Bluthochdruck in der Schwangerschaft (hypertensive Schwangerschaftserkrankungen) – Einleitung

Hypertonie (Bluthochdruck) in der Schwangerschaft kann neu aufgetreten sein oder schon vor der Schwangerschaft bestanden haben.

Synonyme und ICD-10: EPH-Gestose; Eklampsie; Frühgestose; Gestationshypertonie; Gestosis; Gravidität - Gestose; Graviditätstoxikose; HELLP-Syndrom; Hypertonie in der Schwangerschaft (HIS); hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (HES); Pfropfgestose; Praeeklampsie; Propfgestose; Präeklampsie; Schwangerschaftshypertonie; Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie; Schwangerschaftstoxikose; Spätgestose; Toxikose; hypertensive Schwangerschaftserkrankung; ICD-10-GM O11-O16: Ödeme, Proteinurie und Hypertonie während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes

Formen der schwangerschaftsinduzierten Hypertonie

  • Gestationshypertonie [schwangerschaftsinduzierte Hypertonie] (ICD-10-GM O13): Im Verlauf der Schwangerschaft neu auftretende Blutdruckwerte ≥ 140-90 mmHg bei einer zuvor normotensiven  Schwangeren (mit normalem Blutdruck) ohne zusätzliche Kriterien, die eine Präeklampsie definieren
  • Gestationsproteinurie: Neu in der Schwangerschaft aufgetretene Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) ≥ 300mg/d oder Protein/Kreatinin-Prozent ≥ 30 mg/mmol ohne weitere Kriterien, die den Zustand der Präeklampsie erfüllen und ohne vorbestehende renale Ursache
  • Präeklampsie (PE) (EPH-Gestose oder proteinurische Hypertonie; ICD-10-GM O14.-: Präeklampsie): jeder (auch vorbestehend) erhöhte Blutdruck ≥ 140-90 mmHg in der Schwangerschaft plus Proteinurie > 0,3 g/24 Stunden; des Weiteren liegt eine Präeklampsie auch dann vor, wenn neben einem erhöhten Blutdruck folgende Symptome/Organmanifestationen auftreten:
    • Nierenfunktionsstörung (Oligurie (verminderte Urinmenge mit einer Tageshöchstmenge von 500 m), Anstieg des Kreatinin-Serumspiegels); typischerweise meist eine Proteinurie ≥ 300 mg/d oder Protein/Kreatinin-Prozent ≥ 30 mg/mmol.
    • Lungenödem
    • Leberbeteiligung
    • hämatologische Störungen (disseminierte intravasale Gerinnung (DIC), Thrombozytenabfall (Abfall der Konzentration der Blutplättchen), Hämolyse (Auflösung der Erythrozyten (rote Blutkörperchen))
    • neurologische Beschwerden
    • Wachstumsretardierung (SGA: small for Gestational Age/"klein bezogen auf das Reifealter"/intrauterine Wachstumsretardierung (UGR))
  • HELLP-Syndrom (H = hemolysis (Hämolyse/Auflösung der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Blut), EL = elevated liver enzymes (Erhöhung der Leberenzyme), LP = low platelets (Thrombozytopenie/Verminderung der Blutplättchen); ICD-10-GM O14.2: HELLP-Syndrom); häufig assoziiert mit einer Präeklampsie
  • Eklampsie (ICD-10 O15.-): Im Rahmen einer Schwangerschaft auftretende chronisch-chronische Krampfanfälle (häufig assoziiert mit Präeklampsie), die keine anderen neurologischen Ursache (z. B. Epilepsie) zugeordnet werden können.
  • Chronische Hypertonie in der Schwangerschaft (ICD-10-GM O16: Nicht näher bezeichnete Hypertonie der Mutter): Präkonzeptionell (vor der Empfängnis) oder im ersten Trimester (Schwangerschaftsdrittel) diagnostizierte Hypertonie

Hinweis!
Es gibt auch Gestationsödeme (Wassereinlagerungen in der Schwangerschaft) und eine Gestationsproteinurie [schwangerschaftsinduziert] ohne Hypertonie (ICD-10-GM O12.-).

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Erstgebärende sowie Frauen über 35 Jahre sind häufiger betroffen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen liegt bei 8-10 %. Die Prävalenz einer Gestose liegt bei 5-7 % (in Westeuropa).

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) der Präeklampsie beträgt 2 % (in Europa).

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Gestationshypertonie: Normalisiert sich meistens innerhalb der ersten 12 Wochen nach der Entbindung.
  • Präeklampsie: Kann sich zu schwerwiegenden Formen wie dem HELLP-Syndrom oder Eklampsie entwickeln, die lebensgefährlich sein können. Symptome umfassen Kopfschmerzen, Sehstörungen, Oberbauchschmerzen und schwere Hypertonie.
  • HELLP-Syndrom: Kann zu Leberruptur, Blutgerinnungsstörungen und akutem Nierenversagen führen.
  • Eklampsie: Kann zu schweren Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen führen, mit potenziell tödlichen Komplikationen für Mutter und Kind.

Prognose

  • Gestationshypertonie: Gute Prognose bei rechtzeitiger Behandlung und Überwachung, wobei langfristige Blutdruckkontrollen erforderlich sein können.
  • Präeklampsie: Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Präventionsmaßnahmen nach der Schwangerschaft sind notwendig.
  • HELLP-Syndrom: Hohe Mortalität (Sterberate) und Morbidität (Erkrankungshäufigkeit), intensive Überwachung und schnelle Entbindung verbessern die Prognose.
  • Eklampsie: Erfordert sofortige medizinische Intervention, um lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden. Langfristige Überwachung wegen erhöhtem Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen notwendig.

Beachte: Bei Blutdruckwerten von ≥ 160 mmHg systolisch bzw. ≥ 110 mmHg diastolisch soll eine Einweisung in die Klinik erfolgen. Gleiches gilt bei klinischen oder laborchemischen Verdacht auf HELLP-Syndrom (z. B. persistierende Oberbauchschmerzen), Eklampsie, Präeklampsie mit schweren neurologischen Symptomen, Dyspnoe (Atemnot) und/oder hypertensiver Krisen mit vitaler Bedrohung. Ein umgehender Transport über das Rettungswesen in die Klinik ist notwendig. Unabhängig von der maternalen (mütterlichen) Situation bestehen fetale (kindliche) Indikationen zur Einweisung in die Klinik.

In den Industrieländern sind hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (HES) für 20-25 % der perinatalen Todesfälle (Sterbefälle während der Geburt und bis zum 7. Tag nach der Geburt) verantwortlich und stehen an zweiter Stelle der prä- und postnatalen Mortalität (vor- und nachgeburtliche Sterblichkeit).

10-15 % aller mütterlichen Todesfälle sind durch eine Präeklampsie bedingt.

Hinweise

  • Die neue S2k-Leitlinie empfiehlt ein allgemeines Screening auf Präeklampsie bei jeder Schwangeren.
  • Zudem wurde ein Nachsorgepass ent­wickelt, der Frauen, die einen Bluthochdruck in der Schwangerschaft entwickelt haben, bei der weiteren Betreuung unterstützen soll. Dieses ist eine sinnvoll Maßnahme, da dieses Kollektiv ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Nierenerkrankungen und Schwangerschaft. (AWMF-Registernummer: 015 - 090), Oktober 2021 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft (HES): Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 015-018), Juli 2024 Langfassung