Symptome – Beschwerden
Demenz

Beachte: Zur Diagnostik der Demenzen sehen internationale Leitlinien und Diagnosekriterien ein zweistufiges Vorgehen vor:

  1. Möglichst gründliche Erhebung, Beschreibung und Sicherung des Demenzsyndroms 
  2. Spezifizierung der Demenzätiologie (Ursache der Demenz)

Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Demenz hinweisen:

Mögliche Frühwarnzeichen:

  • Verschlechterung des Erinnerungsvermögen und des Kurzzeitgedächtnisses
    • Sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern.
    • Dinge, die man täglich braucht (z. B. Schlüssel, Portemonnaie), werden verlegt und nicht mehr wiedergefunden.
    • Termine, Absprachen und Telefonnummern werden vergessen.
  • Beeinträchtigung von Konzentration und Denkprozessen
    • Konzentration ist schlechter als früher.
    • Entscheidungen und Überlegen fallen schwerer.
    • Situationen, die schnelles und umsichtiges Handeln erforderlich machen, werden nicht mehr überblickt und es wird zu langsam und falsch reagiert.
    • Lese-, Schreib- und Rechenstörungen
    • Immer wieder dieselben Fragen stellen.
    • Alltägliche Dinge können nicht mehr bezeichnet werden.
    • Probleme bei gewohnten Handlungsabläufen, z. B. beim Schuhe zubinden.
    • Mehrere Anforderungen können nicht mehr gleichzeitig erfolgen ("Multitasking" nicht mehr möglich).
  • Orientierungsstörungen
    • Dinge, die man täglich braucht werden an ungewöhnliche Orte (Aschenbecher im Kühlschrank) gelegt bzw. verlegt.
    • Orientierungsprobleme an fremden Orten oder nachts zu Hause.
    • Tragen unpassender Kleidung (z. B. Wintermantel im Sommer).
    • Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus (am Tage müde und nachts nicht schlafen können).
  • Sprachstörungen
    • Spontane Rede und Sprache verarmt; aktive Teilnahme an Gesprächen nimmt ab.
    • Es wird zunehmend schwerer, Gesprächen, Fernseh- und Radiosendungen zu verfolgen.
    • Es tretend zunehmend Wortfindungsstörungen auf; der Betroffene kann Dinge des täglichen Lebens nicht mehr benennen.
  • Verhaltensauffälligkeiten und psychische Veränderungen („behavioral and psychological symptoms of dementia“, BPSD)
    • Aufgabe von gewohnten Aktivitäten, Hobbys
    • Rückzug aus dem gewohnten sozialen Umfeld
    • Glaubt bestohlen worden zu sein und bezichtigt unbegründet Andere des Diebstahls.
    • Affektive Symptome (negative Veränderungen des Gemütszustandes; Depression, Angst)
    • Hyperaktivität (u. a. Agitation, Aggression, Disinhibition, Irritabilität)
    • Psychotische Symptome (Halluzinationen (Trugwahrnehmungen), Wahn)
    • Apathie (Teilnahmslosigkeit) – Studien mit validierten Apathie-Definitionen zeigten, dass das relative Risiko, eine Demenz zu entwickeln, bei 1,81 (95 %-Konfidenzintervall: 1,32-2,50) lag [5]

*Bei Personen im mittleren Lebensalter deuten Lücken im Kurzzeitgedächtnis früh auf eine Demenz hin [6].

Leitsymptome

  • Einschränkung der Gedächtnisleistung
  • Sprachstörungen
  • Rechenstörungen
  • Defizite beim Urteilsvermögen und bei Problemlösungen
  • Reduzierte Kritikfähigkeit
  • Aggressivität 

Begleitsymptome

  • Halluzinationen
  • Schlafstörungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Angst

Beachte: Riechstörungen gehen den kognitiven Störungen oft voran [7].

Für die Diagnosestellung eines demenziellen Syndroms müssen die Symptome für mindestens sechs Monate lang angehalten haben (ICD-10-Kriterien der WHO beim Demenzsyndrom; Aspekt fehlt in der ICD-10-German Modification, Version 2018).

Formen der Demenz und ihre Symptome

Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) (50-70-(80) %)

Symptome und  Beschwerden

  • Beginn unbemerkt und entwickelt sich dann stetig nach und nach über einen Zeitraum von vielen Jahren (= Kontinuumerkrankung)
  • Ein Rückgang des Riechvermögens gilt als Prädiktor eines bevorstehenden Morbus Alzheimer.
  • Gedächtnisstörungen (hier bereits die subjektiv empfundene Gedächtnisverschlechterung/Gedächtnisstörung)
  • Orientierungsstörungen
  • Perseverationen – sprachliches krankhaftes Verharren bei gleichen Vorstellungen, bei gleichen Denkinhalten
  • Aphasie (zentrale Sprachstörung nach weitgehend abgeschlossener Sprachentwicklung) – Leitsymptom: Wortfindungsstörungen (Schwierigkeiten beim Benennen von Gegenständen u. ä.)
  • Weiteres s. u. Morbus Alzheimer/Symptome – Beschwerden

Vaskuläre Demenz (VD; 15-25-(35) %)

Symptome und  Beschwerden

  • Beeinträchtigung von Alltagsaktivitäten wie Aufmerksamkeit, Orientierung, Sprache, Urteilsvermögen, Visuokonstruktion (Fähigkeit, komplexe Formen oder Muster zu erkennen und zu reproduzieren (neben Buchstaben, Zahlen und Wörtern auch Symbole usw.)), Handlungs- und Abstraktionsfähigkeit, motorische Kontrolle sowie Praxie ( zielgerichtetes, zweckmäßiges Handeln)

Frontotemporale Demenz (FTD; Synonyme: Morbus Pick; Pick-Krankheit; ca. 10 %)

Symptome und Beschwerden 

  • Progrediente Demenz mit Beginn im mittleren Lebensalter (40.-60. Lebensjahr)
  • Charakterisiert durch frühe, langsam fortschreitende Persönlichkeitsänderung und Verlust sozialer Fähigkeiten
  • Krankheit ist gefolgt von Beeinträchtigungen von Intellekt, Gedächtnis und Sprachfunktionen mit Apathie, Euphorie und gelegentlich auch extrapyramidalen Phänomenen.
  • Völlige Enthemmung und Uneinsichtigkeit
  • Demenz schreitet bei FTD in der Regel weit schneller voran als bei der Demenz vom Alzheimer-Typ.

Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (engl. "Parkinson disease dementia", PDD) (< 10 %)

Symptome und  Beschwerden

  • Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt
  • Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit (spontanen/fokussierten)
  • Verringerte Spontanität
  • Verlust von Motivation und Interesse
  • Halluzinationen und Wahn

Demenz vom Lewy-Körper-Typ (Lewy-Body-Demenz, LBD) (0,5-15-(30) %)

Symptome und  Beschwerden

  • Zentrale Merkmal der LKD ist eine Demenz, die mit Funktionseinschränkungen im Alltag einhergeht.
  • Die Gedächtnisfunktion ist beim Erkrankungsbeginn relativ gut erhalten.
  • Aufmerksamkeitsstörungen, Beeinträchtigungen der exekutiven und visuoperzeptiven Funktionen sind häufig
  • Verhaltensstörungen im Schlaf (Sprechen, schreien)
  • Neuroleptikaüberempfindlichkeit

Hinweis: Diese Form tritt häufig mit dem Morbus Parkinson auf.

Abgrenzung der Demenz zur leichten kognitiven Störung ("mild cognitive impairment", MCI)

  • Die Abgrenzung der Demenz zur leichten kognitiven Störung ("mild cognitive impairment", MCI) ist durch die Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen durch die kognitive oder Verhaltensstörung definiert. Die Bewertung der Alltagsbeeinträchtigungen ist eine klinische Bewertung, die sich an der individuellen Patientenkonstellation ausrichtet und auf den Angaben des Patienten und eines Informanten fußt [1].

Weitere Hinweise

  • In einer Studie wurden 578 Menschen, die älter als 90 Jahre alt waren und noch nicht an einer demenziellen Erkrankung litten, halbjährlich neuropsychiatrisch und neurologisch untersucht [2]: Probanden, die 
    • schlecht im Stehtest abschnitten, wurden häufiger dement (HR = 1,9-2,5; p = 0,02)
    • langsam im Vier-Meter-Gehtest waren, hatten ebenso ein erhöhtes Demenzrisiko (HR = 1,1-1,8; p = 0,04)
  • Auf der Grundlage von Daten von mehr als 2.000 Probanden der Framingham-Offspring-Studie im mittleren Alter von 62 Jahren wiesen auf ein erhöhtes Demenz- bzw. Alzheimerrisiko hin [3]: 
    Reduktion der Ganggeschwindigkeit um eine Standardabweichung
    • Demenzrisiko um + 76 %
    • Alzheimerdemenz um + 68 % 
    Stärke des Händedrucks:
    • < 10. Perzentil (für Frauen ≤ 15 kg, für Männer ≤ 30 kg) → Anstieg des Demenz- bzw. Alzheimerrisiko um Faktor 2,2-3,2
  • Altersbedingte Schwerhörigkeit (ARHL, age related hearing loss): 
    • Kognitive Beeinträchtigungen (globale Wahrnehmung, exekutive Funktionen, episodisches Gedächtnis, Wortgedächtnis und räumlich-visuelle Wahrnehmung, Verarbeitungsgeschwindigkeit) und altersbedingte Schwerhörigkeit (ARHL, age related hearing loss) waren signifikant verknüpft; die Odds Ratios lagen bei 2,0 bzw. 1,22 (Querschnitt- bzw. Kohortenstudien); Ähnliches galt allgemein für die Demenz (OR 2,42 bzw. 1,28) [4]
  • Bei Personen im mittleren Lebensalter deuten Lücken im Kurzzeitgedächtnis früh auf eine Demenz hin [6].

Unterscheidung beim älteren Patienten zwischen Demenz und Depression

  • Verweist ein älterer Patient von sich auf kognitive Defizite, liegt häufig keine Demenz sondern eine Depression vor.
  • Demenzkranke tendieren eher dazu als Depressive, kognitive Defizite zu bagatellisieren. Demenzkranke versuchen Defizite zu übergehen oder diese zu kaschieren.

Warnzeichen (red flags)

  • Anamnestische Angaben:
    • Alkoholabhängigkeit
    • Depression
    • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Ausgeprägte Sprachprobleme vor dem 60. Lebensjahr → denken an: semantische Demenz bei Pick-Krankheit (Synonyme: frontotemporale Demenz (FTD), früher auch Picksche Krankheit); meist vor dem 60. Lebensjahr auftretende neurodegenerative Erkrankung im Frontal-bzw. Temporallappen (Stirn- bzw. Schläfenlappen) des Gehirns mit der Folge des zunehmenden Persönlichkeitsverfalls.
  • Schnell einsetzende Demenz (innerhalb von 3-6 Monaten) → denken an:
    • chemische Toxine
    • Autoimmun-Enzephalitiden (vor allem Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis bei jungen Patienten/ fast ausschließlich Mädchen und Frauen betreffende Erkrankung, die ein neuropsychiatrisches Symptomspektrum (Verhaltensauffälligkeit, Psychose, Anfälle, Bewegungsstörung) ausweist; Anti-GAD-Enzephalitis)
  • Beginn mit psychiatrischen Symptomen wie Verhaltensänderungen, Impulsivität und Gleichgültigkeit + später kognitiver Abbau → denken an: frontotemporale Demenz (FTD) 

Literatur

  1. S3-Leitlinie: Demenzen. (AWMF-Registernummer:038-013), November 2023 Langfassung
  2. Bullain SS et al.: Sound Body Sound Mind? Physical Performance and the Risk of Dementia in the Oldest-Old: The 90+ Study. Journal of the American Geriatrics Society Volume 64, Issue 7, pages 1408-1415, July 2016 doi: 10.1111/jgs.14224
  3. Camargo EC et al.: Association of Physical Function with Clinical and Subclinical Brain Disease: The Framingham Offspring Study. J Alzheimers Dis 2016; 53: 1597-1608
  4. Loughrey DG et al.: Association of Age-Related Hearing Loss With Cognitive Function, Cognitive Impairment, and Dementia, A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. 2018;144(2):115-126. doi:10.1001/jamaoto.2017.2513
  5. Van Dalen JW et al.: Association of Apathy With Risk of Incident Dementia: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry Published online July 18, 2018. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.1877
  6. Möllers T et al.: Subjective short-term memory difficulties at ages 50-75 predict dementia risk in a community-based cohort followed over 17 years Age and Ageing 2022;51(6) afac113, https://doi.org/10.1093/ageing/afac113
  7. Pacyna RR et al.: Rapid olfactory decline during aging predicts dementia and GMV loss in AD brain regions. Alzheimer & Dementia 28 July 2022 https://doi.org/10.1002/alz.12717

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Demenzen. (AWMF-Registernummer:038-013), November 2023 Langfassung
     
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