersen RC et al.: Practice guideline update summary: Mild cognitive impairment. Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 2017, epub 27.12.17, https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000004826
  2. S3-Leitlinie: Demenzen. (AWMF-Registernummer:038-013), November 2023 Langfassung