Turner-Syndrom – Einleitung

Das Turner-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, bei der aufgrund einer Chromosomenaberration (Abnormalitäten der Geschlechtschromosomen) anstelle der zwei Geschlechtschromosomen XX nur ein funktionsfähiges X-Chromosom in allen oder nur in einem Teil aller Körperzellen vorliegt. Es gibt auch den Fall, dass das zweite X-Chromosom vorhanden ist, aber strukturell verändert vorliegt.

Synonyme und ICD-10: 45,X/46,XX-Mosaik; 45,X/46,XY-Mosaik; Gonadendysgenesie; Karyotyp 45,X; Karyotyp 46,X iso (Xq); Karyotyp 46,X mit Gonosomenanomalie, ausgenommen iso (Xq); Mosaik 45,,X/Zelllinien a.n.k. mit Gonosomenanomalie; Turner-Anomalie der Geschlechtschromosomen; Turner-Syndrom; Ullrich-Turner-Syndrom; X-Monosomie; X0-Syndrom; ICD-10-GM Q96.-: Turner-Syndrom

Das Turner-Syndrom tritt nur bei Mädchen bzw. Frauen auf. Aufgrund der Chromosomenanomalie kommt es zu einem Mangel an Wachstums- und Geschlechtshormonen.

Formen des Turner-Syndroms

Das Turner-Syndrom kann in verschiedenen Formen auftreten:

  • Klassisches Turner-Syndrom: Vollständiges Fehlen eines X-Chromosoms in allen Zellen (45,X).
  • Mosaik-Turner-Syndrom: Das Fehlen eines X-Chromosoms in einigen Zellen, während andere Zellen den normalen Chromosomensatz (46,XX) oder andere Anomalien aufweisen (z.B. 45,X/46,XX).
  • Strukturelle Anomalien des X-Chromosoms: Vorhandensein eines strukturell veränderten X-Chromosoms.

Das Krankheitsbild ist mit den unterschiedlichsten Symptomen assoziiert (siehe "Symptome – Beschwerden"). Das Syndrom ist voll ausgeprägt, wenn ein X-Chromosom fehlt. Charakteristisch sind Minderwuchs und ausbleibende Pubertät.

Ursache für die Erkrankung sind Spontanmutationen. Das Turner-Syndrom kann nicht vererbt werden.

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Man schätzt, dass ca. 3 % der weiblichen Embryonen ein funktionelles Turner-Syndrom aufweisen, doch nur 1-2 % sterben nicht während der Schwangerschaft ab.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 0,0004 % bei weiblichen Lebendgeburten (in der Welt).

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt ca. 10 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr bei weiblichen Lebendgeburten (in der Welt).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Schon bei der Geburt lassen sich erste Charakteristika des Turner-Syndroms erkennen. So werden sowohl Lymphödeme (Einlagerung von Lymphflüssigkeit im Gewebe) als auch eine Pterygium colli (flügelförmige seitliche Halsfalten/Flügelfell) beobachtet. In der Pubertät kommt es zum Ausbleiben von Menstruation (Amenorrhoe) sowie zur Unterentwicklung geschlechtsspezifischer Merkmale (primäre Amenorrhoe). Ebenfalls ist das Körperwachstum stark verringert.

Prognose

Die Prognose des Turner-Syndroms ist in der Regel gut, insbesondere mit frühzeitiger Diagnose und angemessener medizinischer Betreuung. Eine Therapie mit Wachstums- und Geschlechtshormonen ermöglicht den Betroffenen ein annähernd normales Leben. Die kognitive Fähigkeit ist in der Regel nur geringfügig beeinträchtigt, und signifikante Entwicklungsprobleme treten in lediglich 10 % der Fälle auf [1]. In 2 % der Fälle kann eine natürliche Schwangerschaft eintreten, allerdings ist diese häufig mit einer hohen Rate von Aborten (Fehlgeburten) verbunden [2].

Die Mortalität (Sterblichkeit) ist im Vergleich zur Normalbevölkerung nur geringfügig erhöht. Mit zunehmendem Lebensalter sinkt das Risiko, an den angeborenen Fehlbildungen (vor allem Herzabnormalitäten) zu sterben, stetig [3].

Komorbiditäten 

Das Turner-Syndrom ist vermehrt mit metabolischen Störungen, vor allem Übergewicht, vergesellschaftet [4, 5].

Durch das Turner-Syndrom ist das Risiko, an einer Hämophilie (Bluterkrankheit) zu erkranken, weitaus höher, da das übliche zweite funktionsfähige X-Chromosom fehlt.

Literatur

  1. Gonzalez L et al.: The Patient with Turner Syndrome: Puberty and Medical Management Concerns. Fertil Steril. 2012 Oct; 98 (4): 780-7
  2. Abir R et al.: Turner's syndrome and fertility: current status and possible putative prospects. Hum Reprod Update. 2001 Nov-Dec; 7 (6): 603-10
  3. Price WH et al.: Mortality ratios, life expectancy, and causes of death in patients with Turner's syndrome. J Epidemiol Community Health. 1986 Jun; 40 (2): 97-102
  4. Lebenthal Y et al.: The Natural History of Metabolic Comorbidities in Turner Syndrome from Childhood to Early Adulthood: Comparison between 45, X Monosomy and Other Karyotypes. Front Endocrinol (Lausanne). 2018; 9: 27. Published online 2018 Feb 9. doi: 10.3389/fendo.2018.00027
  5. Hanew K et al.: Women with Turner syndrome are at high risk of lifestyle-related disease – From questionnaire surveys by the Foundation for Growth Science in Japan. Endocr J. 2016 May 31; 63 (5): 449-56. doi: 10.1507/endocrj.EJ15-0288. Epub 2016 Feb 11

Leitlinien 

  1. Gravholt CH, Andersen NH, Conway GS, Dekkers OM, Geffner ME, Klein KO, Lin AE, Mauras N, Quigley CA, Rubin K, Sandberg DE, Sas TCJ, Silberbach M, Söderström-Anttila V, Stochholm K, van Alfen-van der Velden JA, Woelfle J, Backeljauw PF: International Turner Syndrome Consensus Group. Clinical practice guidelines for the care of girls and women with Turner syndrome: proceedings from the 2016 Cincinnati International Turner Syndrome Meeting. Eur J Endocrinol 2017;177(3):G1-G70. doi: 10.1530/EJE-17-0430.