Ursachen
Fazialisparese

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Fazialisparese stellt die Lähmung der Muskeln, die durch den Nervus facialis, des Gesichtsnerven, innerviert werden, dar.

Der Nervus facialis ist der VII. Hirnnerv. Er ist unter anderem an den folgenden Vorgängen beteiligt:

  • Innervation der Gesichtsmuskeln
  • Geschmacksempfindung [Chorda tympani]
  • Speicheldrüsensekretion: Glandula submandibularis (Unterkieferdrüse) und Glandula sublingualis (Unterzungendrüse) [Chorda tympani]
  • Hören [Nervus stapedius]
  • Tränensekretion [N. petrosus major]

Die Pathogenese ist unterschiedlich in abhängig von der Ätiologie der Erkrankung.

Mögliche Ursachen einer zentralen Fazialisparese sind unter anderem eine intrakranielle Blutung (Blutung innerhalb des Schädels; parenchymatöse, subarachnoidale, sub- und epidurale sowie supra- und infratentorielle Blutungen)/intrazerebrale Blutung (ICB; Hirnblutung), ein Apoplex (Schlaganfall) oder ein Tumor.

In etwa 60-75 % Prozent der Fälle einer peripheren Fazialislähmung ist die Ursache nicht bekannt – man spricht von einer idiopathischen Fazialisparese, auch als Bell-Parese bezeichnet. 
Mögliche Ursachen der peripheren Lähmung des Nervs sind die Reaktivierung einer Herpes-simplex-Virusinfektion (HSV Typ 1) und eine zellvermittelte autoimmune Entzündung.

Ätiologie (Ursache) der peripheren Fazialisparese

Biographische Ursachen

  • Hormonelle Faktoren – Schwangerschaft und Wochenbett wirken prädisponierend; in der Schwangerschaft ist das Erkrankungsrisiko für die idiopathische periphere Fazialisparese um das Dreifache erhöht [1]

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Möbius-Kernaplasie ‒ angeborene Störung, die neben der Fazialisparese zu weiteren Hirnnervenausfällen führt (Erbgang: sporadisches Auftreten)

Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96)

  • Geburtslähmung (Verletzung des Nervus facialis) ‒ insbesondere erhöhtes Risiko bei Zangengeburt (lat. Forceps) 

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ‒ vor allem in Kombination mit arterieller Hypertonie (Bluthochdruck)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Apoplex – Läsion des kontralateralen Kortex oder kortikobulbärer Bahnen nach ischämischem Infarkt
  • Aneurysma (Wandaussackung) der Arteria vertebralis (Wirbelsäulenarterie)
  • Ischämiebedingt (wg. Infarkt, Blutung, Tumor) ‒ bedingt durch eine Minderversorgung des Nerven mit Nährstoffen

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionen:
    • Herpes simplex-Virus-1 (HSV-1) – Zoster oticus
    • Varizella-Zoster-Virus (VZV; auch Varicella-Zoster-Virus – bei Verdacht auf Zoster oticus, wobei Rötung, Ödem (Schwellung), Bläschenbildung im Ohrbereich oder am Trommelfell und eine Otalgie (Schmerzen in der Ohrregion) hinweisend sind
    • seltene Virusinfektionen: EBV, CMV, HPV-B19, HIV, Entero-Viren, Mumps-, Masern-, Röteln-Virus, Adeno- und Influenza-Viren
    • Borreliose (Bakterien aus der Gruppe der Borrelien (Spirochäten))
    • SARS-CoV-2 (Synonyme: neuartiges Coronavirus (2019-nCoV); 2019-nCoV (2019-novel Coronavirus; Coronavirus 2019-nCoV); Wuhan-Coronaviru) – bei der Infektion der Atemwege mit dem SARS-CoV-2 kommt es zu einer atypischen Pneumonie, die den Namen COVID-19 (engl. coronavirus disease 2019, Coronavirus-Krankheit-2019) erhalten hat; Letalität 2,3 %
    • seltene bakterielle Infektionen: Diphtherie (Corynebacterium diphtheriae), Ehrlichiose (Bakterium Ehrlichia canis), Leptospiren, M. pneumoniae, Bartonella henselae, Rickettsien (Bakterien der Gattung Rickettsia; z. B. Mittelmeerregion)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose − nekrotisierende (Gewebe absterbende) Vaskulitis (Gefäßentzündung) der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Kleingefäßvaskulitiden), welche mit einer Granulombildung (Knötchenbildung) in den oberen Atemwegen (Nase, Nasennebenhöhlen, Mittelohr, Oropharynx) sowie den unteren Atemwegen (Lunge) einhergeht
  • Sjögren-Syndrom (Gruppe der Sicca-Syndrome) – Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die zu einer chronisch entzündlichen Erkrankung der exokrinen Drüsen, am häufigsten der Speichel- und Tränendrüsen, führt; typische Folgeerkrankungen bzw. Komplikationen des Sicca-Syndroms sind:
    • Keratokonjunktivitis sicca (Syndrom des trockenen Auges) aufgrund fehlender Benetzung von Horn- und Bindehaut mit Tränenflüssigkeit
    • erhöhte Kariesanfälligkeit durch Xerostomie (Mundtrockenheit) aufgrund verminderter Speichelsekretion
    • Rhinitis sicca (trockene Nasenschleimhäute), Heiserkeit und chronischer Hustenreiz sowie eine gestörte Sexualfunktion durch Störung der Schleimdrüsenproduktion des Respirationstraktes und der Genitalorgane

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Akustikusneurinom (AKN) ‒ gutartiger Tumor, der von den Schwann'schen Zellen des vestibulären Anteils des VIII. Hirnnerven, dem Hör- und Gleichgewichtsnerven (Nervus vestibulocochlearis), ausgeht und im Kleinhirnbrückenwinkel oder im inneren Gehörgang gelegen ist.
    Das Akustikusneurinom ist der häufigste Kleinhirnbrückenwinkeltumor. Mehr als 95 % aller AKN sind einseitig. Bei Vorliegen von Neurofibromatose Typ 2 tritt das Akustikusneurinom hingegen typischerweise beidseitig auf.
  • Bösartige Parotistumoren ‒ Neubildungen der Ohrspeicheldrüse
  • Meningeome, Glomustumor – ausgehend vom Kleinhirnbrückenwinkel, oft weitere Hirnnervenausfälle
  • Tumoren (Neubildungen) an der Schädelbasis, Hirnstamm oder Kleinhirnbrückenwinkel
  • Tympanales Faszialisschwannom (Paukenhöhle (Tympanum) oder das Trommelfell (Membrana tympani) betreffend); Schwannome (s. u. Akustikusneurinom) des N. facialis sind mit einer Inzidenz von 0,38 % selten; betreffen häufig mehrere Segmente des Fazialisverlaufs

Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95)

  • Cholesteatom ‒ Einwucherung von mehrschichtigem verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender chronisch-eitriger Entzündung
  • Mastoiditis (Warzenfortsatzentzündung)
  • Otitis media (Mittelohrentzündung)
  • Parotitis (Ohrspeicheldrüsenentzündung)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS; Synonyme: Idiopathische Polyradikuloneuritis, Landry-Guillain-Barré-Strohl-Syndrom); zwei Verlaufsformen: akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie bzw. chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems); idiopathische Polyneuritis (Erkrankungen mehrerer Nerven) der spinalen Nervenwurzeln und peripheren Nerven mit aufsteigenden Lähmungen und Schmerzen; tritt meist nach Infektionen auf
  • Meningitis (Hirnhautentzündung)
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Polyneuritis ‒ Entzündung mehrerer Nerven
  • Progressive Bulbärparalyse ‒ Erkrankung, bei der es zum Ausfall motorischer Hirnnervenkerne kommt und zur Gruppe der spinalen Muskelatrophien (Muskelschwund, der durch einen fortschreitenden Untergang von motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks verursacht wird) gehört
  • Syringobulbie ‒ Erkrankung des verlängerten Rückenmarks, die mit dessen Zerstörung einhergeht

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Schwangerschaft und Wochenbett wirken prädisponierend; in der Schwangerschaft ist das Erkrankungsrisiko für die idiopathische periphere Fazialisparese um das Dreifache erhöht [1]

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Felsenbeinfrakturen
  • Schädelbasisbruch
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Traumatisch bedingt ‒ nach Verletzungen (im Säuglingsalter: Geburtstraumen)
  • Vergiftungen, nicht näher bezeichnet

Medikamente

  • COVID-19-Impfung

Weitere Ursachen

  • Idiopathisch ‒ eine Ursache wird nicht gefunden (60-80 % der Fälle: idiopathische Fazialisparese oder Bell-Parese)
  • Nach Operationen am Ohr oder vor allem an der Parotis (Ohrspeicheldrüse); nach operativer Entfernung gutartiger Parotistumoren (pleomorphe Adenome oder Warthin-Tumoren) wiesen 40,2 % der Patienten am ersten Tag nach der Operation eine Fazialisparese auf; nach zwei Wochen postoperativ 28,3 %, nach sechs Monaten 3,9 % und nach einem Jahr 1,6 % der Patienten [2].

Ätiologie der zentralen Fazialisparese

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Angiom ‒ tumorartige Gefäßneubildung
  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Hirnblutungen, nicht näher bezeichnet

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Hirntumoren, nicht näher bezeichnet

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Pseudobulbärparalyse ‒ Erkrankung, die durch eine Läsion des Tractus corticobulbaris (corticonuclearis) bedingt ist

Literatur

  1. Hellebrand MC et al. (2006) Das Mona-Lisa Syndrom – die periphere Fazialisparese in der Schwangerschaft. Z Geburtsh Neonatol 210:126-134
  2. Ruohoalho J et al.: Complications after surgery for benign parotid gland neoplasms: A prospective cohort study. Head Neck 2016, online 30. April; doi: 10.1002/hed.24496
     
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