Hodenhochstand (Maldeszensus testis) – Labordiagnostik
In der Regel kann bei Maldeszensus testis (Hodenhochstand) auf eine Labordiagnostik verzichtet werden. Obligat ist sie jedoch bei beidseits nicht tastbaren Hoden, um eine Differenzierung zwischen Kryptorchismus (nicht tastbarer Hoden) und Anorchie (Fehlen beider Hoden) vorzunehmen.
Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen – bei beidseits nicht tastbaren Hoden
- Gonadotropine (LH, FSH) – zur Beurteilung der hypothalamo-hypophysären Regulation; erhöht bei primärer Gonadeninsuffizienz (Funktionsstörung der Hoden), erniedrigt bei zentraler (hypogonadotroper) Störung (Störung im Zwischenhirn/Hypophyse)
- Inhibin B – erniedrigt bei gestörter Sertolizell-Funktion (Funktionsstörung bestimmter Hodenstützzellen) oder fehlender Spermatogenese (Bildung der Samenzellen); wichtigster Marker der testikulären (hodeneigenen) Funktion
- HCG-Stimulationstest (Leydigzell-Funktionstest) – Überprüfung der Testosteronproduktion durch Stimulation mit humanem Choriongonadotropin (HCG); Differenzierung zwischen Anorchie (Fehlen beider Hoden) und Kryptorchismus (nicht tastbarer, im Bauchraum gelegener Hoden)
- Chromosomenanalyse – bei beidseits nicht palpablem Hoden, intersexuellem Genitale (uneindeutige Geschlechtsentwicklung) oder Hypospadie (Fehllage der Harnröhrenöffnung); zum Ausschluss eines weiblichen Karyotyps (46, XX) oder eines adrenogenitalen Syndroms (angeborene Störung der Nebennierenrindenfunktion)
Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung
- Testosteron – zur Beurteilung der Leydigzell-Funktion (Hormonproduktion der Hoden); erniedrigt bei Anorchie (Fehlen beider Hoden) oder ausgeprägtem Kryptorchismus (nicht abgestiegener Hoden)
- Anti-Müller-Hormon (AMH) – Marker der Sertolizell-Aktivität (Hodenstützzellen) und Gonadenentwicklung (Hodenentwicklung); stark erniedrigt oder nicht nachweisbar bei Anorchie (Fehlen beider Hoden)
- 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) – erhöht bei adrenogenitalem Syndrom (angeborene Störung der Nebennierenrindenfunktion)
- Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS) – erhöht bei adrenaler Androgenüberproduktion (übermäßige Hormonproduktion der Nebennieren)
- Androstendion – ergänzend zur Abklärung adrenaler Hyperandrogenämie (Überproduktion männlicher Hormone durch die Nebennieren)
- Cortisol – erniedrigt bei adrenogenitalem Syndrom (Nebennierenrindeninsuffizienz/Nebennierenrindenunterfunktion)
- ACTH – erhöht bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz (Unterfunktion der Nebennierenrinde)
- Prolaktin – zur Abklärung zentraler Störungen (z. B. Hypophysenadenom – gutartiger Tumor der Hirnanhangsdrüse) bei hypogonadotropem Hypogonadismus (verminderte Hormonproduktion infolge zentraler Störung)
- Karyotypisierung mit ggf. molekulargenetischer Analyse (z. B. SRY-Gen, AR-Gen) – zur Abklärung von Intersexualität (uneindeutiger Geschlechtsentwicklung), Androgenrezeptordefekten (Störung der Hormonwirkung) oder Y-Chromosomen-Mikrodeletionen (Fehlstellen auf dem männlichen Geschlechtschromosom)
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Hodenhochstand – Maldescensus testis. (AWMF-Registernummer: 006-022), August 2016 Langfassung