Medizingerätediagnostik
Harninkontinenz (Blasenschwäche)

Obligate Medizingerätediagnostik

  • Sonographie (Ultraschalluntersuchung) bzw. Urosonographie (Ultraschalluntersuchung der ableitenden Harnwege (Niere, Blase, Harnröhre), insbesondere durch Perinealsonographie bzw. Introitussonographie (Aufsetzen des Schallkopfes auf den Damm (Perineum) oder in den Scheideneingang (Introitus)). Diese Ultraschalluntersuchungen liefern Informationen über die Konfiguration des Blasenhalses in Ruhe und unter Belastung und haben die Diagnostik durch Röntgendarstellung (Urethrozystographie) weitestgehend ersetzt (Einsatz als präoperative Diagnostik). Das Verfahren ermöglicht somit eine funktionell-morphologische Untersuchung unter dynamischen Bedingungen. Eine urodynamische Diagnostik (Urodynamik; s. u.) inklusive Urethradruckprofil ersetzt es allerdings nicht.
    • Restharnbestimmung – Bestimmung der in der Harnblase verbleibenden Urinmenge nach dem Wasserlassen 
      Beachte: Bei anticholinerger Medikation sollte eine Restharnbestimmung vor und während anticholinerger Medikation erfolgen.
    • Bestimmung der Blasenkapazität bei voller Blase
    • Blasenwanddicke
    • Weiblicher Beckenboden (= Beckenbodensonographie; urogynäkologischer Ultraschall): Urethra (Harnröhre), Blase, Symphyse und Vagina (Scheide), Uterus (Gebärmutter) sowie Douglas-Raum (taschenförmige Aussackung des Peritoneums (Bauchfell) zwischen Rektum (Mastdarm) hinten und Uterus vorne), Rektum, analer Schließmuskel und die Beckenbodenmuskulatur – zur morphologischen Diagnostik der Inkontinenz und von Beckenbodenfunktionsstörungen
      [Deszensus von Urethra/Harnröhre und Blase; Zystozele/ Vorwölbung der Harnblase in die vordere Vaginalwand; Rektozele/Aussackung der Mastdarmvorderwand in die Scheide und Enterozele ("Darmbruch"); Divertikel ("Ausstülpung") der Harnröhre oder vaginale Zysten/Scheidenzysten]
    • Männlicher Beckenboden: Urethra (Harnröhre), Meatus urethrae internus (innere Harnröhrenöffnung), Blasengrund, Symphyse; zur Darstellung wird die Ultraschallsonde mit nur einem geringen Anpressdruck auf das Perineum (Damm, d. h. Region zwischen After und den äußeren Geschlechtsorganen) gehalten
    Beachte: Bei Harninkontinenz inkl. Miktionsbeschwerden (Beschwerden beim Wasserlassen) sind folgende Veränderungen/Erkrankungen möglich: Prostatavergrößerung, Blasensteine, intra- oder paravesikale Raumforderungen, Sludge und Blasenwandverdickungen sowie Harnblasendivertikel (sackartige Ausstülpung der Blasenwand).

Fakultative Medizingerätediagnostik – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, körperlichen Untersuchung, Labordiagnostik und obligaten Medizingerätediagnostik – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Optionale Tests [S2e-Leitlinie]:
    • Stresstest (Husten-Stresstest) – Dieser Test kann den unwillkürlichen Urinverlust objektivieren. Kommt es bei gefüllter Blase beim Lachen, Niesen oder Husten oder körperlicher Bewegung, z. B. Kniebeugen, zu Urinabgang, ist dies ein Hinweis für eine Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz; Urinverlust bei körperlicher Anstrengung infolge einer Blasenverschlussproblematik).
      Die Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Verfahrens erkannt wird, d. h. ein positiver Befund auftritt) für Stressinkontinenz betrug gemäß einer Studie 67 % im Sitzen und 79 % im Stehen. Die Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) lag bei 90 % im Stehen und 100 % im Sitzen [2]. 
    • Windeltest (PAD-Test oder Pad-weight-Test//Windeln-Wiegetest; Vorlagenwiegetest) – Gewichtsmessung einer Windel/Vorlage nach einer definierten Belastung
  • Urogramm (Ausscheidungsurogramm) – z. B. Nachweis renaler Narbenbildung bei chronischen Harnwegsinfekten oder struktureller Anomalien
  • Urodynamische Diagnostik (u. a. Messung der Blasenfunktion während der Füllung über einen Katheter und der sich anschließenden Entleerung (Druck-Fluss-Analytik) zur Differenzierung der verschiedenen Formen der Harninkontinenz (Stress-, Urgeinkontinenz auch Mischformen, neurogene Blase)
    • Uroflowmetrie (Harnflussmessung) – Messung des Urinflusses während der Blasenentleerung zur objektiven Feststellung von Blasenentleerungsstörungen
    • Zystometrie (Harnblasendruckmessung) man gewinnt qualitative und quantitative Informationen über die Funktion der Blasenmuskulatur
    • Urethradruckprofil (Harnröhredruckprofil) Messung des Harnröhrenverschlussdruckes
    • s. u. "Urodynamische Normparameter"
  • Urethrozystographie (laterale (seitliche) Urethrozystographie oder laterales Zystogramm) – Darstellung von Harnröhre und Harnblase mit durch Röntgenstrahlung. Durch Ultraschall weitgehend abgelöst: siehe Uro-Sonographie.
  • Miktionszystourethrographie (MZU, MCU) – röntgenologische Darstellung der Harnröhre und der Harnblase während der Miktion (Wasserlassen). Durch Ultraschall weitgehend abgelöst: siehe Urosonographie.
  • Urethrozystoskopie (Harnröhren- und Blasenspiegelung) – bestätigt nicht-invasiv erhobene Befunde in der Harnblase. Diese können sein: Blasensteine, Blasentumoren, Blasendivertikel, endovesikal entwickelte Prostataadenome (Prostatavergrößerung) und -karzinome (Prostatakrebs), vesikointestinale oder vesikovaginale Fistelbildungen
  • Rektoskopie (Mastdarmspiegel) 
  • Dynamische funktionelle MRT (Magnetresonanztomographie; dMRT):
    • zur Beurteilung der weiblichen Beckenbodendefekte und Harninkontinenz
    • zur Darstellung der Miktion (Entleerung der Harnblase), der neurogen Blase (Funktionsstörung der Harnblase aufgrund einer Störung im Nervensystem) und von Inkontinenzursachen (zu Forschungszwecken!)

Urodynamische Normparameter bei Frauen und Männern

Parameter Frau Mann
Maximale Blasenkapazität (ml) 250-650*  350-750* 
Miktionvolumen/Harnvolumen (ml) 250-650* 350-750*
Detrusordruck bei maximalem Flow (cmH20) 32 (+-/-10,6)*  38,3 (+/- 11,5)*
Maximaler Flow/maximaler Harnfluss (ml/s) 28,1 (+/- 10,8)* 24.1 (+/- 7,0)*
Miktionszeit/Blasenentleerungszeit (s) 39 (+/- 21,6)* 42,5 (+/- 19,9)*
Restharn < 50 ml* < 50 ml*
Sensibilität erster Harndrang ab > 60 % Füllungsvolumen 
Detrusordruck während der Speicherphase meist unter 10 cmH20** 
Compliance (ml/H20)  > 25 ml/cmH20

* [1]
** Abhängig vom einliegenden Katheter, über den gemessen wird.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Alloussi et al.: Urodynamische Referenzwerte – eine retrosepktive Analyse von 976 Urodynamiken ohne pathologischen Befund. Abstract DGU 2010 P11.1
  2. Henderson JW et al.: A Randomized Comparative Study Evaluating Various Cough Stress Tests and 24-Hour Pad Test with Urodynamics. J Urol 2017 Nov 23. pii: S0022-5347(17)77969-4. doi: 10.1016/j.juro.2017.11.073

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten - Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 084-001), Januar 2024 Langfassung
     
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